Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1989

Spalte:

267-269

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Coote, Robert B.

Titel/Untertitel:

The emergence of early Israel in historical perspective 1989

Rezensent:

Thiel, Winfried

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

267

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 4

268

das der Assyrer, eine solche Zusammengehörigkeit haben vermuten
lassen, zumal andere unzweideutige Hinweise für eine Datierung
nicht gegeben sind. Eine solche Ansetzung wird in der modernen kritischen
Prophetenforschung eigentlich nicht mehr geteilt. In der Regel
wird das Buch später, wohl in nachexilischcrZeit, angesetzt.

Eine genauere Datierung ist jedoch davon abhängig zu machen, ob
an der Einheit der Teile Kap. 1-2 und Kap. 3-4 festzuhalten sei.
Während Kap. 1-2 an Bildern sachlich-geschichtlicher Vorgänge festhalten
, gehen Kap. 3-4 gerade in der Behandlung des Tages Jahwes
zur Verwendung poetisch-apokalyptischer Farben über, womit eine
Geschlossenheit des Buches und seines Propheten problematisch
wird.

P. setzt sich aus diesem Grunde ausführlich mit der Forschung und
Auslegung des Joel-Buches auseinander (S. 2-10), entscheidet sich
jedoch Für die Einheitlichkeit aller vier Kapitel des Buches und muß
sich in der Datierung dann folgerichtig auf die jüngst erscheinenden
Äußerungen einlassen. Damit muß er aber diese bewußte und durchdachte
Komposition des Buches Joel und den Gedanken eines
geschlossenen Konzepts nicht nur inhaltlich, sondern auch formal
erhärten. Dies versucht er sogar soweit, daß er den von H. H, Wolff
(BKAT XIV/2, 21975, z. St.) in 2,18 erkannten „entscheidenden
Umschwung im Joel-Buch" ablehnt (s. S. 63ff)- Das ganze Buch ist
eine geschlossene Einheit. Der Anfang nimmt in 1,1 mit seiner
bedrohlichen Schilderung der alles vernichtenden Heuschreckenplage
kontrapunktisch Bezug auf die in Aussicht gestellte paradiesische Zeit
der letzten Perikope4,18-2I, wonach Jahwe Juda wiederherstellen
und dessen Feinde strafen wird. Innerhalb dieses so angenommenen
Rahmens werden Schritt Für Schritt die Stücke 1,2-14, der Heuschreckenplage
, verklammert mit 1,15-20, dem Gebet um Errettung;
beide haben in 2,1-11 ihre Fortsetzung in der Vision vom Tage des
Jahwegerichts; sie münden in den liturgischen Aufruf zur Buße und
Umkehr ein, in 2,12-17. Darauf ergeht Jahwes Antwort in 2,18-27
mit der Zusage des Endes der Geißelung und schließlichen Befreiung.
In 3,1-5 wird das Bild von der Begabung Israels mit dem göttlichen
Geist und in 4,1-17 die Kunde vom Gericht Jahwes über die feindliche
Völkerwelt und Israels Erlösung aus seinen Nöten gezeichnet.
Dies ergibt dann einen verständlichen Zusammenhang und einen
überzeugenden Gedankengang.

Gott ist in seinem Zornhandcln nicht der Zerstörer seines Volkes,
sondern dessen Retter, der Israels Feinden wehrt und sie überwindet.
Darum haben nun Gottes Volk, die Natur und die gesamte Tierwelt in
den großen Jahwehymnus einzufallen. P. Führt diese Vorstellung bis
nahe an eine monotheistische Grundhaltung heran.

So gesehen, ein durchaus beeindruckendes Bild einer struktura-
listischen Interpretation des Buches Joel. Leider werden die in dem
Buche Joel dennoch vorhandenen Spannungen nicht ausgeräumt.
Sprachlich sind da doch einige Divergenzen anzumerken, die eben
doch zwischen Kap. 1-2 und den Kap. 3-4 Unterschiede markieren.
Diese interpretierend so zu überspielen, sollte doch angefragt werden
können. Man nimmt zwar etliche gute Anregungen aus den Darlegungen
mit, fragt aber dennoch, ob die hier vertretene strukturelle, inhaltlich
schrittweise fortschreitende Geschlossenheit des Buches den
Ursprung, den Endpunkt oder die gewollte Interpretation der literarischen
Gestaltung widerspiegelt. Dennoch wird die künftige Joel-
Auslegung an dieser Darstellung nicht vorbeigehen, sondern hat sich
mit ihr auseinanderzusetzen.

Halle (Saale) Gerhard Wallis

Coote, Robert B., and Keith W. Whitelam: The F.mergenee of Early
Israel in historical Perspective. Sheffield: Almond Press 1987.
212 S. m. 2 Abb. u. 2 Ktn 8' = The Social World of Biblical Anti-
quity Series, 5. Kart. £ 10.50; Lw. £ 25.-.

