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Ausgabe:

1989

Spalte:

432-433

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Whitacre, Rodney A.

Titel/Untertitel:

Johannine polemic 1989

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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erbringen. Und zwar soll es näherhin der IThess sein, aus dem Lukas
vornehmlich das paulinische Material schöpft, daneben der Eph und
auch der Phil. Für IThess gilt nach Ae., „daß Lukas von diesem Brief
nicht nur eine allgemeine Kenntnis besaß, sondern daß er ihn auch bei
der Abfassung der Miletrede vor sich auf dem Tisch liegen hatte"; ferner
„könnte man leicht daraufschließen, daß Lukas noch den Eph vor
sich hatte, während er den Phil nur aus dem Gedächtnis verwendete"
(S. 189). Die Einzelnachweise für diese Annahmen sind - natürlich -
von unterschiedlichem Gewicht. Wirklich zwingend sind sie in keinem
Fall, in einigen sogar sehr problematisch (so z. B. die Inbezie-
hungsetzung von ßapög Apg20,29 zu IThess2,7.9 iv ßdpei und
imßapfjaai S. 147f, oder S. 134-136 die Analyse der Komposition
von Apg 20,28). Ae. sieht deutlich, daß kein einzelner seiner Belege
notwendig zur Annahme der direkten Benutzung des IThess oder
eines anderen Paulus-Briefes durch Lukas führt; er vertraut aber auf
die kumulative Wirkung vieler Möglichkeiten. Indessen ist das in
einem solchen Fall ein problematisches Unterfangen, die Fülle der
Möglichkeiten kumuliert nicht notwendig zur Wirklichkeit.

Die an sich auf die Milet-Rede begrenzte Untersuchung faßt -
methodisch richtig - in einem Exkurs auch „das Verhältnis von
Apg 17:1 - 18:17 zum IThess" in den Blick. Hier ist es indessen nur
möglich nachzuweisen, daß die Apg-Darstellung die Bekanntschaft
ihres Verfassers mit 1 Thess nicht ausschließt. Angesichts der minutiösen
Kenntnis und subtilen Verwendung von IThess, die Ae. sonst
Lukas zuschreiben zu können meint, ist solches Ergebnis freilich
kaum überzeugend.

Insgesamt läßt sich von Apg 20,18-35 her sicher eher die Benutzung
des IThess wahrscheinlich machen als von Lk 21,34-36 her.
Jedoch ist auch das kaum überzeugend gelungen. Gleichwohl sind
beide Bücher in mancherlei Hinsicht anregend; insbesondere bedarf
die Frage nach dem Wissen des Verfassers der Apg um Paulus-Briefe
gründlicher Überlegungen. Vielleicht führt doch die Annahme, er sei
der Phlm 24; Kol 4,14 erwähnte Paulus-Begleiter, zur überzeugendsten
Lösung dieses Problems.

Halle (Saale) Traugott Holtz

Fitzgerald, John T.: Cracks in an Earthen Vessel. An Examination of
the Catalogues of Hardships in the Corinthian Correspondence.
Atlanta, GA: Scholars Press 1988. VII, 289 S. 8° = SBL. Dissertation
Series, 99. Kart. $ 11.95.

