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Ausgabe:

1989

Spalte:

423

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fohrer, Georg

Titel/Untertitel:

Das Buch Hiob 1989

Rezensent:

Westermann, Claus

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Seite 1

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423

Theologische Literaturzeitung 1 14. Jahrgang 1989 Nr. 6

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bolik von Dan 7f sehe ich das interessanteste und wichtigste Ergebnis
der Arbeit. Ob man damit allerdings der Notwendigkeit literarkri-
tischer und historischer DifTerenzierung in Dan 7 enthoben ist (vgl. 6
Anm. 13;27f), muß bezweifelt werden.

Im dritten Teil (Kap. 3-5) geht Porter schließlich den verschiedenen
Funktionen der Tiere, ihren Handlungen und ihrem Schicksal, im
Rahmen der metaphorischen Rede nach. Entgegen älteren Erklärungen
, die die einzelnen Aussagen allein aus dem religionsgeschichtlichen
Hintergrund und den jeweiligen Zeitumständen begründen,
entwirft Vf. - wieder im Anschluß an entsprechende literaturwissenschaftliche
Theorien - ein Modell des Metaphern-Clusters, wonach
die Bereiche und Assoziationsfelder, in denen die Tierbilder erscheinen
- differenziert wird in einen natürlichen Bereich (Raubtiere,
gehörnte Tiere, Menschen), einen kulturellen (Könige/Reiche, Krieger
, Gesetz, Hofstaat, Wahrheit, Heiligtum) und einen kosmischen
(Meer, Engel, Gott), vgl. 40f-, sämtlich auf eine Grundmetapher (root
metaphor) zurückzuführen seien (Kap. 3, S. 33-42). Diese Grundmetapher
, die die einzelnen Ausprägungen der Tiermetaphern - in
Ansehung der Zeitumstände (41)- evoziert haben soll, findet Vf. über
den Vergleich mit der Tiersymbolik in lHen 85-90 im Bild des Hirten
(Kap. 4, S. 43-60). Indem das Tier als Leittier verstanden und so
die Brücke zum Hirten und König (der Herde von Menschen und Tieren
) geschlagen wird (690, erscheint für Porter die Hirtenmetapher als
Mitte, die die nach den oben genannten Bereichen differenzierten
Aussagen über die Tiere in Dan 7 und 8, welche einem aus der Hirtenmetapher
entwickelten und mit Parallelen aus AO und AT reichlich
belegten System von 12 Einzelmetaphern zugewiesen werden
(S. 61.119), miteinander verbindet und sie im Austausch der Attribute
„interagieren" läßt (Kap. 5, S. 61-120). Die These des dritten Teils ist
somit klar und übersichtlich durchgeführt, wenn auch gerade hier vieles
im Detail zu diskutieren und die Fülle der weitgehend nur zitierten
Parallelen analytisch zu befragen wäre.

Abschließende Bemerkungen (S. 121) und ein Literaturverzeichnis
(S. 122-128) runden die anregende und m. E. vor allem in ihrem
zweiten Teil weiterführende Arbeit ab.

Zürich Reinhard G. Kratz

Fohrer, Georg: Das Buch Hiob. 2. Aull. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1988. 573 S. gr. 8" = Kommentar zum Alten Testament, 16. Lw.
M 32,-.

Der Kommentar zum Hiobbuch von G. Fohrer ist von der Evangelischen
Verlagsanstalt, Berlin, in zweiter Auflage herausgegeben worden
, mit einem Vorwort zur 2. Auflage von G. Fohrer und einer
Ergänzung des Literaturverzeichnisses für die Jahre 1963-1986.
Bedingung für das Herausgeben einer zweiten Auflage war, daß der
Text des Buches unverändert blieb.

Ich habe das Buch in der ersten Auflage ausführlich rezensiert in
ThLZ 92, 1967,498-501, wo sie nachgelesen werden kann.

Der Evangel. Verlagsanstalt in Berlin, die eine sehr erwünschte
zweite Auflage ermöglicht hat, sei hiermit ein besonderer Dank
gesagt. Sie wird an vielen Stellen sehr willkommen sein und dankbar
aufgenommen werden,

Heidelberg Claus Westermann

Lemche, Niels Peter: Ancient Israel. A New History of Israelite
Society. Sheffield: JSOT Press 1988. 276 S. 8" = The Biblical Seminar
, 5. Kart. £ 8.95.

Nachdem der Vf. in seinem voluminösen Werk "Early Israel"
(VT 37, Leiden 1985) die theoretischen Grundlagen und methodischen
Leitgedanken seines Neuzuganges zur Geschichte Israels dargelegt
hatte (vgl. die ausführliche Besprechung in ThLZ I 13, 1988,

401-410), folgt nun die (kürzere) Synthese, die englische Übersetzung
eines bereits in Dänisch erschienenen Buches (,,Det Gamle Israel",
Aarhus 1984). Absicht des Vf. ist es, "a fundamcntally new approach
to the study of Israelite history and religion" (7) zu versuchen, und
zwar unter Absehung von den atl. Quellen zur Frühgeschichte Israels
und unter Einbeziehung eines breiteren sozialgcschichtlichen Fragehorizontes
. Daher gibt sich das Buch auch nicht als eine neue
Geschichte Israels, sondern als eine Darstellung seiner gesellschaftlichen
Entwicklung.