Wic andere vergleichbare Werke der letzten Zeit geht diese Arbeit
von dem Eindruck aus, daß die biblischen Quellen von ihrer Eigenart
her nicht Für eine Rekonstruktion der Frühgeschichte Israels geeignet

sind. Dafür müßten andere Ansätze gesucht werden. Die Autoren finden
sie im Rhythmus der politischen und sozialen Geschichte Palästinas
vom Beginn der Bronzezeit bis zur Gegenwart, im Wechsel der
Siedl ungsformen und im Einfluß des Handels auf die Gesamtentwicklung
diestr Region. Ihren Entwurf bezeichnen sie als "programmatic
essay" (9); es handelt sich also nicht um eine durchgestaltete und ausgefeilte
Konzeption.

Das macht sich besonders am Anfang und Ende der Arbeit bemerkbar
, wenn die VIT. ihre Disqualifikation der atl. Texte als Geschichtsquellen
begründen. Hier steht Richtiges und Pauschales nebeneinander
. Daß die Entwicklung des Kanons in der Situation der nach-
exilischen Gemeinde gründet und daß die Komposition der Geschichtsbücher
(DtrG) den Bedürfnissen der Exilszeit zu verdanken
ist, trifft sicher zu, entbindet aber nicht von der überlicferungs-
geschichtlichen Rückfrage nach dem Quellenwert der Traditionen.
Die Vff. meinen, daß das biblische Bild von der Frühgeschichte Israels
(bes. in den J-Tcxten) der Tendenz zur Legitimation der davidischen
Herrschaft entstammt, während die dtr. Texte den Idealkönig Josia in
die Vergangenheit zurücktragen. Die Antwort auf die Frage, warum
die Tradenten der Königszeit ihre Ahnen ausgerechnet in das nomadische
Milieu eingezeichnet haben, bleiben die Vff. allerdings schuldig
. Dem Gewicht der Exodus-Tradition wird die en passant hingeworfene
Erklärung als „Polemik gegen ägyptische Fronarbeit"
schwerlich gerecht. Auch wenn die Vff. immer wieder auf die Notwendigkeit
der Weiterarbeit verweisen - so leichthändig sollte man
mit den atl. Uberlieferungen nicht umgehen.

Der Neuansatz, den die Vff. in deutlichem, wenn auch nicht unkritischem
Anschluß an Mendenhall und Gottwald entwickeln, beruft
sich einerseits auf die archäologischen Befunde, andererseits auf das in
der ganzen Geschichte Palästinas zu beobachtende Auf und Ab der
Siedlungs- und Bevölkerungsdichte. Perioden des Aufschwungs wie
FrBr [-III, MBr II, E I—II, die römisch-byzantinische Epoche und die
Neuzeit seit 1900 werden durch Zeitspannen des Niedergangs unterbrochen
(FrBr III, FrBr IV/MBr I, SpBr, E III, ottomanische Zeit)'
Die Umstände des Werdens Israels gehören in dieses Schema hinein
und finden ihre engste Analogie im Übergang von der FrBr zur MBr.
der durch einen inneren wirtschaftlichen und sozialen Niedergang
und nicht durch äußere Einwirkung (amoritische Wanderung) veranlaßt
sei. Einen besonderen Einfluß auf Wirtschaft und Siedlung*'
geschichte Palästinas üljte der internationale Handel aus. Er stärkte
besonders die Urbanen Kulturen in den Ebenen, die bei längerwährender
Störung der Verbindungen ihrem wirtschaftlichen Kollaps entgegengingen
. Dem drohenden Zusammenbruch entzogen sich viele
Bewohner der Ebenen durch Rückzug in das Bergland oder in die
Randzonen des landwirtschaftlich nutzbaren Gebietes, wo sie eine
„Subsistenz-Ökonomie" entwickelten, die agrarischer oder auch
pastoralnomadischer Art sein konnte.

Als soziale Gruppen, die in diesem Zyklus eine komplizierte Interaktion
ausübten, nennen die Vff. die städtische Elite, die Nomaden
und die Bauernschaft, aber auch das soziale Banditentum. In Auseinandersetzung
mit anderen Auffassungen bekräftigen die Vff. unter
Verweis auf die Mari-Texte und die Informationen ägyptischer Quellen
über die s3sw, daß das Nomadentum eine immer in Syrien und
Palästina vorhandene Größe war. In Zeiten der Schwächung der Zentralgewalt
und großer sozialer Umwälzungen können Beduinen und
Banditen zu großer Macht gelangen, und die ländlichen Siedlungen
vermögen sich der Ausbeutung durch die städtische Eliteschicht zu
entziehen.

In diesen Prozeß beschreiben die Vff. die Entstehung der Größe
„Israel" ein: "Israel originated during the third and fourth quarters of
the thirteenth Century with the shift in land usc and settlement p4
terns of the Palcstinian highland and dry land margin. This shift • ■
occured mainly in response to changes in the economy of the castern
Mediterranean area associated with a drop in trade during the
thirteenth Century." (117) Um zu überleben, zogen sich die Bewohner
der von dem wirtschaftlichen Kollaps besonders betroffenen Ebenen