Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1989

Spalte:

275-276

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wagner, Josef

Titel/Untertitel:

Auferstehung und Leben 1989

Rezensent:

Schnelle, Udo

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

275

Theologische Literaturzeitung I 14. Jahrgang 1989 Nr. 4

276

überdenken. Großen Nutzen wird man schließlich aus den sehr detaillierten
Einzclanalysen ziehen, auch wenn man V. nicht überall folgen
kann. Leider sind gerade die Einzelanalysen weder durch ein Stcllen-
noch durch ein Sach- oder Begriffsregister erschlossen.

Rüschlikon Daniel Kosen

Wagner, Josef: Auferstehung und Lehen. Joh 11,1-12,19 als Spiegel
johanneischer Redaktions- und Theologiegeschichte. Regensburg:
Pustet 1988. 501 S. 8° = Biblische Untersuchungen, 19. Kart.
DM 44-.

Die vorliegende Arbeit wurde im SS 1987 von der Philosophischtheologischen
Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt (M.) als Dissertation
angenommen. Ihr methodischer Ausgangspunkt ist die Johannesinterpretation
Georg Richters, der im 4. Evangelium mit drei (bzw.
vier) literarischen Schichten rechnete (judenchristliche Grundschrift,
Bearbeitung durch den Evangelisten, antidoketische Redaktion [spätere
Hinzufügungen]). Ziel der Arbeit ist es nun, die Bedeutung und
letztlich die Richtigkeit der Gesamttheorie Richters an einem zentralen
Abschnitt des Johannesevangeliums (Kap. I 1,1 -12,19) zu erweisen
. Zunächst listet der Vf. die bekannten Probleme von
Joh I 1,1-12,19 auf (S. 29-42), um dann (S. 42-87) die .wichtigsten'
Lösungsversuche darzustellen (von E. Schwartz bis J. Kremer). Da
mehrere Exegeten bei Joh I 1,1-12,19 mit vier (bzw. drei) literarischen
Schichten rechnen, folgert der Vf.: „Bei aller Differenz im
Detail könnte dies ein Zeichen für die grundsätzliche Richtigkeit solcher
Hypothesen sein" (S. 88). Die eigene Analyse des Vf. vollzieht
sich „- gleichsam archäologisch arbeitend -" (S. 95) als Schtchten-
scheidung, die bei der jüngsten Schicht einsetzt, um dann zu .tieferen'
Schichten vorzudringen. Das Ergebnis: Als jüngste Schicht erweist
sich die Bearbeitung des Redaktors, die im wesentlichen (alle folgenden
Versangaben ohne Berücksichtigung von Versfragmenten bzw.
einzelnen Wörtern) Joh 1 l,2.5.13.16.25b.26a.33c.35-37.38b. 49 bis
52; 12,4-8.14-16 umfaßt haben soll. Vorausgehen eine Bearbeitung
durch den Evangelisten (vor allem Joh 11,4d. 7b-IIa.
23-25a.26b-27.42.55a) und durch eine .Grundschrift' (im wesentlichen
Joh 1 l,4bc.6.1 Ib-12.14f. 18.20-22.28-30.3Ib. 33b.40.41bc.
46.54.55b-56; 12,1.2b.9-l 1.17-19. Als ältester Traditionsbestand
und vierte Schicht ergibt sich dann: Joh 11,1,3.4a. 17.19.31 acd.
32.33a.34.38ac.39.41a. 43-45.47.48.53.57; 12,2a.3.12.13). In der
Aufnahme der These G. Richters betont der Vf. nun, daß es keine
eigenständige .Semeia-Quelle' gegeben habe, sondern die meisten joh.
Wundergeschichten bereits Bestandteil der .Grundschrift' waren.
Auch die Verbindung zwischen Wunder- und Passionstraditiön, so
wie sie in Joh I 1,1-12,19 vorliegt (Beginn des traditionellen Passionsberichtes
Joh 11,47), gehe nicht auf den Evangelisten, sondern auf die
.Grundschrift' zurück. Es werden dann die Argumente für die
Existenz einer .Grundschrift' zusammenfassend angeführt
(S. 398-409) und im Anschluß daran die theologischen Akzente der
.Grundschrift' (S. 409-439), des Evangelisten (S. 439-451) und dej
Redaktion (S. 451-456) aufgelistet: In der .Grundschrift' wird Jesus
als Messias im Sinn eines eschatologischen Propheten dargestellt, wobei
eine deutliche Nähe zu Mose und Elia charakteristisch ist. Der
Evangelist hingegen vertritt eine hoheitliche Sohneschristologie, die
ihn - mehr ungewollt als gewollt - zu einem Wegbereiter des christlichen
Gnostizismus macht. Die Redaktion schließlich ist anti-
gnostisch bzw. antidoketisch orientiert. Abschließend versucht der
Vf., die eruierten Schichten der Geschichte der joh. Gemeinde zuzuordnen
, die durch einen judenchristlichen Anfang, das Trauma des
Synagogenausschlusses, eine gnostische Periode und eine antignosti-
sche Redaktion gekennzeichnet ist.

