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Ausgabe:

1989

Spalte:

413-416

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Wörterbuch des Christentums 1989

Rezensent:

Amberg, Ernst-Heinz

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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urtheil. da jetzt, nach der rccipirten Meinung, keine eigentliche Luthersche
Dogmatik darauf gehört werden kann u. es doch eine Luthersche Universität
seyn soll; diese zu hören, auch das Hauptstück der Studiosorum Theologiae ist
und bleibet" (zu Band IV Nr. 76a: IX, S. 2770-

In einem erstmals veröffentlichten Gutachten über das von dem Jenaer
Superintendenten Marczoll vorgeschlagene „Homiletische Institut" trägt H. im
Oktober 1803 seine Vorstellungen vom Auftrag der Theologischen Fakultät
v°r, „brauchbare Geistliche in Kirchen und Schulen, Bildner der Gemeine,
Sedsorgcr" zu bilden (VIII Nr. 404).

In seinem Votum an C. G. Voigt v. 10. 5. 1798 zu einem Berufungsvorschlag
der Jenaer Fakultät stellt er den „Kantischen Philosoph" Niethammer
zurück, da er „an seiner Brauchbarkeit zu Bildung eines verständlichen, populären
, praktischen Vortrags, wie es künftigen Lehrern der Religion nöthig ist",
zweifle (VII Nr. 404, S. 392). Im gleichen Schreiben äußert er sich mit Rücksicht
auf die theologische Ausbildung: „. . die jungen Leute lernen Manches,
nur gerade nicht was sie zu ihren Ämtern bedürfen" (ebd.). Über H.s Urteil zum
Einfluß der Kantischen Philosophie in der Theologie s. den Brief Karoline H.s:
VII Nr. 254, S. 2580".

H.s Hilfsbereitschaft kommt in den zahlreichen, für die soziale Situation
an den Universitäten bezeichnenden Empfehlungsschreiben zugunsten begabter
, aber mittelloser Studenten zum Ausdruck.

4,1 Das Thema „H. als Leser" wäre einer eigenen Untersuchung wert; die
Briefbände bieten reichhaltige Informationen. Über seine Lektüre der Luther-
Briefe schreibt er an J. G. Müller: „Kennen Sie eine Übersetzung von Luthers
bisher großen thcils ungedruckten Briefen (Schützesche Sammlung) Leipzig, bei
Wappler 1784, die mich in diesen Wochen sehr vergnügt hat... O wie der
Mann ausdauret und festhält, fest im Leben u. Tode, in sich frei, in Kummer
fröhlich und hoffend, hoffend! O Luther, Luther!" (VIII Nr. 141, S. 154).

Allgemeines, Festschriften

Wörterbuch des Christentums. Hg. von V. Drehsen, H. Häring, K.-J.
Kuschel, H. Siemers in Zusammenarb. mit M. Baumotte. Gütersloh
: Güthersloher Verlagshaus Gerd Mohn;Zürich: Benziger 1988.
1439 S.gr. 8*. geb. DM 245 -.

Wenn im deutschsprachigen Raum ein neues theologisches Lexikon
erscheint, dann muß es sich möglichst von bereits vorhandenen
unterscheiden, und zwar nicht nur im Titel. Das vorliegende „Wörterbuch
des Christentums" (= WBC) sieht es nicht als sein Ziel an, „den
Wissensstand von Fachlexika zu ergänzen oder zu überbieten. Leitbegriffe
der Konzeption des WBC sind dagegen: Konzentration, Integration
und Innovation" (8). Innovation meint nicht „modische
Aktualität" der berücksichtigten Sachverhalte; vielmehr sind diese
ausgewählt wegen ihrer „Kraft zur Selbstbehauptung und Zukunfts-
offenheit des Christlichen" (8).

Es geht also nicht um „Modisches", wohl aber um Modernes: „Das
WBC ist auf das moderne Christentum in seiner historischen, empirischen
und theologischen Vielfalt ausgerichtet" (7). Wieder wird auf
Unterschiede hingewiesen: das WBC „behandelt weder nur die gegenwärtigen
Erscheinungsformen des Christlichen noch auch nur - wie
traditionelle theologische Lexika - die klassischen Themen christ-
ücher Theologie" (7). Ob die Charakterisierung anderer Lexika
(genannt werden an anderer Stelle unter dem Oberbegriff „gängige
Lexika": Theol. Realenzyklopädie, Lexikon für Theologie und
Kirche, Religion in Geschichte und Gegenwart, Ev. Kirchenlexikon
[15]) ganz zutreffend ist, kann jetzt vielleicht unerörtert bleiben. Auf
jeden Fall wird man für das WBC anerkennen müssen, daß hier in
beträchtlichem Maße eingelöst ist, was in der Einführung als Aufgabenstellung
so beschrieben wird: Auskunft geben über „neue Religionsformen
und religiöse Bewegungen [z. B.1 Civil religion. Neue
Religionen, New Age, Rcligionspsychologie, Yoga], über neue theologische
Strömungen [Befreiungstheologie, Empirische Theologie,
feministische Theologie, Evangelikai, Politische Theologie] und
fragen einer bedrohten gemeinsamen Zukunft [Friedensforschung.
Ökologie, Umwelt, Zukunft] sowie... über die Weltreligionen
[Baha'i-Rcligion, Islam, Koran, Sikhismus, Weltreligionen] ebenso
wie über fundamentale anthropologische Gegebenheiten sozialer,
ethischer und philosophischer Art, sofern sie das Denken der Gegenwart
bestimmen" [Evolution, Existentialismus, Genetik, Gesellschaft
, Logotherapie, Sozial], Von dieser Zielstellung her ist es konsequent
, daß die Struktur des neuen Lexikons „interkonfessionell"2,
-interdisziplinär" und „intcrkulturcll" angelegt ist (80- Für die Aus-
Wahl der ca. 1 500 Stichwortartikel soll folgende Regel gelten: Es sind
-zentrale aktuelle, aber nur solche historische Sachverhalte erfaßt, die
eine erkennbare Wirkungsgeschichte für das heutige Christentum aufweisen
oder die für das Verständnis des heutigen historisch gewachsenen
Christentums unabdingbar sind" (7).

