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Ausgabe:

1989

Spalte:

312-313

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Lindner, Herbert

Titel/Untertitel:

Glauben mit Kindern erleben 1989

Rezensent:

Schwerin, Eckart

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 4

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Gestalt aber fallt mir auf: Ständig fallt der Prediger seinem Text ins
Wort, mal mit Zeitungsausschnitten über die Judenvernichtung im
Dritten Reich (310, dann wieder mit einem Linolschnitt, dann wieder
mit einer gebastelten Geschichte aus der Zeit der Urgemeinde (400,
dann wieder mit einer erfundenen Geschichte vom Markt in Philippi
(1780 usw. Unversehens wurde mir, sicherlich gegen den Willen des
Predigers, auf diese Weise der Predigttext mehr verstellt als erhellt. Bei
diesem gestaltenden Vorgehen lautet wohl die unausgesprochene
Devise: Der biblische Text selbst bringt's noch nicht; ihm muß erst
aufgeholfen werden; er muß zurechtgestutzt und frisiert werden. Was
Dietrich Bonhoeffer in der Finkenwalder Homiletik die „Eigenbewegung
" des Wortes nennt, die sich beim Hörer ihre eigenen Situationen
schafft, kommt nicht zur Geltung, wenn aus Gcstalthomiletik durch
„Transformation" eine Homiletik für Gestalter bzw. „Predigtdesigner
" wird. Ist der Begriff „Gestalt" vielleicht doch nicht geeignet, um
das zu leisten, was Meyer zu Uptrup im Grunde will: einerseits dem
Macher in mir Widerstand zu bieten, damit der Text von sich her zu
sprechen beginnt; andererseits gerade um des Hörers willen dem Text
sein eigenes Wort zu lassen, damit auf diese Weise Situationen in der
Gemeinde und im Hörer geschaffen werden, die der Prediger sich
nicht einmal zu erträumen wagt?

Heidelberg Christian Möller

DürsL Fritz: Dein Gott ist mein Gott. Predigten über das Buch Ruth.
Zürich: Theologischer Verlag 1988. 109 S. 8". Kart. DM 22,-.

Diese dem Text des Buches Ruth folgenden zehn Predigten wurden
zwischen Februar und Oktober 1987 im Berner Münster gehalten. Ein
knappes Vorwort nennt die Hilfsmittel (meist Kommentare), denen
der Vf. sich verpflichtet weiß, und dazu das Thema, unter dem er das
Buch Ruth sieht und die Predigten stehen sollen: „Israel, das Volk der
Erwählung, denkt nach über die Welt, über die ,Gojim die Völker,
welche vorerst außerhalb der Erwählung stehen. Israel denkt nach
über uns, die .Heiden'" (9).

Zehn Textabschnitten (1,1-5; 1,6-14; 1,15-22; 2,1-16; 2,17-23;
3.1-5; 3,6-18; 4,1 -10; 4,11-12; 4,13-22) werden thematische Überschriften
gegeben (etwa: Kein Brot in Bethlehem - Unter seinen Flügeln
- Ruhestatt in Israel - Im Stadttor von Bethlehem - . . . und sie
gebar einen Sohn), während die Predigten dann fast nur paraphrasie-
rend-nachcrzählendcn, ja zuweilen gar kommentierenden Charakter
haben, bis hin zur Erklärung hebräischer Verben, Begriffe und
Namen. Wo diese Nacherzählungen, die sich auch vor häufigen
Wiederholungen des bereits früher Erzählten nicht scheuen, über das
Erzählen hinausgehen, da sind es zunächst meist eingestreute moralische
Wertungen, z. B. Familie, Volk. Ehe und Liebe damals und
heute, Gott als Herrn des Lebens und der daraus folgenden Ehrfurcht
vor dem Leben betreffend. Ferner wird den Predigten dann - man
kann es leider nicht anders formulieren - ein Christuszeugnis angehängt
, ja eigentlich noch mehr aufgesetzt als angehängt. Was hat die
Gemeinde z. B. davon, daß ihr gesagt wird, daß einmal in Bethlehem
der Knecht Gottes (Christus) geboren werden wird, welcher das Bindeglied
(wirklich?) zwischen Israel und den Völkern sein wird, daß
der Name Obed (= Knecht) eben auch auf den Gottesknecht Christus
hinweist. Ruth gehe nach Israel, weil sie mit diesem seltsamen Volk
der großen Heimsuchung Gottes durch den Christus entgegenharren
will. Dies aber hat die (möglicherweise historische) Ruth ganz sicher
nicht gewollt, der Erzähler hatte es auch nicht im Sinn, Israel auch
kaum, und was sagt es der Gemeinde? Daß die Völker Gottes Volk
werden sollen, trifft da schon eher die Sache, aber was bedeutet es wiederum
, daß die Frauen der Erzählung auf den Goel, den Christus warten
und uns einladen, dies mit ihnen zu tun? Oder: Ruth findet Eingang
ins messianische Kinderkriegen (!81), und wir alle stehen am
Stadttor von Bethlehem und warten, daß uns die Tür aufgeht, damit
wir mit dem Abrahamsvolk dem Christus entgegengehen.

