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Ausgabe:

1989

Spalte:

379-380

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

"Der Herr ist wahrhaft auferstanden" 1989

Rezensent:

Marschner, Ralf

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379

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 5

380

viel gewonnen, wenn diese Lektüre durchgeführt worden wäre bei vorhergehender
Klärung der ideologischen Voraussetzungen der Episte-
mologie, von der aus er die ausgewählten Werke analysieren will.
Methodologisch rigoros, liegen die Grenzen dieser Diss. deshalb nicht
in deren Entwicklung, sondern in der erfolgten Wahl des Vorgehens.
Dies nicht, weil eine Wahl hier nicht legitim wäre, sondern weil man
sie als solche beweisen muß, statt nur zu postulieren, daß sie episte-
mologisch treffend ist. Dies vor allem, wenn ihm die genannte Option
beachtliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Verfahrensweise der
neutestamentlichen Christologie bereitet, die Jesu Praxis in unterschiedlicher
Weise neu liest, d. h. wenn er eine Kennzeichnung vornimmt
, die Rahner „regional" genannt hätte (in diesem Fall seinen
sozialen Funktionalismus), um ihn in die Bedeutsamkeit einzufügen,
die immer größer ist und nicht voraussehbar für die Analyse, die wir
Menschen von der menschlichen Geschichte machen, die Gott ihr
beilegt und die uns im Glaubensbekenntnis der Kirche gegeben ist.
Das Beste der Arbeit des Vf. kann man deshalb in dem Bemühen
sehen, die christologische Dogmatik neu zu lesen, wobei seine Schlüssel
gegeben sind in einigen der behandelten und in anderen, nicht behandelten
Autoren, die aber der Ansicht des Vf. dienen.

Sein Verdienst ist die Intention der Systematisierung, obgleich seine
Weltsicht durch die beigebrachten Gründe starr erscheint. Anders
wären die Resultate der abschließenden Schlußfolgerung gewesen,
wenn Vf. den Weg theologisch entwickelt hätte, der vorn Osterglauben
- der einen Teil des heilbringenden Ereignisses des Tuns Christi als
solchen bildet - zur Realität des historischen Jesus und seiner Praxis
führt, die allein dieser Glaube vollständig enthüllt. Ein Weg, der
sicher den umgekehrten Prozeß einschließt, wenn denn die theologische
Methode erfordert, die Sicht nicht zu zerstören, so daß der
Gedankenablauf normativ durch den Osterglauben als Instanz des
kirchlichen Glaubens selbst bestimmt ist. Von dieser Form wäre der
Gebrauch, den Vf. vom aktuellen kritischen Denken über Jesus und
seine Geschichte macht, bereichert worden, besonders bei den Aussagen
über die behandelten Christologien. Von dieser Form wäre auch
dem komplementären Charakter der neutestamentlichen Traditionen
mehr Gerechtigkeit widerfahren.

Es ist klar, daß der pastorale Wille, der die Arbeit beseelt, sehr verdienstvoll
ist, vor allem wenn man die verschiedenen Kontexte des
Konfliktes berücksichtigt, die dem Vf. stets gegenwärtig sind. Daraus
ergibt sich sein Vorsatz der Verifizierung (entscheidendes Moment
seines Projektes der Erforschung und Methode!) der ausgewählten
Christologien.

Salamanca Adolfe-Gonzalez-Montes

Broer, Ingo, u. Jürgen Werbick [Hg.]: „Der Herr ist wahrhaft auferstanden
" (Lk 24,34). Biblische und systematische Beiträge zur
Entstehung des Osterglaubens. Stuttgart: Kath. Bibelwerk 1988.
157 S. 8° = Stuttgarter Bibelstudien, 134. Kart. DM 31,80.

Seit R. Peschs Vorschlag, die Entstehung des „Osterglaubens" in
die Zeit vor Kreuzigung und Auferweckung zu verlagern
(s. A. Vögtle/R. Pesch, Wie kam es zum Osterglauben? Düsseldorf
1975), ist es im Bereich der katholischen Exegese zu einer ausgiebigen
Diskussion zu den Fragen der Auferweckung Jesu Christi gekommen.
Davon wird die gesamte Thematik von der „Historizität" der Oster-
erscheinungen, des leeren Grabes bis zur Bedeutsamkeit der Auferweckung
für die Christologie berührt. Dieser Problematik stellen
sich die fünf Aufsätze des von I. Broer und J. Werbick herausgegebenen
Bandes, die auf ein Siegener Kolloquium zurückgehen. Die Tatsache
, daß sich zu diesem Zweck Systematiker und Exegeten zusammengefunden
haben, dürfte einen nicht zu unterschätzenden Wert
darstellen.

