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Ausgabe:

1989

Spalte:

387-388

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Leuenberger, Robert

Titel/Untertitel:

Zeit in der Zeit 1989

Rezensent:

Schulz, Hansjürgen

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Seite 1

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387

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 5

388

Im letzten Abschnitt (Versuche) werden erprobte Versuche vorgestellt
, die an dem Prozeß teilnehmen lassen, wie er sich aus der
Beziehung von Gottesdienst und Oikodome entfalten kann. Es geht
darum, „immer tiefer und intensiver in den Kreislauf von liturgischem
Gottesdienst und Gottesdienst im Alltag der Welt hineinzukommen
." (187) Diese Versuche werden zu einer Sehhilfe für den
Reichtum, mit dem Gemeinden allerorts begabt sind. Dem Leser, der
sich in dem Bericht einer Werkstatt zur kreativen Auseinandersetzung
eingeladen sieht, stellt sich eine Frage: Sind die postulierten drei
Dimensionen nicht zu ergänzen um jene „ordnende", die aus der
gottesdienstlichen Versammlung erwächst (IKor 14,40) und so
Bedeutung für Gemeindeaufbau gewinnt? Zu denken ist an die der
Oikodome inhärente Agape, die „ent-scheidend" am Bau der sich
durch den Gottes-Dienst verdankenden Beziehungen mitgestaltet und
auf ihre Weise regulierend wirkt. Das Buch, das mit einem einfühlsamen
Brief an einen Pfarrer „vor Ort" endet, regt einen Dialog an.
der in der Gemeinde, im Konvent und im Seminar gleichermaßen aufgenommen
werden sollte. Dies nicht allein aufgrund seines Inhaltsreichtums
, sondern wegen seines präzisen und zugleich zupackend-
lebendigen Stils.

Greifswald Friedrich Krause

Leuenberger, Robert: Zeit in der Zeit. Über das Gebet. Zürich: Theologischer
Verlag 1988. 300 S. 8". geb. sFr 32,-.

In zehn Kapiteln will der Vf. in einem „offenen Nachdenken",
nicht in einer Lehre oder Theologie des Gebets (12), Zugänge untersuchen
(I. Zugänge. 9-18). Die Einheit der vielen Aspekte des Gebets
- religiöse, psychologische, soziale, sprachliche, ästhetische - „liegt in
der Vielschichtigkeit des Lebens, so wie sie im Gebet zur Sprache
kommt" (15).

II. Gebet ist Religion (19-42). Religion, Glaube, Gebet verdanken
sich ältester menschheitlicher Traditionsweitergabe, Gewohnheit und
Erziehung. Simpelste, vergessene Fragmente von Gebetsworten
(„Hilfe!", „O du mein Gott!", „Gottseidank!") sind noch in unserer
säkularen Gegenwart „elementarste Regungen" in Konfliktzonen des
Lebens. Darum beten Kinder gern, darum gibt es die Klagemauer
Gebet überall.

III. Jesus (43-61). Mit dem „Unser Vater" und der Neuorientierung
des Gebets wird dies „die* dem Menschen gewährte Möglichkeit, sich
vor Gott in Freiheit auszusprechen" (49). Jesu eigener Weg ins Leiden
ist der Weg seines Mündigwerdens im vollen Sichanvertrauen an den
Vater.

IV. Gott (63-103). „Gott ,ist' eine Person nicht außerhalb, sondern
innerhalb der Beziehung zu ihm" (82). Die Beziehung zum Vater Jesu
„zielt auf Mündigkeit", nicht auf deren Verzicht (Regression). Glaubens
- und Gebetsunfähigkeit haben mit Phobien zu tun, die „zumeist
auf einem eingewurzelten Mangel an Vertrauensfähigkeit" beruhen
(87). Glaube und Gebet - „nie schon fertig da" (90) - sind Vertrauensakte
, „verrückt" vom nur wissenschaftlich-vernünftigen Standort.

V. In den Worten ist Macht (105-141). Magisches Gebetsverhalten
will Macht - auch über Gott. Christliches Gebet gibt Macht ab und
Ohnmacht zu, um vertrauensvoll konstruktiv zu bleiben-auch in den
Ängsten um den Weltfrieden und die Weltzukunft. „Zeithaben mit
Gott" (118) läßt auch die Ängste vor Krankheit und Tod nicht herrschen
(123-132). Das Gebet ist „Zeit des Wünschens" (132-141).

VI. Sprache (143-175). „Die Folge von Ruf und Antwort (Gen 1)
darf man als die konstitutive, als die innere Form, der biblischen Sprache
bezeichnen" (144). Das Wort gewährt Leben und Vertrauen, stellt
nicht nur Vorhandenes fest. Christliches Gebet ist Gespräch, Bitte
und Antwort, Bekenntnis und „das Ja des Glaubens" (146). Symbol-
und Körpersprache, Zungenreden, Schweigen - und die Beharrlichkeit
des Gebets „nach Auschwitz" gehören ebenso dazu wie Wahrhaftigkeit
und die Gefährdung durch Unaufrichtigkeit.

