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Ausgabe:

1989

Spalte:

315-316

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

O'Meara, Thomas F.

Titel/Untertitel:

Theology of ministry 1989

Rezensent:

Gassmann, Günther

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Seite 1

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315

Theologische Literaturzeitung 1 14. Jahrgang 1989 Nr. 4

316

Ökumenik: Catholica

O'Meara, Thomas Franklin: Theology of Ministry. New York-
Ramsey: Paulist Press 1983. VI, 211 S.gr. 8". Kart. $ 11.95.

Wer die unaufhörlich anschwellende Literatur zum Thema der
Dienste und Ämter in der Kirche auch nur in Auswahl verfolgt, wird
nur zögernd zu einer neuen Publikation aus diesem Themenbereich
greifen. Ist nicht bereits alles gesagt worden? Doch schon ein erster
Blick in dieses Buch des Professors an der Notre Dame-Universität
und Präsidenten der "Catholic Theological Society of America" reizt
zum Weiterlesen. O'Mearas Stil ist lebendig und gespickt mit originellen
, geistreichen Formulierungen. Er verknüpft, das zeichnet dieses
Buch in besonderer Weise aus, biblische und historische Forschungsergebnisse
mit systematischen und pastoral-theologischen Überlegungen
, die wiederum in Beziehung gesetzt werden zur allgemeinen Kulturgeschichte
und zu soziologischen und historischen Entwicklungen
in der Christenheit. So werden die Ausführungen über die Dienste und
Ämter in der Kirche eingeordnet in die sich ständig wandenlnde und
komplexe Realität der Geschichte der Welt, in der und für die die Kirche
lebt und in die hinein sie gesandt ist als Zeichen und Sakrament
der neuen Welt Gottes.

Der Titel des Buches signalisiert bereits die Intention dieser Arbeit.
Der englische Begriff "ministry" hat im kirchlich-theologischen
Sprachgebrauch den Vorzug, daß er weit genug ist, um beides, den
„Dienst" der vielfältigen von Nicht-Ordinierten wie von Ordinierten
wahrgenommenen Dienste und Ämter und damit deren Zusammen-.
gehörigkeit zu bezeichnen. Das erste Kapitel - Ministry between
Culture and Charism - geht von der gegenwärtigen Ausweitung und
Diversifikation der Dienste/Ämter in der Kirche des 20. Jh. aus und
endet mit der Forderung nach einer neuen „Fundamentaltheologie
der Dienste/Ämter". Diese wird im zweiten Kapitel - The Kingdom
of God and its Ministry - in der Perspektive des Reiches Gottes und
der Kirche entwickelt: „Zielsetzung der Dienste/Ämter, wie auch der
Kirche, ist Dienst am Reich Gottes" (30). Oder in der Terminologie
eines weitgefaßten Verständnisses des Sakramentalen („Das Sakramentale
ist das Wechselspiel und die Verbindung von menschlichen
und göttlichen Horizonten", 330: Kirche und Dienste/Ämter sind
ein Sakrament des Reiches Gottes. Das dritte Kapitel - Beyond Religion
: Spirit, Freedom, Charism and Ministry - entfaltet wesentliche
neutestamentliche Einsichten in der Auseinandersetzung von christlichem
Glauben und allgemeiner Religiosität. Dabei wird die Verwurzelung
aller Dienste/Ämter in Taufe und Charisma entfaltet: „Der
Geist führt zum 'ministry'" (65). Die bekannte Debatte über Charisma
und Amt wird vom Vf. kritisch referiert, wobei er selbst die
beiden Pole miteinander verbindet: „Struktur ist die Brücke vom göttlichen
Charisma zum realen Dienst" (68). Das vierte Kapitel - Primal
Ministry - führt die neutestamentlichen Erwägungen im Sinne der
Herausstellung von grundlegenden Eigenschaften und Funktionen der
Dienste/Ämter weiter. "Ministry" ist kein sakrales Amt, sondern
Dienst am Reich Gottes, es ist Aktion, es ist universal (für alle und
gemeinsam) und vielgestaltig. Das faszinierend zu lesende fünfte Kapitel
-The Metamorphoses of Ministry - beschreibt die Entwicklungen
und Wandlungen im Verständnis und in den Formen der Ämter in der
Geschichte der Kirche vom 2. bis zum 19. Jh.: von der Vielzahl der
Dienste hin zur episkopalen Struktur und zum sazerdotalen Verständnis
in den ersten Jahrhunderten bis hin zur „Romantisierung" der
Ämter im 19. Jh. mit einer extrem ausgebildeten episkopalen Ekkle-
siologie.

Das sechste Kapitel - Ministry and Ministers-geht zu einer theologisch
-praktischen Applikation über. "Ministry" besteht darin, 1) im
Namen einer christlichen Gemeinschaft, 2) in der Öffentlichkeit, 3)
für das Herbeikommen des Reiches Gottes, 4) etwas zu tun, und zwar
5) als eine im Glauben und in der Taufe und Ordination empfangene
Gabe, die 6) im Rahmen einer Vielfalt von Diensten/Ämtern ausgeübt
wird.

