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Ausgabe:

1989

Spalte:

416-417

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Neuer, Werner

Titel/Untertitel:

Adolf Schlatter 1989

Rezensent:

Burkhardt, Helmut

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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ebenfalls auf Form- und Strukturprobleme zu begrenzen, was mir
wenig sinnvoll zu sein scheint. Im weiteren Verlauf des Artikels finden
M. L. Kaschnitz, [. Bachmann, N. Sachs, R. Ausländer und P. Celan
Berücksichtigung (zusammengefaßt als Gegenwartsliteratur nach
1945 mit theologischer Wirkungsgeschichte). Zum Abschluß wird
neue religiöse Lyrik besprochen, vertreten u. a. durch G. von Le Fort,
R. A. Schröder und R. Schneider, die „letztlich unerschüttert Verkündigung
des .Geheimnisses Gottes' betreiben"4. Die seither eingetretenen
Veränderungen werden durch Namen wie E. Zeller, D. Solle
und K. Marti belegt. Abschließend wird P. K. Kurz mit seinem (m. E.
anfechtbaren) Satz zitiert: „Rel. Bewußtsein, christl. Bewußtsein, zeigen
sich heute am stärksten im Gedicht". Vermutlich ist der Umfang
• des Artikels Lyrik Ergebnis einer verwandten Überzeugung. Aber:
Disproportionen gehören zum Wagnis einer Lexikon-Konzeption!

Im Rahmen unserer Zeitschrift wird man unbedingt Informationen
über die im engeren Sinne theologischen Artikel des WBC erwarten.
Zunächst seien einige wichtige Artikel genannt, die nach ihrem
Umfang den Durchschnitt weit übertreffen: Abendmahl/Eucharistie,
Bibel, Christologie, Eschatologie, Gott (10 S.!), Jesus Christus, Liturgie
, Rechtfertigung, Taufe. Näher eingehen wollen wir auf den Artikel
„Christologie" (214-219), dreigeteilt in: neutestamentlich, theologiegeschichtlich
, systematisch-theologisch. In dem NT-Teil wird die
bleibende Vorordnung der Theologie vor der Christologie betont; die
Anfänge der Christologie werden in der Geschichte Jesu selbst gesehen
. Weiter heißt es: „Christus hat viele Namen, und das Bekenntnis
zu ihm braucht viele und verschiedene Ausdrucksformen." Der theologiegeschichtliche
Teil fällt dadurch auf, daß die Reformation unter
„Mittelalter" eingestuft ist und auf die folgende Theologiegeschichte
faktisch verzichtet wird. Dieser Mangel kann auch innerhalb der
systematisch-theologischen Erörterungen durch den Abschnitt „Neuzeitliches
Erbe" nicht wirklich ausgeglichen werden. Die Gegcnwarts-
lage erscheint in der Hauptsache durch die Fragestellung „Christologie
von unten?" bestimmt. In diesem Zusammenhang wird auf die
Artikel „Jesus Christus", „Präexistenz" und „Trinität" verwiesen.
Diese Ergänzung ist, besonders hinsichtlich des erstgenannten Artikels
, unbedingt erforderlich. Ob die Zweiteilung „Jesus Christus" und
„Christologie" überhaupt sinnvoll ist, läßt sich bezweifeln. Vielleicht
hatte man Bedenken, die kunstgeschichtlichen bzw. literarischen
Schlußabschnitte des Artikels „Jesus Christus" unter „Christologie"
einzuordnen - was aber nicht der Fall zu sein braucht, wenn man
unter Christologie alles versteht, das direkt oder indirekt Wirkung
bzw. Konsequenz der Menschwerdung Jesu Christi ist und worüber
sich seine Gemeinde daher Rechenschaft zu geben hat. Man sieht: Das
WBC informiert nicht nur (einschließlich hilfreicher Literaturangaben
) über das moderne Christentum und seinen Kontext, sondern regt
auch zu grundsätzlichem, auch kritischem Weiterfragen an. Das gilt
natürlich nicht nur in bezug auf die Christologie, sondern ebenso z. B.
Tür ethische oder politisch-gesellschaftliche Zusammenhänge. Die
meisten in Frage kommenden Artikel beziehen sich ausschließlich auf
die Verhältnisse in der BRD (so auch bei der Theologenausbildung).
Über die DDR und den Bund der Ev. Kirchen in der DDR wird knapp
informiert. Artikel über EKU und VELKD berücksichtigen, wenn
überhaupt, nur im Text neuere Entwicklungen.

Ein Lexikon wie das WBC mit ca. 1 500 Artikeln auf 1439 Seiien
kann durch eine Rezension nur sehr begrenzt vorgestellt werden; es
erschließt sich im Grunde nur durch die Benutzung. Diese wird
erleichtert durch ein sorgfältig erarbeitetes Register im Umfang von
49 Seiten (die Artikel mit Fettdruck gekennzeichnet). Daraus noch
einige Beispiele (keine Artikel) für die Materialfülle: ABC-Waffen,
Bauhaus, Clausewitz, Dali, Frauenwahlrecht, Grillparzer, Heiler,
Moltmann-Wendel.

