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Ausgabe:

1989

Spalte:

304-306

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Leuze, Reinhard

Titel/Untertitel:

Gotteslehre 1989

Rezensent:

Krötke, Wolf

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Theologische Literaturzeitung I 14. Jahrgang 1989 Nr. 4

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Spletts Überlegungen bleiben wohl für in sich geschlossene Grup- Wesen. Damit ist die Krise der Moderne beschrieben. Teilaspekte der

pen mit ähnlichem Sprachverhalten und ähnlichen Ängsten in der Wirklichkeit werden dann als das Ganze genommen, nicht als bloß

heutigen Zeit reserviert. Eine ansteckende Freiheit konnte der Rez. Partielles erkannt. Es wird nicht wahrgenommen, daß die geschöpf-

nicht finden. liehe Wirklichkeit auch unsichtbare Dimensionen besitzt.

Bochum Christofer Frey-

SyStematiSChe Theologie: Dogmatik

Heidelberg Friedrich Heyer

Ein Konzept der ratio vorzulegen, ist zwar nicht eigentlich eine
theologische Aufgabe, vielmehr eine philosophische. Aber hier verschürzt
sich die Theologie mit der Philosophie. Die Philosophie hat
die Wohnung zuzubereiten, in der der Glaube sich einnistet.

Ebensowenig wie man von der ratio nicht reden kann, ohne zugleich
von ihrer Funktion der Realitätswahrnehmung zu sprechen.

Siegwalt, Gerard: Dogmatique pour la catholicite evaneelique. ,______ ■ ,____ , „, , , ~. . . „ . ■„„

„ , ■ . , „ . , . . , . ,_ , , , ebensowenig kann man den „Glauben an und lur sich analysieren«

Systeme mystagogique de la loi chretienne. I: Les Fondements de la ., , _ , . _, ^_ , , ., „„.

Foi. 1: La Quete des Fondements. 328 S. 2: Rcalite et revelation. ohne ,hn als Erkenntnisorgan für Offenbarung zu beschreiben. Der

524 S. Paris: Cerf; Genf: Labor et Fides 1986 u. 1987. 8". Kart. Glaube brm& Erkenntnis, sofern sich der Mensch von der Offen-

ffr 148,-u. ffr 194.-. barung determinieren läßt. Der Glaube ist der ratio nicht unähnlich-

Er gewinnt die Wirklichkeit in ihrer Totalität, von der die ratio immer

Der Professor für Systematik an der protestantischen Fakultät der nur Teilaspekte gewinnen kann.

Universität Straßburg hat zu einer monumentalen Dogmatik an- Dogmatische Entwürfe, wie sie Siegwalt vorlegt, werden nicht häu-

gesetzt, die den Weg zu einer „evangelischen Katholizität" bahnen fig niedergeschrieben. Um seinen Gedanken Ausdruck zu verschaffen,

soll. hat der Autor sprachliche Neuschöpfungen erfunden - eine Kunst an-

Ähnlich in der Zielstellung wie das Alterswerk von Edmund gewendet, die mit dem französischen Sprachmaterial schwieriger zu

Schlink gesteht sich Siegwalt ein, daß es unvermeidlich ist, einen Aus- handhaben ist als mit der deutschen Sprache. Man fühlt sich gereizt,

gangspunkt für das Dogmatisieren zu wählen, also einen konfessionel- manche Sätze, weil sie von einem Elsässer deutsch gedacht sind, m't

len Ausgangspunkt. Aber ohne Angst vor etwaigem Verlust lutheri- neu zu schaffenden deutschen Worten zu übersetzen,
scher Identität wird in der Logik der Sache gedacht. Damit wird diese
Dogmatik partiell auch für katholische Denker akzeptabel, kann aber,
da die Geltung von Tradition und Sukzession in Siegwalts Werk

undeutlich bleibt, katholischen Ansprüchen nicht voll genügen. Doch ^ Reinhard. Gotteslehre. Stuttgart-Berlin (Wcst)-Köln~

das Verlagshaus des französischen Dominikanerordens - Cerf - gibt Majnz; Kohlhammer 1988. 183 S.gr. 8". Kart. DM 34,80.
das Werk mit heraus.

Siegwalt führt auf das Feld des modernen Wirklichkeitsverständnis- Der Titel „Gotteslehre" ist für dieses Buch eigentlich irreführend-

ses, dem ein Mißtrauen gegenüber Spekulationen über Hinterwelt- Denn dem Vf. geht es nicht darum, eine Gotteslehre im Ganzen zu

lichkeiten anhaftet. Daß sich die hier eingewurzelten Menschen der , entfalten und zu begründen. Sein Interesse gilt vielmehr zwei spezifi'

Offenbarung Gottes zuwenden, dazu bedarf es einer mystagogischen sehen, für ihn allerdings fundamentalen Fragen, nämlich einerseits

