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Ausgabe:

1989

Spalte:

420-422

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Aurelius, Erik

Titel/Untertitel:

Der Fürbitter Israels 1989

Rezensent:

Osswald, Eva

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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gie geworden", denn diese Schrift „ist ein großangelegter theologischer
und missionarischer Versuch, eine alle Kulte und alle Mysterien
der (hellenistischen) Welt umfassende Erlösungslehre im Lichte
der neuen christlichen Botschaft zu deuten und in ihrer Hinordnung
auf Christus durchsichtig zu machen . .." Das ist in der Tat eine Einschätzung
des Naassenertextes, die zu erneuter Aufmerksamkeit für
Hippolyts Bericht (Refutatio V 6,3ff) herausfordert. Am Schluß seiner
großen Strukturanalyse der Naassenerschrift (Kap. 3), welche die
Hälfte des Buches einnimmt, unterstreicht Vf. nochmals die große
Bedeutung, die er dieser Schrift beimißt: Sie ist „nicht nur das geistvollste
" (in diesem Sinne schon H.-M. Schenke, Der Gott,Mensch' in
der Gnosis, Berlin 1962; die Tatsache ist erwähnt, der Titel fehlt in
der Bibliographie), „sondern vielleicht auch das theologisch bedeutsamste
Lehrstück, das die christliche Gnosis des zweiten Jahrhunderts
hervorgebracht hat" (170).

Zunächst wird „Die Naassenerfrage" behandelt und dabei Kritik an
Reitzensteins Methode geübt (Kap. 1). Dem folgen „Quellenkritische
Studien zur gnostischen Vorlage Hippolyts" (Kap. 2; hier u. a. Auseinandersetzung
mit K. Koschorkes Untersuchung „Hippolyts Ketzerbekämpfung
und Polemik gegen die Gnostiker", 1975, im Blick auf
das Anliegen Hippolyts). Was den Umfang und die Beschaffenheit der
Vorlagen Hippolyts und dessen Eingriffe in den Text betrifft, kommt
Vf. zu dem Schluß: H. hat die gnostische Vorlage in seinem Bericht
über die Naassener wörtlich und nahezu ungekürzt wiedergegeben,
ohne daß eine Exzerpist dazwischen geschaltet war. Die Abschreib-
arbeit besorgte ein Schreiber, dem H. die „meist polemisch gefärbten
Einleitungen, Übergänge und Abschlüsse diktierte" (27). Die Aufgabe
sei nun, den Text der gnostischen Vorlage wiederherzustellen und
darin enthaltene ältere Schichten aufzuspüren. Ihr widmet sich Vf. in
Kapitel 3 mit dem Spürsinn eines Detektivs.

Das Ergebnis dieser Strukturanalyse lautet: Dem Ganzen zugrunde
liegt ein älterer „Attiskommentar" (7,10-9,9; Überleitung vom
Rahmenthema des N in 7,9; das Apophasiszitat 9,5 geht auf N
zurück!), eine „allegorische Deutung des Attisliedes" (9,80, das auch
bereits als „Ergebnis einer theologischen Reflexion" zu verstehen ist
(46, 42). Dieser erste Kommentar hat-eine synkretistische Struktur. Er
wurde durch den Naassener (N) oder (wie er vom Vf. dann genannt
wird) Anthropos-Gnostiker (AG), der in einem .jüdisch-christlichen
Milieu anzusiedeln" ist (87), im Geiste eines „sublimierten Pantheismus
und kultischen Universalismus doktrinell umgestaltet" (75).
Diese „Erweiterung der doktrinellen Struktur" des alten Attiskom-
mentars ist der entscheidende Gesichtspunkt für das Verständnis der
Textbearbeitung. AG hat die heidnische Anthropologie und Soterio-
logie verchristlicht. Ob er den Naassenerpsalm („Gnosis-Psalm")
selbst gedichtet oder übernommen hat, läßt Vf. offen (163f)-

Die „Lehrschrift ,Über den Menschen'" (6,4-10,2) des Anthropos-
Gnostikers ist dann nochmals vom Pneuma-Gnostiker (PG) überarbeitet
worden (= 3. Kommentar), und zwar von einer exklusiven
gnostischen Pneuma-Theologie her. Seinen „anthropologisch-sote-
riologischen Dualismus" hat der PG dem Johannesevangelium entnommen
(129). Ihm geht es um „den neuen, aus Wasser und Geist
geborenen Menschen" (157). Es folgen Einzelheiten über die Unterschiede
im Menschenbild von AG und PG (besonders hinsichtlich des
Göttlichen im Menschen) und über die drei Menschenklassen und
Kirchen (heilstheologischer Dualismus, heilsökonomische Dreiteilung
). Ein besonderer Abschnitt ist noch der antikirchlichen Polemik
des Pneuma-Gnostikers als Reaktion auf kirchliche Angriffe gewidmet
. Schließlich wird die Frage erörtert, ob AG und PG Valentinianer
sind, was Vf. bejaht und im einzelnen begründet. Er setzt den Anthropos
-Gnostiker um die Mitte des 2. Jh. an ^vor 150) und charakterisiert
seine „gnostische Theologie als eine Vorform oder als eine Frühform
valentinianischer Gnosis" (163). Der Pneuma-Gnostiker steht Valen-
tinus „zeitlich und ideologisch" nahe, geht aber über diesen hinaus
und berührt sich vielfach mit Herakleon. Die „dualistische Überarbeitung
der Anthropos-Lehrschrift" ist daher zwischen 150 und 190
anzusetzen (168 f).