In diesem Zusammenhang wird ein interessantes Plädoyer zugunsten
einer Überwindung des Laien-Ordinierte-Gegensatzes in der Entfaltung
einer von Diensten/Ämtern strukturierten Gemeinschaft
vorgetragen. Eine ähnliche Ausweitung findet sich auch im abschließenden
siebten Kapitel - Sources of Ministry -, in dem es vor allem
um das Verständnis der Ordination geht: „Ordination ist ein Sakrament
, nicht im Sinne einer Hervorbringung von Gnade ex nihilo, sondern
als ein Gebet um Gnade, als eine gemeinschaftliche Feier verheißener
und empfangener Gnade" (190). O'Meara tritt für eine Ausweitung
der Ordination und Beauftragung ein, denn: nicht Ordination
führt zum Dienst, sondern die Realität vielfältiger und auch neuer
Formen des Dienstes fordert eine Überprüfung überkommener Formen
der Ordination.

Die ausführlichen Anmerkungen zu jedem Kapitel legen Zeugnis
ab von einer profunden Kenntnis der römisch-katholischen wie protestantischen
Literatur in englischer, deutscher, französischer und spanischer
Sprache. O'Meara weiß sich der römisch-katholischen Tradition
und Lehre verpflichtet, geht aber mit ihr kritisch und frei um. An
einigen Stellen verweist er auf das reformatorische und freikirchliche
Amtsverständnis und sieht in ihm u. a. die Gefahr einer säkularisierenden
und bourgeoisen Reduktion. Die sehr intensive ökumenische
Amtsdiskussion wird nicht einbezogen. Es ist aber keine Frage, daß
dieser Beitrag mit seiner so bemerkenswert weiten und offenen Sicht
des Verständnisses und der Praxis der Dienste/Ämter die ökumenische
Diskussion bereichern und erleichtern könnte. Es wäre zu
wünschen, daß dieses die Amtsdiskussion schöpferisch weiterführende
Buch in einer deutschen Übersetzung erscheinen könnte.

Genf GüntherGaßmann

Brunsman, Barry: .. . das darf der Mensch nicht trennen? Neue Hoffnung
für geschiedene Katholiken. Aus dem Amerik. von R. Bcnn-
Zürich-Einsiedeln-Köln: Benziger 1986. 223 S. 8 Kart. DM

28,-.

Das Buch, dem eine amerikanische Dissertation von 1984 zugrunde
liegt, verfolgt den Zweck, „die Tatsache deutlich zu machen, daß d'e
Ausgrenzung Geschiedener oder Wiederverheirateter aus der vollen
Gemeinschaft mit Gott und dem kirchlichen Leben nur aus der falschen
Auslegung religiöser Begriffe entstanden ist, bzw. aus der Tendenz
, Härte walten zu lassen, um Exempel zu statuieren" (S.
Ausgehend von populären Mißverständnissen über Scheidung und
Wiederheirat im katholischen Kirchenrecht (1. Kap.), im Rückgrn
auf die tatsächliche Lehre der Schrift (2. Kap.) und in kritische-1"
Durchsicht der immer gesetzlicher werdenden kirchlichen Traditio11
(3. Kap.) begründet B. eine Position (4. Kap.), die auf das informierte
Gewissen der Betroffenen setzt (5. Kap.) und eine lebensnahe Pastoral
der Kirche (6. Kap.) ermöglicht.

Im Konflikt zwischen der offiziellen Kirchenlehre von der Unauf'
löslichkeit der Ehe und der pastoralen Situation der Geschiedenen
und Wiederverheirateten plädiert B. für eine Lösung, die
gewöhnlichen Katholiken ... als Teil . . . auch . . . der lehrenden Kir'
che" stärken und die Erfahrung von Scheitern und Neuanfang a's
theologischen Ort ernst nehmen möchte (S. 186). Der Versuch, dem
Problem mit einer Verfeinerung des Gesetzes, etwa der Vermehrung
der Ehenichtigkeitsgründe, zu begegnen, wird von B. mit Rech'
zurückgewiesen: er wäre „ein Schritt nach vorn, aber leider ein jufl"
stischer" (S. 106): Statt dessen gelte es, die Kirchengesetzc cntschloS'
sen an der Theologie und an der Praxis Jesu zu orientieren; die Pef1'
kope von der Begegnung Jesu mit der mehrfach verheirateten Samar''
terin am Brunnen (Joh 4) verdiene es. gleichrangig neben den flW
neutestamentlichen Hauptstellen zum Thema zu stehen (S. 630-

Das absolute Verbot einer Wiederverheiratung und der Ausschluß
von den Sakramenten läßt sich für B. weder aus der Bibel noch aus der
Rechtstradition der katholischen Kirche begründen. Er gruppiert d<e
Argumente für eine Duldung der Zweitehe zu vier Theorien, aufgrund
deren „ein Mensch über seine frühere Ehe selbst entscheiden und d«c