VII. Gebet als Meditation (177-222). Das Wort Meditation ist
heute „zu einem Signal der Umkehr geworden" (182). „Zeit haben inmitten
der zerrinnenden Zeit darf man als .meditativ' bezeichnen"
(181). Christliche Meditation hat zwischen den fast unzählig gewordenen
Angeboten aus Religion, Philosophie und Psychologie die Besonderheit
, den „Umweg" über die Bindung an die Bibel zu
nehmen.

VIII. Übergänge (223-254). Es gibt Sprache ohne Gebetsworte,
Beten „ohne Gott" und Verstummen. Meist ungesehene Zusammenhänge
zwischen Gebet und psychotherapeutischem Prozeß, zwischen
Gebet und schöpferischer Poesie (Paul Celan, 245-249) können Lernprozesse
für das Beten auslösen. „Jede Mutter, jeder Vater, die mit
ihren Kindern beten, sind Dichterinnen und Dichter" (254).

IX. Über den Lobgesängen Israels (255-277). „Israel und die Kirche
sind die Heimat des christlichen Gebets" (255). Gottesdienstliches
Beten, auch bei Kasualien, ist als „Wohltat des Selbstverständlichen
verstehbar (256-262, 272-277). Ökumenische und interreligiöse
Erfahrungen, politische und feministische Spiritualität haben dem
Gebet heute neue Weite und Dynamik gebracht. „Die Kirche ist mehr
als ein Produkt der Geschichte, sie ist der Raum eines Geschehens, das
vor zweitausend Jahren anfing und das noch nie aufgehört hat anzufangen
" (271).

X. Eucharistia (279-285). „Danksagen ist der Nerv des christlichen
Gottesdienstes . . ., ein Danken für ein Leben, das durch den Tod hindurch
gegangen ist" (2790- So wird das ganze Leben sichtbar. D'e
Bitte um das tägliche Brot - Mitte des Vaterunsers - macht zu Mahlgenossen
Jesu am Tisch in seinem Reich, das wie Brot und Wein
schon für alle Hungernden zubereitet ist.

Klarheit der Darstellung, Weite und Offenheit des Dialogs mit
modernem Denken und Konzentration auf das Wesentliche haben
mir bei der Lektüre viel Freude gemacht. Ein überzeugend gutes
Buch, das für interessierte Leser und Leserinnen ebenso wie für Theologen
und Theologinnen wichtige Anstöße vermittelt.

Wittenberg Hansjürgen Schulz

Janowski, Hans Norbert [Hg.]: Die kanalisierte Botschaft. Religion in
den Medien - Medienreligion. Gütersloh: Gütersloher Vcrlagshaus
Gerd Mohn 1987. 128 S. 8' = GTB Siebenstern, 556. Zeitzeichen,
2. Kart. DM 14,80.

Mehr als in der DDR werden in der BRD Kirchen, Weltreligionen.
Frömmigkeitspraktiken religiöser Gruppen und Bewegungen, Heiler.
Magier und Scharlatane Gegenstand der medialen Berichterstattung
und Interpretation. Zudem treten sie als Veranstalter von Funk- und
Fernsehprogrammen auf.

Um so berechtigter ist es, wenn neun Autoren - Theologen. Fern-
sehjournalisten, Sozial- und Kommunikationswissenschaftler - in
zehn Beiträgen kritisch über „die kanalisierte Botschaft" nachdenken^
Heiner Michel tut dies einleitend mit einem „Wort zum Wort zum
Sonntag", in dem das Pro zu dieser Sendereihe, bei allem Für und
Wider, was die Prediger und ihre Botschaft angeht, dominiert. Hildegunde
Wöller macht daraufaufmerksam, daß trotz weithin leerer Kirchen
das „religiöse Buch" zunehmend mehr Leser anzieht, und dies
trotz elektronischer Medien. Hans Norbert Janowski reflektiert über
die „Telepräsenz" des ..Mcdienpapstcs" Johannnes Paul II. nicht
ohne den Hinweis: „Geld und Glauben, Mission und Werbung sind in
diesem medialen Akt zu einem zweifelhaften .Sendungsbewußtsein
verschmolzen." (S. 29) Martin Grciffcnhagen bricht eine Lanze fur
das Wort, zumal sich Humanität auf Wortkultur gründe und überhaupt
das 2. Gebot im Zeitalter der Bilder nach wie vor in Geltung
bleibe. „Das Fernsehen ist der bisher schwerste Angriff auf die abendländische
Kultur des Wortes, der Rationalität, der geschichtlichen
Verantwortung." (S. 38) Demgegenüber behauptet Wolfgang Tel'
chert: ,,Es gibt nicht nur Bildmagie, sondern auch Wortfctischisnuis'
(S. 41). Sein Vorschlag lautet: „Man muß auch ,Bilder lesen lernen''
damit man nicht ihrer suggestiven Wirkung verfällt. . ." (S. 44). Hans-
Eckehardl Bahr macht in einem eigenwilligen Beitrag daraufaufmerksam
, daß inmitten von "bad news" Befreiungsgeschichten, Lebens-