Zur Durchführung des lexikalischen Programms stehen im WBC
fünf Arten von Artikeln zur Verfügung: Sachartikel, Überblicksartikel
(z. B. Theologie und Philosophie), Personenartikel, Länderartikel
, Reihenartikel (z. B. „Jesus Christus"). Das ist gewiß benutzerfreundlich
, markiert wieder einen Unterschied zu anderen Lexika,
macht aber zugleich (wie andere genannte prinzipielle Festlegungen
auch) deutlich, daß wir es im Blick auf das WBC mit einem sehr weiten
Verständnis sowohl von „Wörterbuch" wie von „Christentum" zu
tun haben, denn das vorliegende Werk ist in vieler Hinsicht mehr als
ein Wörterbuch und informiert über mehr als das Christentum (letzteres
wird in der Einführung auch ausgesprochen). Die Bezeichnung
„Wörterbuch" wird allerdings an keiner Stelle erläutert, sondern nur
ganz selbstverständlich eingeführt („ ... soweit dies im Rahmen eines
Wörterbuches möglich und geboten ist. . .", 7). Wahrscheinlich ist
auch diese Wortwahl ein bewußtes Unterscheidungsmerkmal - wofür
man Verständnis haben kann.

In einem Wörterbuch sucht man üblicherweise keine Personenartikel
(abgesehen von Angaben der Schreibweise). Die inhaltliche Konzeption
des WBC erfordert aber Personenartikel. Sie geben m. E. zu
einigen Rückfragen Anlaß. Allgemein wird gesagt: „Personenartikel
sind in der Regel kurz gefaßt" (14). Das sieht aber dann z. B. so aus,
daß Karl Barth weniger Zeilen bekommt als Monteverdi und nur
etwas mehr als Machaut (franz. Komponist und Dichter des 14. Jh.).
Natürlich lassen sich Disproportionen in Lexika nie völlig vermeiden
; aber unser Beispiel ist leider kein Einzelfall. Der Barth-Artikel ist
darüber hinaus auch inhaltlich nicht ohne Probleme, z. B. hinsichtlich
folgender Aussage: „Nach Kontroversen mit dem Nationalsozialismus
, in denen Barth maßgeblich an der Barmer Theol. Erklärung von

1934 beteiligt war, aber auch mit der Bekennenden Kirche folgte B.

1935 einem Ruf nach Basel..." (125). Hier hat die Tendenz zur
Kürze wohl doch zur Verkürzung geführt.

Im Zusammenhang mit den Personenartikeln erfolgt noch eine
Festlegung: „Lebende Personen werden in der Regel nicht behandelt"
(14). Folgende Ausnahmen habe ich gefunden: F. Dürrenmatt,
I. Bergman, O. Messiaen, K. Penderecki. Welche Überlegungen im
einzelnen zur Entscheidung für diese vier Ausnahmen geführt haben,
vermag ein Außenstehender natürlich nicht zu erkennen. Man kann
nur konstatieren, daß besonders (Dicht-)Kunst und Musik für das
WBC eine herausragende Bedeutung haben, wobei die Aufnahme von
Messiaen'schon fachlexikalisches Niveau beanspruchen kann.

Aufmerksamkeit verdient auch der ausführliche Artikel „Lyrik"
(754-761), im Text festgelegt auf Lyrik des 20. Jh. Zunächst werden
drei Lyriker der ersten Jahrhunderthälfte behandelt: B. Brecht, R. M.
Rilke und G. Benn, wobei der Nachweis religiöser Motive im jeweiligen
Werk ebenso eine Rolle spielt wie die (unterschiedliche) kritische
Einstellung zum Christentum. Für das theologische Gespräch mit der
Lyrik dieses Zeitraumes wird empfohlen, es „sollte sich weniger auf
Inhalte der Aussagen als auf Fragen der Form und Struktur beziehen"
(757) - das würde aber m. E. bedeuten, Theologie für dieses Gespräch