Man wird dem Vf. zugestehen müssen, daß er sich sehr intensiv in
die Probleme von Joh 11,1-12,19 und die Literatur zu diesem Textabschnitt
eingearbeitet hat. Innerhalb seiner bzw. G. Richters Prämissen
sind die Argumentation und die Schlußfolgerungen durchaus

folgerichtig und plausibel. Hier liegt zugleich das Problem dieser
Arbeit. De facto wird die Richtigkeit der Theorie G. Richters immer
vorausgesetzt, was den methodischen Zirkelschluß einer extensiven
Literarkritik überaus deutlich macht: Hält man die Annahme von
drei bzw. vier Schichten zur Erklärung des Jclzttextcs des Johannesevangeliums
für notwendig, dann sind diese Schichten auch zu linden.
Zweifellos haben derartige Theorien auch Anhalt am Text, vieles läßt
sich aber auch in Joh 11,1-12,19 mit dem vom Vf. sehr schnell beiseitegeschobenen
Textmodell der traditions- und redaktionsgeschichtlichen
Analyse überzeugender erklären, die das Werden und
Sosein des Textes ohne mehrstufige Schichtcnmodclle in den Blick
nimmt. So geht z. B. die Vorstellung der im Wunder offenbar werdenden
Doxa Gottes bzw. Jesu in Joh 11,4bc.40 keineswegs auf die
,Grundschrift' zurück, sondern sie gehört wie das Semcia-Konzept
insgesamt in das Zentrum der Christologie des Evangelisten (vgl. nur
Joh 2,U; 4,54; 6,14; 9,16; 10,41; 11,47; 12,18; 20,30). Hinzu kommen
grundsätzliche Anfragen: Die vorausgesetzte .Grundschrift' läßt
sich weder literarkritisch noch formgeschichtlich rekonstruieren. Wie
soll man sich die Vorgehensweise der einzelnen Bearbeiter vorstellen?
Stehen sie wirklich im Widerspruch zu ihren Traditionen, die sie
übernahmen, um sie zu korrigieren? Sie müssen exakte Schreibtisch-
arbeit geleistet haben, indem sie einzelne Wörter, Versteile und auch
umfangreiche Texte in ihre Vorlage einarbeiteten. Zudem wird ihnen
unterstellt, daß sie theologisch nur in völlig konsistenten Systemen
dachten und somit jede sachliche .Unebenheit' sofort den Rückschluß
auf verschiedene literarische Schichten im Johannesevangelium und
einzelne Gruppen bzw. Persönlichkeiten in der joh. Schule zuläßt-
Auch die geläufigen religionsgeschichtlichen Raster wie judenchristlich
' oder .gnostisch' sind zu unscharf, um ein Verstehen der joh.
Theologie zu fördern.

Erlangen Udo Schnelle

Dupont. Jacques: Nouvelles etudes sur les Actes des Apötres. Paris:
Cerf 1984. 535 S. 8* = Lectiodivina, 118. Kart, ffr 234.-

Bereits 1967 erschien im selben Verlag der Sammelband «Etudes
sur les Actes des Apötres» mit 25 Aufsätzen D.s aus der Zeit von
1950 bis 1965. Längst ist jener Sammelband zu einem Klassiker der
Acta-Forsehung geworden, und D. wurde vor allem als Acta-Forscher
weithin bekannt. Deshalb ist es zu begrüßen, daß der vorliegende
Band 20 weitere Aufsätze D.s zur Apg aus der Zeit von 1967 bis 1982
vereint und gut zugänglich macht, waren doch einige von ihnen vorher
an recht entlegenen Orten publiziert. In einer knappen Vorbemerkung
(9f) sagt D. einiges zum Aufbau des neuen Bandes. Alle Aufsätze
sind neu gesetzt; außerdem sind dem Band Autoren- und Stellenregister
beigegeben. Leider fehlt im Neusatz jeder Hinweis auf die früheren
Seitenzahlen; auch erscheinen griechische Wörter nur noch in
Umschrift. Die Titel einiger Aufsätze sind gegenüber den Originalen
gekürzt. Doch findet sich eine Liste (110 mit den ursprünglichen
Titeln und genauen Angaben zur Erstveröffentlichung für alle Aufsätze
.

Der Aufsatzband beginnt mit zwei Beiträgen zur Forschungssituation
, nämlich mit einer längeren Besprechung (13-23) des ausführlichen
Berichts über 25 Jahre Lukas-Forschung von Francois Bovon
und durch die Frage nach dem Aufbau der Apg. An Bovons Buch
(„Luc Ic theologien. Vingt-cinq ans de rechcrchcs [I950-I975]"-
Neuchätel-Paris 1978; vgl. C. Burchard, ThLZ 106, 1981, 37ff.) lobt
D. die durchsichtige Darstellungsweise und die Sicherheit, mit der
Bovon die großen Linien zur Geltung gebracht hat. Beim Aufbau der
Apg zählt D. zunächst die verschiedenen Gliederungsvorschläge und
ihre jeweiligen Vertreter auf und kommt dann selbst zu einer Vierteilung
(Apg 1-8,3; 8,4-15,35; 15,36-19; 20,1-28), und zwar mit
Hilfe der Beobachtung, daß Lukas wahrscheinlich jener Regel folgte-
die Lukian später auf die Formel brachte: Der Historiker solle die verschiedenen
Teile seines Werks so miteinander verknüpfen, daß das