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Ausgabe:

1989

Spalte:

426-428

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Dokumente von 1945 - 1985 1989

Rezensent:

Hinz, Christoph

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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und ein ähnlicher Prozeß der sozialökonomischen Zersplitterung wie
in der SpBr entstand. Im Auftreten der Propheten, vereinzelten Reformern
, die Jahwe als einzigen Gott Israels proklamierten, lag eine Wurzel
für die Ausbildung der israelitisch-jüdischen Religion, die andere
in den mono-jahwistischen, antiköniglichen Vorstellungen, die sich
an Heiligtümern wie Sichern bildeten. Die Deuteronomisten, die diese
Ideen aufnahmen, waren Nachfolger von Nordreichflüchtlingen, die
möglicherweise sogar der Priesterschaft von Sichern angehört hatten.
Sie lieferten den ideologischen Hintergrund für die Reform Josias, verloren
ihren Einfluß aber nach dem Tod des Königs.

Bei der Darstellung der exilischen und nachexilischen Zeit überrascht
, daß der sonst so quellenkritische Vf. den (chron.) Text
Esra 1,2-4 als Zeugnis Tür das Kyros-Edikt anführt. Die Zahl der
Deponierten schätzt er auf 10-20 % der Bevölkerung. Die Exilssituation
bewirkte eine kulturelle Beeinflussung der Deportierten durch
ihre neue Umwelt und rief als Reaktion darauf bei ihnen das Bewußtsein
hervor, zu einem besonderen Volk zu gehören. In diesem Sinne
bestimmte die Golah dann auch die Entwicklung im Mutterland. Mit
der Mehrheit der Exegeten setzt L. Nehemia vor Esra an. "Ezra's
reform provided Nehcmiah's efforts with an ideological legitimation,
in that Ezra intensified the solidarity of Jewish society by isolating it
hoth religiousfy and physically with respeet to the neighbouring pro-
vinces."(194)

Ein Schlußabschnitt "Israclitc Religion" beschreibt zunächst die
kanaanäischc Religion anhand der Texte aus Ugarit und wendet sich
dann der "legalistic rcligion of the post-exilic period" (198) zu.
Anschließend stellt L. in großen Umrissen die polytheistische vor-
exilische Religion. Israels und ihre zunehmende Umformung durch
die Wirksamkeit der Propheten und der Deuteronomisten dar. Aus
den - später im Sinne der Orthodoxie gereinigten - Texten geht noch
hervor, daß Jahwe mit Baal identifiziert und nicht selten dem Gott El
untergeordnet wurde; außerdem besaß er ein weibliches Gegenstück
(Aschera. Anat-Jahu). Der Gottesdienst Israels ist aber ebensowenig
wie der der kanaanäischen Religion überhaupt als orgiastischer
Fruehtbarkeitskult einzustufen. Schließlich sei die Prophetie kein
spezifisch israelitisches Phänomen, sondern eine Spielart des altvor-
deroricntalischen Prophetismus. Dennoch waren es in erster Linie die
Propheten, die - vorhandene Ansätze radikalisierend - die Verpflichtung
zur alleinigen Verehrung Jahwes forcierten. "... the Deutcrono-
m'sts ercated the Opposition to Canaanite rcligion, in that they iden-
'ified the fertility religion with the religion which had been present in
the country prior to the Israelitc immigration, while they at the same
t'nie identitied the ethical religion with the worship which the Isracli-
•cs had brdught with them into Palestine." (249)

Das Buch ist anscheinend für weitere Leserkreise gedacht. Es
bedient sich oft bildhafter, plastischer Ausdrücke. Es besitzt auch keinen
Anmerkungsapparat und bietet statt einer Bibliographie Lese-
cnipfchlungen Tür den cnglischsprachigen Benutzer. Vielleicht liegt es
an dieser weiten Abzweckung, daß das Buch nach dem großen theoretischen
Anlauf von "Early Israel" wenig aufregend und eher zurückhaltend
wirkt. Die zu jenem Buch geäußerten grundsätzlichen Bedenken
bleiben natürlich auch gegenüber der vorliegenden synthetischen
Ausarbeitung bestehen.

Marburg (Lahn) Winfried Thiel

Barre. Lloyd M.: The Rhetoric of Political Persuasion. The Narrative
Artistry and Political Intcntions of 2Kings9-ll. Washington, DC: The
c'atholic Biblical Association of America 1988. IX. 161 S. 8" = The Catholic
Biblical Ouartcrly Monograph Scrics. 20. $ 5.-.

Fox, Michael V.:QohelefsEpistemology(HUCA 58, 1987, 137-155).

Hirschfeld. Y.: The History and Town-Plan of Ancient llammat Gadcr
(ZDPV 103,1987. 101-116).

Johnstonc. William: The Decalogue and the Redaktion oHlic Sinai Pericope

Exodus(ZWA 100. 1988,361-385).

