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Ausgabe:

1989

Spalte:

369-371

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Autor/Hrsg.:

Dussel, Enrique

Titel/Untertitel:

Die Geschichte der Kirche in Lateinamerika 1989

Rezensent:

Wendelborn, Gert

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Theologische Literaturzeitung 1 14. Jahrgang 1989 Nr. 5

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mu7A Deutschen christen zur Entwicklung des Antijudais- den vielen anderen zur Kirchengeschichte wie zu den neuesten Prosich
. emitismus im Dr'tten Reich nicht in diesem Band berück- zessen in der katholischen Kirche in Lateinamerika verfaßten Arbei-
r- !8'" . lcn- besonders dem grundlegenden Werk Hans-Jürgen Priens', wobei
nednch Wilhelm Graf hat in seiner Analyse über die Periodika neben Unterschieden fundamentale Gemeinsamkeiten sichtbar wer-
r°testantenblatt" und „Christliche Welt" gezeigt, wie die Situation den. Die Lektüre ist um so spannender, als sich hier der führende
,J.uden'n Deutsehland von der Position des Liberalismus im Lande lateinamerikanische Kirchenhistoriker im Umkreis der Befreiungs-
angig war yje hoffnungslos die Situation war, zeigt, daß es zu theologie, Leiter des weitgespannten Unternehmens der „Allgemei-
ang der NS-Herrschaft auch in liberalen Kreisen antijudaistische, nen Geschichte der Kirche in Lateinamerika" (HGIAL), zu Wort
enfeindlichc Einstellungen gab, die unter dem Begriff „nordischer meldet.

^eralismus" zu fassen sind. Der I. Teil des Werkes ist bezeichnenderweise eine „Hermeneuti-

dasR^Cn se'lc'n',aren Inkonsequenzen der NS-Judcnpolitik gehörte sehe Einleitung", in der Vf. uns prinzipielle theologische Leitlinien

abe CSte ■'ui'cnrn'ss'on bis zum Jahre 1941. Dies erklärt sich seines Kirchengeschichtsverständnisses vermittelt. Hier charakteri-

ten"^ dadun"h- daß d'e NS-Behörden in den Judenmissionsgesellschaf- siert er das Nein zum andern in seiner Andersartigkeit in geistiger wie

I , "ein geeignetes Instrument zur Kontrolle und Disziplinierung der materieller Hinsicht als Ursünde mit politischen Implikaten, da das

das nc!!nst''cnen Klientel" sahen. Im gleichen Jahr 1941 wurde auch zur Totalität tendierende Fixiertsein auf ein System als Selbstvergött-

wan ^TO ^riiber" geschlossen, das bis Sommer 1939 bei 1130 Aus- lichung stets die Schöpferwürde des andern verletzte, zumal wenn es

hau CrUneen unc* b's Anfang Oktober 1940 nochmals in 580 Fällen noch, wie in der „abendländischen" Kirche, sakralisiert werde. So

te behilflich sein können. Der Stellvertreter des Büroleiters, Pfarrer dürfe auch die Erlösung nicht spiritualisierend und privatisierend

ljs^er Sylten. wurde verhaftet. Der Autor des Artikels „Evange- mißverstanden werden, da sonst aus dem Glauben eine theologische

rieht6 Ju^enm'ss'on 'm Dritten Reich" Jochen-Christoph Kaiserbe- Ideologie werde. Seine Geschichtsbezogenheit begründet er mit der

Kurt6' Sylten Dachau 1942 ermordet wurde (S. 206), wogegen Feststellung, der Glaube erfülle sich nur in der realen, weltlichen und

Harth .°Wa^ mcint- daß Sylten in der Vernichtungsanstalt Schloß geschichtlichen Ordnung, die an der ganzen Komplexität des mensch -

jj* eim ums Leben kam(S. 90). liehen Lebens teilhat. In befreiender Praxis gelte es, Gottes Zeichen in

'933^ Ausland konr,te das Weiterbestehen der jüdischen Presse der Geschichte zu entdecken. An späterer Stelle konkretisiert Vf., ein

~I938 als ein Zeichen der Bewegungsfreiheit gelten. Eine freie eindeutiges Zeichen sei nur die subversive Prophetie zwischen mecha-

tuigsaußerung der Juden ermöglichte sie nach Herbert Frceden nischer Gewaltfreiheit und Gewaltvergötzung, die in gründlicher

Zensun'cnt- Obwohl das Rcichspropagandaministerium auf eine Vor- Umkehrung der bisherigen Machtverhältnisse Unterdrückte wie

*eitar Verz'cntete, gab es eine Nachzensur, die für die Redaktion Unterdrücker vermenschliche und so aus Sklaven und Herren Brüder

In Sge'a'1ri'icher war. • einerneuen historischen Menschheit mache.

t>eh- S?nCm Artikel „Nordisches Luthertum und Antisemitismus" Naturgemäß unterscheidet auch Vf. drei Hauptphasen der Kirchen-

HarkN Jcns"HolScr Setverring die Situation der Juden in Däne- geschichte Lateinamerikas: 1492-1808, 1808-1962 und die 1962

tigt orwe8cn und Schweden. Finnland ist leider nicht berücksich- einsetzende Periode, so daß die Errichtung der staatlichen Unab-