Wer Lexika bespricht, hat zumeist eine Wunschliste für Artikel, die
noch Aufnahme finden sollten. Ich will mich sehr beschränken und
nenne nur zwei, die man wohl nicht ausdrücklich begründen muß:
Barmer Theol. Erklärung; Leuenberger Konkordie (Zusatzwunsch:
Arnoldshainer Abendmahlsthesen).

Abschließend: Das Wörterbuch des Christentums hat eigenes Profil
als ein neues Nachschlagewerk, das seinen Platz finden und behaupten
wird. Sein Erscheinen als (Zwischen-)Bilanz der Lage kommt zur
rechten Zeit und will mit Recht (nach eigener Aussage) andere Fachlexika
nicht überflüssig machen. Allen Beteiligten (nicht zuletzt den
beiden Verlagen), die im Vorwort so sympathisch ihre Schwierigkeiten
bei der Entstehung des WBC nicht verschweigen, ist für das bisherige
Ergebnis zu danken und für den weiteren Weg Erfolg zu wünschen
.

Leipzig Ernst-Heinz Amberg

' Die folgenden Beispiele sind vom Rez. ausgewählt.

2 Dies gilt für die Herausgeber, Autoren, Berater ebenso wie für die beiden
Verlage.

1 Komponist u. Pädagoge, geb. 1908.

4 Ein Verweis auf die veränderte Einstellung des späten R. Schneider findet
sieh nur im Artikel ,,R. Schneider" (I 117f).

Neuer, Werner: Adolf Schlatter. Wuppertal: Brockhaus 1988. 187 S.
m. zahlr. Abb. kl. 8' = Brockhaus Taschenbuch, 1101. Bildbiographien
. Kart. DM 16,80.

Anläßlich des 50. Todestages A. Schlatters im vergangenen Jahr
legte der junge Tübinger Theologe W. Neuer mit dem hier anzuzeigenden
Buch die erste Biographie dieses vielseitigen Theologen vor,
dessen historische und exegetische Werke heute allgemeine Achtung
genießen, der aber zunehmend auch in seiner Bedeutung als Systematiker
und Philosoph entdeckt zu werden scheint (vgl. W. Neuer, Der
Zusammenhang von Dogmatik und Ethik bei A. Schlatter, 1986. dazu
die Rezension in ThLZ 113, 1988, 295-297; vgl. die vom gleichen
Autor 1987 als Beiheft der ZThK erstmals herausgegebene „Metaphysik
" Schlatters).

Das Schwergewicht der Darstellung liegt mit den ersten sechs Kapiteln
naturgemäß auf den ereignisreicheren Jahren des Werdens (das
von der Erweckungsbewegung geprägte Elternhaus, das eine auch in
der tiefen Glaubenskrisc der ersten Studiensemestcr sich bewährende
, an der Bibel orientierte, zugleich aber auch der Natur als
Schöpfung Gottes dankbar zugewandte persönliche Frömmigkeit vermittelte
; die die eigenen theologischen Grundlagen bleibend klärende
Begegnung mit dem großen Tübinger Biblizisten J. T. Beck; dann,
bereits im Keßwiler Pfarramt, die fruchtbare Beschäftigung mit dem
erweckten katholischen Philosophen F. v. Baader; schließlich die verschiedenen
Stadien der akademischen Laufbahn von der im Auftrag
pietistischer Kreise mühsam erkämpften Stiftungsdozentur in Bern
über Greifwald und Berlin bis zur Berufung nach Tübingen). Den
Tübinger Jahren (1898-1938) ist danaals dem Höhepunkt des Wirkens
Schlatters nur noch das letzte (aber zugleich längste) Kapitel
gewidmet.

Auffallend ist, wie Schlauer auf allen Stationen dieses Weges in
Kampfsituationen mit der damaligen liberalen Theologie hineingestellt
wurde und sich, ohne Rücksicht auf den ihm ganz fremden
Karriere-Gedanken, dieser Auseinandersetzung stellte. Überall aber,
und das ist wieder kennzeichnend für Schlatter, gelang das Erstaunliche
, daß trotz bleibender sachlicher Gegensätze sich die anfängliche
Gegnerschaft bald in menschliche und auch wissenschaftliche Achtung
, wenn nicht gar Freundschaft wandelte.

Das Geheimnis solcher Kommunikationsfähigkeit Schlatters dürfte
nicht zuletzt in dem realistischen Grundzug seiner Theologie zu sehen
sein, die er selbst gelegentlich als „empirisch" charakterisieren konnte
(138). Dieser Grundzug bewährte sich in der Exegese („Sehen, was da
steht!" 108) wie in der von der Annahme einer Offenbarung Gottes in
Schöpfung und Geschichte ausgehenden Dogmatik (137ff) und der
durch Biblizität wie auffallende Konkretheit ausgezeichneten Ethik
(1400-