Kapitel 4 enthält auf 40 Seiten eine detaillierte „Schichtenscheidung
innerhalb der Anthropos-Lehrschrift". Dem folgt in Kapitel 5
ein Rekonstruktionsversuch dieses Textes in Griechisch mit anschließender
deutscher Übersetzung, also der (zweite) Kommentar des
AGs unter Abzug der Überarbeitung des PGs. Zwei Exkurse (Kap. 6
und 7) beschließen den Band: I: Der Essenerbericht in H.s Refutatio
(Buch IX) und die Wiedergabe der Gnostikcr-Berichte durch Hippolyt
; II: Zur Anthropologie des AGs.

Diese breit angelegten „Studien" zur Naassenerfrage erheben zwar,
wie ihr Autor im Vorwort schreibt, „nicht den Anspruch auf Endgültigkeit
", doch wird sich jeder, der sich künftig mit der Naassenerschrift
beschäftigt, eingehend mit ihnen auseinandersetzen müssen.

Berlii) Karl-Wolfgang Tröger

Betz, Otto: Elementare Symbole. Zur tieferen Wahrnehmung des
Lebens. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1987. 160 S. 8°. Kart.
DM 16,80.

In der theologischen Wahrnehmung des Phänomens Religion werden
neue Wege beschritten. Seine Anathematisierung seitens der
barthianischen Kirchendogmatik hat sich ebenso verbraucht wie das
Konzept funktionalistischer Ableitungen aus der Bedürfnisstruktur
von Gesellschaft. So greift man zunächst einmal zurück auf liegengebliebene
Theorieansätze der Vergangenheit. Unter anderem auf
den Symbolismus, wie er von C. G. Jung, E. Cassirer, P. Tillich,
R. Guardini etc. in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts entwickelt
worden ist. Zahlreiche Bücher sind in jüngster Vergangenheit
erschienen, die auf symbolistischen Einsichten weiterbaucn, um nach
vollbrachter Religionskritik die Eigensprache religiöser Weltgestaltung
darzulegen. Das geschieht zumeist in einer Wissenschaft popularisierenden
Weise, die breitenwirksam zugänglich sein will und deshalb
auf dem preisgünstigen Taschenbuchmarkt angeboten wird. Zu
ihnen zählt das anzuzeigende Buch von Otto Betz. Auf eigene Arbeiten
ähnlichen Inhalts rekurrierend, entfaltet es, nach einer theoretischen
Orientierung zu Beginn, der Reihe nach das Symbolsystem
unserer fünf Sinne (Gehör, Gesicht, Geschmack, Geruch, Gctast), die
vier Naturelemente (Erde, Wasser, Feuer, Luft), die Zahlen, von Eins
bis Unendlich, den Kosmos der Farben zwischen Licht und Dunkel
und schließlich die Knotenpunkte der christlichen Heilsgcschichte.
wie sie von der Sakralkunst dargestellt worden sind. Alles mit liebevoller
und sicherer Hand prägnant behandelt, oft kurz und überkur/.
weil der Leser seiner evozierten Tiefenresonanz übereignet wird. Auffällig
, wie die Stimmen der Dichter und Denker sich brechungsfrei
aneinanderreihen. Der Vf. spricht allenthalben auch die therapeur
tische Dimension der Symbolkultur an, macht sie aber in tagesheller
Sichtgestalt fest, um nicht in die nivellierende Archetypik des Traumlebens
abzugleiten. Trotz der allgemeinmenschlichen Transparenz
arbeitet denn auch der (katholische) Theologe durchgängig das unterscheidend
Christliche der Elementarsymbolik heraus. So kann dieses
prätentionslos sachliche Büchlein eine gute Hilfe sein für den, der sich
selbst einschlägig sensibilisieren möchte, und auch für den Pädagogen,
der anderen diese Lesekunst zu vermitteln hat.

Heidelberg Hermann Timm

Altes Testament

Aurclius, Erik: Der Kürbitter Israels. Eine Studie zum Mosebild im
Alten Testament. Stockholm: Almquist & Wikseil Int. 1988. VII,
224 S. 8' = Coniectanea Biblica. Old Testament Series, 27.
SEK 167.-.

Bei der vorliegenden Arbeit, zu der der Vf. durch Jer 15,1 angeregt
worden ist, handelt es sich um eine Lundcr Dissertation, deren Entstehung
von Tryggve N. D. Mettinger begleitet wurde. Durch sorgläl-