Ausgehend von den bei den Jüngern vorauszusetzenden Hcils-
erwartungen bestreitet P. Fiedler im ersten Beitrag (Vorösterliche

Vorgaben für den Osterglauben) die Widerlegung der Gottesreich-
Botschaft Jesu durch den Tod am Kreuz. Das sei historisch nicht
verifizierbar (24). Für die Ostererfahrungen bedeute dies, daß diese an
den irdischen Jesus anknüpften und in ihrer interpretativen Funktion
natürlich verschiedene Deutungsmöglichkeiten offen ließen.

Welche Bedeutung die Ostergeschehnisse angesichts der historischen
Kritik haben könnten, versucht I. Broer in seinem Beitrag
(„Seid stets bereit jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der
Hoffnung fragt, die euch erfüllt" IPetr 3,15) zu zeigen. Die Untersuchung
der Grabestradition (bes. Mk 16) führt ihn zu dem Ergebnis,
daß man kaum auf einen historischen Kern schließen könne (45),
während die Erscheinungen des Auferstandenen als „Erschließungserfahrung
" zu beurteilen seien (47). Der Vergleich allerdings mit Erscheinungen
anderer Verstorbener (wie sie auch durch die Parapsy-
chologie erforscht werden) belege, daß wir „mit den Mitteln der Vernunft
und der historischen Kritik ... keine Möglichkeit (haben), hier
zwischen gottgewirkten Erscheinungen und solchen, die nicht von
Gott gewirkt sind" zu unterscheiden (56). Das heißt, „die historische
Rekonstruktion kann die Oster-Erscheinungen also nicht als unbe-
zweifelbare Grundlage des Osterglaubens sicherstellen" (58), diese
seien vielmehr als „Ausdruck für tiefgreifende Glaubenserfahrungen
in einer „bestimmten kulturellen Situation" (61) anzusehen.

Den Erscheinungsberichten ist auch der Beitrag von H. Verweye"
(Die Sache mit den Ostererscheinungen) gewidmet. Ihm ist aber die
aktuelle Bedeutung wichtiger als die historische Dimension. Er
kommt dabei zu einem überraschend negativen Ergebnis: Wenn Gottes
letztgültige Selbstoffenbarung erst nach dem Tode Jesu erfolgte, sei
Auferweckung nicht mehr als letzte Sinnerfahrung verstehhur, würde
der Glaube an die Inkarnation unterhöhlt, gäbe es Jünger erster und
zweiter Hand (70-74). „Nur im Mich-Einlassen auf die Kette der
Jesu todentmachtenden Tod in ihrem eigenen Hingang transparent
machenden Zeugen werde ich gleichzeitig' mit dem entscheidenden
Grund des Osterglaubens". (74) Hinter diesen diffusen Formulierungen
verbirgt sich die Tendenz zur Relativierung der fundamentalen
Bedeutsamkeit der Osterereignisse zugunsten einer Aufwertung der
fundamentaltheologischen Funktion des irdischen Jesus.

Der längste Aufsatz ist eine Untersuchung, die der Frage nachgeht,
welche neuzeitliche Möglichkeit es gibt, von einem Handeln Gottes
zu reden. Eine Klärung dieser Frage ist ja die logische Voraussetzung,
wenn die „Auferweckung" als ein „Handeln Gottes" beschrieben werden
soll. Folgerichtig setzt J. Werbick in seinen Ausführungen (D'e
Auferweckung Jesu: Gottes „eschatologische Tat"?) mit einem Uberblick
ein, der bei Kant beginnt und bis Pannenberg reicht. W.s eigene
Gedanken zielen auf die Entdeckung einer „christlichen Gottesintuition
". Er versteht darunter „die Zustimmung zu und das Sich-Ver-
lassen auf das Drama der Solidarisierung Gottes mit den Mensche^
das Gewahrwerden eines göttlichen Handelns zum Heil der Menschen
und das Sich-Einbeziehen-Lassen in diesen Handlungszusammenhang
" (121). Das historisch Erkennbare am Handeln Gottes sei a's0
stets mit seiner Entdeckungsgeschichte verbunden. Daher sei Gottes
Handeln in der Auferweckung Jesu sowohl als Bestätigung wie auch
als Offenbarwerden zu verstehen (124), „da angesichts des Todes nur
Gott selbst noch handeln kann" (131).

Den Abschluß bildet ein Artikel eines protestantischen Theologen-
G. Wem, selbst Schüler Pannenbergs, stellt die Theologie der Auf'
erweckung bei W. Pannenberg vor (Ostern als Urdatum des Christentums
). Diese Position (zuletzt dargestellt in: W. Pannenberg, Grundzüge
der Christologie. Gütersloh 51976) ist gekennzeichnet durch den
Terminus „eschatologische Antizipation". Wenz' pneumatologische
Interpretation wird hier leider nur angedeutet.

Die unterschiedliche Qualität wie auch der unterschiedliche Ansatz
der abgedruckten Beiträge verdeutlichen erneut den fragmentarischen
Charakter unseres Bemühens um die Ostergeschehnisse. Eine grundsätzliche
Neuorientierung durch die versuchte Relativierung der Auf'
erstehungszeugnissejst nicht erreicht worden.

Leipzig Ralf Marschner