„imW?rdcn' Tr°tz der „ermutigenden Gegenbeispiele" und sogar des hängigkeit durch die einzelnen Republiken und das Aufkommen

norw r'8en ruhmvol|en Wirkens einer lutherischen Volkskirche" im revolutionärer Strömungen in der jüngsten Vergangenheit die beiden

Kir he8'Schen Kirchenkampf empfiehlt der Autor den nordischen großen Zäsuren bilden. Innerhalb dieser drei Phasen unterscheidet er

en, in einen „Lernprozcss" einzutreten. Wenn dieser Prozess in zehn Etappen: I. Die ersten Schritte (1492-1519), 2. Die Mission in
Von PI-» ■

wird crjerhard Bethge angedeutete Richtungsich entwickeln wird, Neuspanien und Peru (1519-1551), 3. Organisation und Absichere
u '•Judenlrage" als „Christusfrage" das Zentrum der lutheri- rung der Kirche (1551-1620), 4. Die Konflikte zwischen der missio-
Ins attre""en- narischen Kirche und der hispanischen Zivilisation (1620-1700),
mUsf*esamt mhrt dieser zeitgeschichtliche Beitrag die Antisemitis- 5. Der Abstieg der Bourbonen (1700-1808), 6. Die Krise der Unab-
aUfv°Rchun8 in eine neue Phase, insofern er neue Fragestellungen hängigkeitskriege (1808-1825), 7. Die Verschärfung der Krise
ermö^'edcnen Bereichen der Geschichte der Judenverfolgungen (1825-1850). 8. Der Bruch (1850-1930), 9. Das Projekt der Neuen
sein d " l' °aS Buch wird nicht nur rür diejenigen unentbehrlich Christenheit (1930-1962) und 10. Der Neubeginn (ab 1962).
Über HouÜ" Über dic s,ellung der protestantischen Kirchen gegen- Auch Vf. geht mit der kolonialen Phase der Kirchengeschichte
besit? oloeaust fragen, sondern auch für diejenigen, die den Mut Lateinamerikas hart ins Gericht und deckt ihr Fchlverhaltcn und ihre
•fadent" konfess'°nellc Erbe des Protestantismus in Bezug zum Defizite schonungslos auf, doch er bleibt dabei relativ zurückhalten-
Um kritisch überprüfen zu wollen. der als etwa Prien, weil er als katholischer Theologe zu Gestaltung
Naantaij von Kirche und Mission im einzelnen andere Ansichten als der evan-

Reijo E. Heinonen gelische Theologe Prien vertritt. Mit diesem aberhebt er die geistliche
Alternative schon im 16. Jh. kräftig hervor und bemüht sich um den
Nachweis, daß es sich dabei nicht um bloße Einzelfälle handelte.

TerritOrialkirchengeSChiChte obgleich er oft ihr Scheitern feststellen muß. Las Casas wird hier

ebenso gewürdigt wie Montesinos, Valdivieso und andere mittel-

Dussel. Enri„ amerikanische Bischöfe, der aus Salamanca stammende Theologe

Juan del Valle, sein Nachfolger de la Coruna und Pablo de Torres.

dem s nquc: Die Geschichte der Kirche in Lateinamerika. Aus
Mainz f" .uberarb fur die deutsche Ausgabe von H. Goldstein.

rnz- Orünewa ÖL ,,Tc u? LI T h bT Ausführlich werden frühe Provinzialsynoden als zeitbedingter Ver-

Kan- DM 48 !. d '988' 435 S- m' Zah'r Abb' U' TabC • such der Vertiefung des geistigen Lebens in ihren Diözesen und als

gs . Versuch der Abwehr von Gefahren und Mißständen analysiert. Der

des l?34Sehrzu begrüßen, daß die Kirchengeschichte Lateinamerikas These, die Laien seien von der Gestaltung kirchlicher Praxis lange

nischen U Argcntinien geborenen Dussel der jetzt an einer mexika- ausgeschlossen geblieben, wird unter Hinweis auf blühende Bruder-

"iegt vr vcrsita' 'ehrt, nunmehr auch in deutscher Fassung vor- schaffen und Dritte Orden widersprochen. Uberhaupt wird das Irühe

faßt hat, "lc hier Ausarbeitungen zusammen, die er seit I964abge- Evangelisierungswcrk differenzierend bewertet. In Pnnzipienfragen

herück siC,Und crSanzte sie, da sie als solche nur noch die 60er Jahre wurde zwar die Methode der Tabula rasa angewandt, im Bereich der

Anhang Cn konnten, um einen kurzen bis 1984 reichenden Volksfrömmigkeit aber habe man sich weitherzig verhalten, was Vf.,

verdeuti'j ^0(Jurth er auch die Entwicklung seines eigenen Denkens aufs Ganze gesehen, positiv bewertet, wenn auch die Folge auf der

Cnt- Sehr aufschlußreich ist der Vergleich dieses Werkes mit Ebene der „Vermittlungen" durch die Schaffung zahlreicher „Parali-