Es sind drei Dinge, die dem Rez. den Zugang zu diesen Predigten

erschwert haben: Sie bleiben weithin im Nacherzählen und fügen
höchstens einige moralische Betrachtungen und Appelle ein - sie
hängen ein meist künstliches Christuszeugnis an - und sie behaupten
Dinge über (das nicht nur alttcstamentlichc) Israel, die zu /eigen
scheinen, daß der Vf. die leider nicht nur verbindende, sondern 03t
auch trennende Bedeutung des Jesus Christus innerhalb des christlich
-jüdischen Dialogs nicht recht bedacht hat. Die Gestalt Jesu Christi
wächst nicht so bruchlos aus dem Alten Testament und seinem
Zeugnis heraus, wie es hier einer Gemeinde aufzuzeigen versucht
wurde. Anders gefragt: Reichen ein Nacherzählen alttestamentlicher
Texte, dem dann ein Christuszeugnis angehängt wird, das nicht den
Texten selbst, sondern dem Blickwinkel des christlichen Predigers
entstammt, wirklich aus, hermeneutisch verantwortlich alttestametit-
liche Texte zu predigen? Die Predigten eignen sich gut dazu, diese
Fragen zu diskutieren und sie dann vielleicht auch anders zu beantworten
, als dies dem Rez. hier möglich war.

Neucndcttelsau Horst Dietrich Preuß

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Lindner. Herbert, u. Peter Morgenroth: Glauben mit Kindern erlebe"'

Kinderbibclwochcn - ein Weg zur Gemeinde. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1987. 156 S. m. Abb. 8 Kart. DM
24,80.

Die Vf., ein Gemeindepfarrer und ein Pfarrer an einer BcratungS'
und Fortbildungseinrichtung, halten es für eine der herausragenden
Aufgaben in einer volkskirchlichen Situation, „den Glauben der
Väter und Mütter an die nächste Generation weiterzugeben und ihn
dabei weiterzuentwickeln". Jahrelange Erfahrungen mit Kindcrbibel-
wochen als einem „neuen Zugang" zum Glauben und zur christliehen
Gemeinde neben den klassischen „Instanzen religiöser Sozialisalion
haben sie dazu veranlaßt, Einsichten und Überlegungen als Herausforderung
und Anregung bereitzustellen. Dabei verstehen sie die Km-
derbibclwoche als „Instrument des Gemeindeaulbaus" und beschreiben
ihren Ort „in einer Gemeindegeschichte und Gcmeindekonzep'
tion". Die Gesamtüberschrift für den I. Haupteil des Buches „Wachsende
Gemeinde im Ballungsraum" benennt den Bedingungsrahmem
in dem das Projekt „Kinderbibelwoche" dargestellt und kommentier1
wird. Grundsätzliche Erwägungen (Den Glauben weitergeben - daS
Problem der nächsten Generation; Gemeinde im Aulbau) stehen an'
Anfang. Wesentlichen Einblick in Einzelfragen der Vorbereitung-
Strukturicrung und Durchführung der Kinderbibelwochen gewähr1
das 3. Kapitel „Kinderbibelwoche in Puchheim - Ein Überblick •
Der 2. Hauptteil stellt drei Modelle vor (Mit Jesus unterwegs - Tc*te
der Hoffnung; Noah - In der Arche ist noch Platz; Ich möcht'. da'j.
einer mit mir geht - Kinderbibelwoche zu Psalm 23). Der letzte Te'
der Veröffentlichung enthält Wesentliches der Erfahrungen, resümiert
und verallgemeinert (Ein Weg zur Bibel; Die Wirkung; Konzenti*"
tion und Kraft).

Zu den Voraussetzungen für das Projekt gehört die Ausgliederung
des Glaubensbereiches aus dem unmittelbaren Erziehungsgeschehen'
Der umfassende gesellschaftliche Wandel verändert auch volkskirchliche
Selbstverständlichkeiten. Religiöse Erziehung wird vorwiegend
- wenn überhaupt noch - von der Kirche erwartet. Ursache ist auch
„Unsicherheit in Fragen der religiösen Erziehung" bei Eltern. Wal"'
zunehmen ist die Chance des „miteinander Glauben Lernens" 1,1
einem gencrationenübergreifenden Prozeß, der ein gemeinsame^
Lernweg sein kann. Dieses Verständnis verändert den „Lcrnort
Gemeinde, ist auf eine partnerschaftlichc Einbettung der Kinder m
das Gemeindegeschehen bedacht, klärt die Frage nach „Glaube11
heute" schärfer als früher, strebt nicht vordergründig Methodenvie''
lält an, sondern fragt nach den wirklich relevanten Inhalten, den ihn«"