Das Werk beginnt mit den üblichen Feststellungen zur Landeskunde
und zur geopolitischen Situation, die Kleinräumigkeit, politische
Zersplitterung und wirtschaftliche Schwäche bedingte, das Land
zum Spielball der Umweltmächte bestimmte und die Entwicklung
einer unabhängigen Landeskultur behinderte. Das nächste Kapitel
"Text and History" bespricht die Eigenart der atl. Quellen, die klassischen
und die neueren Methoden der Exegese sowie Texte der
Umwelt und Resultate der Archäologie in ihrcrfi Aussagewert für die
politische und soziale Geschichte Palästinas. Der Vf. bestätigt sein aus
"Early Israel" bekanntes Verdikt über den Quellenwert der atl. Zeugnisse
: "From a methodological and logical point of view it is impos-
siblc to reconstruet the history of Israel and its religion in pre-exilic
times." (32) (Warum gilt dieses Urteil, beschränkt auf den geschichtlichen
Bereich, nicht auch für die so lückenhaft dokumentierte nach-
exilischc Periode?) Die von ihm vorgelegte Synthese nennt L. denn
auch bescheiden "a working hypothesis" (32). Aus der Beurteilung
der atl. Literaturwerke sei nur herausgegriffen, daß L. J in die Exilszeit
(etwa gleichzeitig mit der dtr. Literatur) datiert, E als eine redaktionelle
Bearbeitung von J bestimmt und P für identisch mit der Endredaktion
des Pcntateuch erklärt.

In dem Abschnitt über die vorstaatlichc Zeit stellt L. zunächst die
spätbronzezeitliche Gesellschaft Palästinas dar, aus der sich Israel
hcrausentwickelt haben soll. Besondere Beachtung erfahren die
habiru, die von "refugees" zu "outlaws" wurden und im gebirgigen
Norden und Zentrum des Landes Zuflucht fanden. Aus ihnen entstand
als Resultat einer internen Entwicklung, die dem sozialökonomischen
Niedergang der kanaanäischen Gesellschaft entsprach, die
seßhafte israelitische Bauernschaft, deren soziale Struktur (family.
lineage, clan, tribe, tribe leadership) anschließend entfaltet wird. Die
atl. Traditionen über die Frühzeit Israels erklärt L. als historisch nicht
auswertbar: Ein geschichtlicher Hintergrund für die Exodustradition
sei nicht auszumachen; die Wüstenüberlieferungen spiegelten keinesfalls
eine vorgängige nomadische Lebensweise der Israeliten wider; die
Landnahmetradition sei eine „Erfindung" der späteren Zeit, um den
Landbesitz Israels zu legitimieren oder um "the racial purity of the
people of Israel" (114) zu demonstrieren; die Patriarchcnüberliefe-
rung sei erst für die Mitte des 8. Jh. v. Chr. nachzuweisen. Hier wie
auch an anderen Stellen, an denen L. den Geschichtswert der atl. Traditionen
problematisiert, fällt auf, daß er oft ziemlich flächig argumentiert
, sich auf den Endzustand der Texte oder sogar auf die (allgemein
als spät beurteilte) atl. Chronologie bezieht und die übcrliefe-
rungsgeschichtlichc Rückfrage als zu subjektiv ablehnt.

Mit der Königszeit lenkt die Darstellung in vertrautere Bahnen ein.
Das, was sich L. für die vorstaatliche Periode versagt, die Hinterfra-
gung der atl. Quellen auf ihren geschichtlichen Kern, das übt er nun
selbst hinsichtlich der Königszeit und der nachexilischen Epoche trotz
der auch hier vorhandenen Problematik der Quellenlagc (vgl. etwa die
Bemerkungen 133, 143 u.a.). Die Entstehung des Königtums wird aul
den Druck der Philister zurückgeführt, die Herrschaft Sauls als Kompromiß
mit dem Stämmesystem beurteilt, die Aushöhlung der Stämmeordnung
durch die neue Institution erst unter Salomo angesetzt. Da
es keine wirkliche Alternative zum zentralistischen Staat gab, blieb
das Nordreich auch nach der Reichsteilung eine Monarchie. Die
häufigen Herrschaftswechsel in Nordisrael führt L. nicht auf ein Wiederaufleben
alter demokratischer Traditionen zurück, sondern (wohl
zutreffend) auf Umstürze seitens des Militärs. Wie die prophetische
Kritik zeigt, brach in dieser Epoche die "tribal solidarity" zusammen.