Hinführung, einer initiation au mystere. Von vornherein sind in Sieg- dem Sprachcharakter des Wortes „Gott", das „Wirklichkeit formt

walts Ansatz die fertigen Christen, die keine Antwort mehr benötigen, und gestaltet" (14), und andererseits der Gemeinsamkeit und D'^e'

beiseite gelassen. Die Menschen-das sind für den Autor auch diejeni- renz des Gottesverständnisses von „monotheistischen Religionen

gen, die von einer Philosophie aus oder vermittels anderer Hochreli- (vgl. 23f)-

gionen ihre Lebensdeutung suchen. Findet der Glaube auch in deren In zwei einleitenden Kapiteln (11-17: „Die Lehre von Gott als

ratio eine Basis des Glaubens an die Offenbarung, oder klaffen ratio Reflexion aufdas Wort Gott"; 18-25: „Der Status des Wortes Gott )

und Offenbarungsglauben auseinander? Nein, die beiden Schienen, macht der Vf. in aller Kürze mit der Basis seiner Überlegungen ver-

auf denen der Mensch die Wahrheit sucht, führen nicht zu Wider- traut. Danach hat die Sprache ihr Wesen „im Überschreiten cierGn'"'

Sprüchen, einfach weil der Gott der Offenbarung doch auch der Gott zen" der Welt (12). Sie erreicht darum „mit dem Wort Gott ihre hoch'

der irdischen Realität ist. Die Phänomene unserer Welt werden ab- ste Entfaltungsmöglichkeit" (20). Folglich ist dieses Wort „-weder

geklopft, ob sie Zeichen des kommenden Reiches Gottes seien oder Eigenname noch Prädikator noch Synsemantikon noch Begriff' (2^''

nicht, ob die recapitulatio der Welt sie in die Verwandlung mit- Es entzieht sich Jeder eindeutigen Bestimmung" (ebd.) und weisl 9°

nehmen kann oder abstoßen muß. In ratio und ihrer Realitätserfas- ins Unsagbare, Unerkennbare und Undenkbare. Dennoch sagen u,e

sung sind Dimensionen angelegt, die zum Theologisieren führen. So „monotheistischen Religionen (die Religion Israels, das Christcntu'11

muß man von einer revelatio universalis sprechen. Was die prophe- und der Islam) Gott mit bestimmten Namen aus, in denen er sich

tisch vermittelte Offenbarung anlangt, so liefert sie das Kriterium, offenbart (vgl. Kap. III, 26-61: „Das Wort Gott und der Name Got'

mit dem die universale Offenbarung beurteiltwerden muß. In sich tes"). Gott ist immer das namenlose Wesen und der Name, wieder

einheitlich ist diese prophetische Offenbarung freilich keineswegs: Da an der „Religion Israels" (29ff) und dem Islam (43ff) verdeutlicht. D'e

gibt es basisreligiöse Elemente, an Israel adressierte Offenbarung und Gegensätzlichkeit und Zusammengehörigkeit der Wahrung des Ge'

das Christusereignis als Offenbarung. Der Autor bleibt bei der heimnisses Gottes und der Offenbarung im Namen Gottes schreib1

Beschreibung der Konsequenzen, die das geschichtliche Faktum von darum den Weg und die Struktur der Gotteslehre einer monotheist''

Gottes «attestation de soi-meme» mit sich bringt. These ist, daß sehen Religion vor.

Glaube die einzig mögliche Form sei, die Selbstoffenbarung Gottes In der „christlichen Religion" (34ff) kommt es allerdings zu einer

anzunehmen. Daß der Kirche die «transmission» der «attestation spezifischen Verschiebung dieser Struktur. Sie hat den Namen Gottes

fondatrice» aufgetragen ist, fordert sie selbst zu interpretativen Ant- preisgegeben (vgl. 34). An seine Stelle tritt die Person des Mensche'1

Worten auf Gottes «attestation» heraus. Damit entsteht Dogmatik. Jesus: „der Name wird Gestalt" (35). Da der Vf. die christologische

Die ekklesiale Credoformel zeigt an, daß jeder individuell Gläubige Frage ausklammert, wie die Anwesenheit Gottes in einem Men'

vom Glauben der ganzen Kirche mitgetragen ist. sehen zu denken sei, scheint er sagen zu wollen, daß Gott in der Weise

Die menschliche ratio, von Siegwalt als Fähigkeit zur Realitäts- Mensch wird, daß er sich in einem Menschen „begrenzt" (vgl- 13
Wahrnehmung verstanden, ist von der vorgegebenen Realität abhän- u. ö.), endlich macht (vgl. 560 und weltlich „faßbar" „vergegenständ-
gig, ihr also unterworfen. Sie kann sich, da sie die Realität nie zur licht" (vgl. 51 ff). Von einer Unterscheidung von Gott und Mensch 'n
Gänze erfaßt, nie in sich selbst abschließen. Tut sie das doch und setzt Jesus Christus ist jedenfalls nicht die Rede. Jesus ist als Mensch Gottsie
sich absolut, so entfremdet sich die ratio ihrem eigentlichen und insofern ist die „Endlichkeit oder Begrenztheit ein Moment Got-