Das Buch, eine bei A. Malherbe in Yale geschriebene Ph.D. Dissertation
, untersucht die Peristasenkataloge der Korintherbriefe vor dem
Hintergrund entsprechender Texte in der griechischen bzw. hellenistischen
Literatur; eine eingehende Untersuchung dieser literarischen
Gattung hatte bislang gefehlt. Das Buch beginnt nach der Einleitung
mit einer übersichtlichen Darstellung der Forschungsgeschichte
(S. 7-31). F. setzt ein mit J. Weiß und G. Heinrici und behandelt dann
eingehend R. Bultmann, der in seiner Dissertation von 1910 den Terminus
„Peristasenkataloge" eingeführt hatte. Die Darstellung erfaßt
die bis 1983 erschienene Spezialliteratur (die Arbeit wurde 1984 abgeschlossen
). F. notiert dabei nicht große Fehler in der bisherigen Forschung
, betont aber, daß es nötig sei, die Analyse der paulinischen
Texte auf eine breitere Basis antiker Literatur zu stellen. In Kap:12
(S. 33-46) untersucht F. Vorkommen und Verwendung des (in
urchristlicher Literatur nicht begegnenden) Substantivs mpiamoiq.
Die sorgfältig belegte Beschreibung der Wortgeschichte zeigt, daß sich
aus einem ursprünglich neutralen Verständnis („Umstand") ein
Sprachgebrauch entwickelte, der die Leidens- oder Gefahrensituationen
kennzeichnet, denen der tugendhafte Weise in seinem Leben ausgesetzt
ist; das daneben auch noch belegte positive Verständnis („günstiger
Umstand") spiele in Anbetracht der paulinischen Peristasenkataloge
keine Rolle. In Kap. 3 (S. 47-116) gibt F. eine systematisch
geordnete Übersicht über die unterschiedlichen Typen von Perista-
senkatalogen. Die ne.piaräae.ii; gelten jeweils als Prüfstein für den Charakter
des Menschen: Der eine bricht unter ihrem Gewicht zusammen
, der andere wird durch sie auf dem Weg zur Tugend (als ein profi-
ciens) gestärkt, so daß sie sich als Aspekt seiner Paideia erweisen; für
den dritten schließlich, den sapiens, liefern sie den Beweis, daß er sein
Ziel bereits erreicht hat. Die Kataloge sind das rhetorische und literarische
Mittel, dies zu illustrieren. Im Falle des Weisen beschreiben
und preisen die Kataloge „die Größe seiner unbesiegbaren Tugend,
die Macht und Gelassenheit seines philosophisch gebildeten Verstandes
" (S. 115), wobei gerade die Katalogform dazu diene, die Objektivität
dieser Beschreibung zu unterstreichen. „So gehören die peristaseis
des Weisen sowohl zur Pädagogik wie zur philosophischen Propaganda
" (S. 116). Von dieser Voraussetzung her untersucht F. in
Kap. 4 (S. 117-201) die Peristasenkataloge in den Korintherbriefen.
1 Kor 4,9-13 zeige in der Form, der Funktion und der Situation
Parallelen zu den Katalogen bei Epiktet, mit denen dieser den
idealen Kyniker beschreibe (S. 147); und die von Paulus eingesetzte
Ironie finde sich ähnlich z. B. bei Lukian. Die Kataloge von
2Kor4,8-13; 6.3-10 sieht F. im Kontext von 2Kor 1-9 insgesamt
(warum die Kataloge in ll,23ff; 12,10 nicht gesondert untersucht
werden, wird nicht deutlich); in diesem Brief wolle Paulus eine
Wechselseitigkeit des Stolzes für sich und die Korinther hervorrufen
("The purpose of 2Cor 1-9 is therefore to effeet a mutuality of pride
between Paul and the Corinthians", S. 150), und er tue dies durch
den Hinweis auf die bewältigten Leidenssituationen. Generell dienten
die Kataloge der Selbstdarstellung des Paulus; wie der ideale
hellenistische Weise, so akzeptiert auch Paulus die Widrigkeiten seines
Lebens als gottgewollt, und deshalb kann er in 2Kor 12,10 sogar
von der Freude über sein Leiden sprechen (S. 204). F. bemerkt abschließend
, es sei nötig, auch andere paulinische, weitere urchristliche
und jüdische Peristasenkataloge in gleicher Weise zu untersuchen
, um zu einem vollständigen Bild zu gelangen (S. 207). Dem
Buch angefügt sind eine umfangreiche Bibliographie und sehr ausführliche
Indices der zahlreichen zitierten antiken Texte und der
modernen Autorennamen. Für jede weitere Beschäftigung mit den
neutestamentlichen Peristasenkatalogen wird F.s Untersuchung
wegen ihrer methodischen Präzision und wegen ihres großen Materialreichtums
eine Fundgrube sein.

Bethel Andreas Lindemann

Whitacre, Rodney A.: Johanninc Polemic. The Role of Tradition and
Theology. Chico, CA: Scholars Press 1982. XIV, 278 S. 8" = SBL,
Dissertation Series, 67. Kart. $ 13.-.

Mit der jetzt veröffentlicht vorliegenden Arbeit hat Whitacre 1980
in England, an der University of Cambridge, bei M. D. Hooker promoviert
.

Wie fast alle Schriften des NT zeigen, ist die Geschichte des frühen
Christentums eine Geschichte von Auseinandersetzungen - nach
außen und innen. Von dieser Vision fasziniert, aber nicht in der Lage,
sie sogleich für das ganze NT darzustellen, sucht W. sie zunächst für
den johanneischen Kreis an Hand des JohEv und des Uoh programmatisch
zu erfassen. Während aber nun die Fronten im Uoh ziemlich
klar sind - auch W. sieht hier die Tradition des joh. Christentums im
Konflikt mit einer in seinem eigenen Schoß entstandenen gnostisie-
renden Richtung, die in Christologie und Ethik zu abweichenden Auffassungen
gelangt ist-, ist ja für das JohEv nicht einmal klar, ob es in
ihm überhaupt um eine Kontroverse geht, und wenn doch, so herrscht
über die Front bzw. die Hauptfront, wenn es mehrere geben sollte,
Unklarheit und Meinungsverschiedenheit. W. jedenfalls schließt sich
derjenigen Auffassung an, die das JohEv in der Auseinandersetzung
mit dem nach 70 n. Chr. neuformierten und pharisäisch bestimmten
Judentum sieht.

Die Durchführung des Anliegens erfolgt nach I. einer kurzen "In-
troduetion" (S. 1-4) in drei (in sich vielfach unterteilten) großen Ab-