Kaiser. Otto: Die Bedeutung des Alten Testaments für den christlichen Glauben
(ZThK86, 1989, 1-17).

Klopfenstein. Martin A.: Alttestamentliche Themen in der neueren Forschung
(ThR 53, 1988,331-353).

Knohl. Israel: The Priestly Torah Versus the Holincss School: Sabbath and
the Festivals (HUCA 58, 1987,65-117).

KOMM, K.: Textkritische Anmerkungen zu schwierigen Stellen im Trito-
jesajabuch (Bibl 69, 1988. 564-573).

Kselman. John S., S.S.: Psalm 146 in Its Context (CBQ 50. 1988. 587-599).

Rendsburg. Gary A.: The Mock of Baal in I Kings 2 (CBQ 50. 1988,
414-417).

Stuhlmueller. C'arroll: Rebuilding with Hope. A C'ommcntary on the Books
of HaggaiandZechariah. Grand Rapids: Eerdman's; Edinburgh: Handsei Press
1988. X, 165 S. 8" = International Theological Commcntary. Kart. £ 4.95.

Toora, K. van der: Echoes of Judaean Necromancy in Isaiah 28.7-22 (ZWA
100. 1988, 199-217).

Judaica

Rendtorff. Rolf. u. Hans Hennann Henrix [Hg.]: Die Kirchen und das

Judentum. Dokumente von 1945 bis 1985. Paderborn: Bonifatius
Druckerei; München: Kaiser 1988. 746 S. gr. 8". geb. DM 98,-.

1. Das Buch kann man nicht nur sachlich kühl vorstellen. Diese
Dokumentation ist selber Dokument einer schrittweise umkehrenden
Kirche, die ihren Herrn neu wahrnimmt mit seinem Volk und im
Judentum heute dem jahrhundertelang nicht mehr gesehenen Bund
Gottes mit Israel begegnet. „Ich bin Josef, euer Bruder", so begegnet
Johannes XXIII. der jüdischen Delegation 1960 (S. 31) und segnet -
spontan auf der Straße anhaltend - die Juden, die am Sabbatmorgen
aus der Großen Synagoge kommen (zit. S. 107. 638). Umkehr bewahrt
die Hoffnung. Das Gedenkjahr 1988 ist akzidentiell. Das Erschrecken
über das, was jetzt den Palästinensern in Nah-Ost geschieht, die auch
..Brüder" sind, und die Sorge, welche Juden selber um die Selbstzerstörung
ihres Staates aktuell haben, belastet, hebt aber die Umkehr
nicht auf, ist Last der Bruderliebe.

2. Die Sammlung geht durch ihren ökumenischen Horizont über
Vorgänger hinaus (z. B. Klemens Richter [Hg.]: Die katholische
Kirche und das Judentum, Dokumente von 1945-1982. Freiburg,

1982). Sie ist..... Ergebnis einer langjährigen gemeinsamen Arbeit

der Studienkommission Kirche und Judentum der Evangelischen
Kirche in Deutschland und der Arbeitsgruppe für Fragen des Judentums
der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz"
(S. 23). Eine gemeinsame Arbeitsgruppe hatte in den Jahren 1978-82
die Konzeption entwickelt. Es sollte ein möglichst vollständiger Überblick
über kirchliche Verlautbarungen zum Verhältnis der Kirche
zum Judentum seit 1945 gegeben werden. Dabei war eine Beschränkungauf
offizielle und offiziöse Verlautbarungen kirchlicherGremien
und leitender Amtsträger notwendig (S. 24). Ein gemeinsames Vorwort
von Bischof Scheele für die Ökumene-Kommission und Bischof
Jung für den Rat der EKD bekräftigt den ökumenischen Charakter.

3. Der Band wird als „Ergebnis evangelisch/katholisch/jüdischer
Zusammenarbeit" vorgestellt (Vorwort S. 21). Man fing an. mit Juden
zu reden, nicht ohne sie über sie. Dr. Ehrlich. Rabbiner, und Dr. Posen
waren bereits an der Konzeptionsftndung beteiligt, andere werden im
Dank an Mitarbeiter genannt (S. 25/26). Dem entspricht die Gliederung
in vier Teile, katholische (K). evangelische (E), jüdische (J) und
gemeinsam verabschiedete Texte (CJ). Die beiden ersten Teile sind
die umfangreichsten, K: S. 29-320, E: 323-621. Beide sind parallel
aufgebaut und enthalten zuerst päpstliche bzw. vatikanische Verlautbarungen
(K I) und evangelisch-ökumenische bzw. internationale
(E I). Dann folgen Texte von nichtdeutschen Kirchen (K II u. E II),
schließlich Dokumente aus Deutschland (K III u. E III). - Der jüdische
Teil (J 1-8, S. 626-641) ist sehr schmal, einmal, weil eine Institution
für Grundsatzentscheidungen fehlt, dann wegen der „Asymmetrie
" des jüdischen Interesses am Dialog (S. 625). Er hat abcrexempla-