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Ausgabe:

1989

Spalte:

264-265

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Webb, Barry G.

Titel/Untertitel:

The book of the Judges 1989

Rezensent:

Schunck, Klaus-Dietrich

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263

Theologische Literaturzeitung 1 14. Jahrgang 1989 Nr. 4

264

Symbolcharakter von Haar, Fingern und Augen. Die detaillierten
Ausführungen enthalten auch Kritik an bestimmten Deutungen. -
J. G. Platvoei befaßt sich in seinem Beitrag "Commemoration
by Communication: Akan Funery Terracottas" mit der Literatur
über die Bestattungsterrakotten nebst Riten bei den Akan in Ghana,
ihrer Verbreitung, Morphologie (Typen der Köpfe, kleinen menschlichen
Figuren usw.) und Deutung. Er kommt zu dem Schluß, daß es
nicht nur um das Gedächtnis an den Toten, sondern um Kommunikation
mit dem als gegenwärtig geglaubten Verstorbenen geht (vgl.
Titel!). - H. te Velde widmet sich dem großen Thema "Commemoration
in Ancient Egypt" als einem Hauptmerkmal der altägyptischen
Kultur, "for more than 90% of it is mortuary art, art for the dead"
(Pyramiden, "commemorative temples" usw.), und geht besonders
auf den Zweck von Totenkult und Bestattungskunst ein: Sic sind Protest
gegen Tod und Vergänglichkeit und sollen dem Leben dienen.
Dabei wird das Ziel verfolgt, die Leben der Menschen und Tiere fortbestehen
zu lassen, festzuhalten, in Erinnerung zu halten, "so that
they remain commemorated figures for relations and descendants and
can continue weal, although they have died" (141). - Wie schon
andere Autoren dieses Bandes betont auch H. Witte in seiner Studie
"Fishes of the Earth. Mud-fish symbolism in Yoruba iconography",
daß das ikonographische Material nicht bloß als Illustration der
Mythen, sondern zugleich als Ausdruck sozialer Ordnung und religiöser
Ideale und Probleme zu betrachten ist. Die einzelnen Abschnitte
behandeln den mud-fish als Symbol der Erde, der Ogboni-Gescll-
schaft, des Königs Odudua, im Kultus des Flußgottes Erinle und des
Ifa-Orakels. Mud-fish-Symbole beziehen sich auf Erdgeister im allgemeinen
.

Die acht Beiträge enthalten eine Fülle von Material und Erkenntnissen
, die nicht nur Religionshistoriker interessieren dürften. Es ist
ein großer Verdienst der Hgg., daß sie in der Forschungstradition von
Gelehrten wie van der Leeuw, F. Sierksma und van Baaren die außerordentliche
Bedeutung des Bildes und der visuellen Beziehungen in
der Religionsgeschichte so nachdrücklich herausstellen.

Berlin Karl-Wolfgang Tröger

Altes Testament

Hendel, Ronald S.: The Epic of the Patriarch. The Jacob Cycle and
the Narrative Traditions of Canaan and Israel. Atlanta, GA: Scho-
lars Press 1987. XIV, 194 S. 8° = Harvard Semitic Monographs, 42.
Lw.$ 13.95.

Die Arbeit ist die überarbeitete Fassung einer bei F. M. Cross
geschriebenen Dissertation. Eine "History of Interpretation" der
Väterüberlieferung von Herder über Wellhausen, Gunkel, Noth,
Albright bis Thompson, Van Seters und Cross im ersten Teil sondiert
in groben Zügen, worauf der Vf. sich einlassen möchte und worauf
nicht. Verworfen werden (wohl zu Recht) das „primitivistischc" Konzept
von der kindlichen Einfachheit früher Erzähler oder das Postulat
einer durch "external evidence" zu belegenden „Patriarchenzeit".
Die traditionelle Quellenscheidung hingegen wird (unbefragti) vorausgesetzt
; ebenso Cross' Hypothese einer frühisraelitischen Epik.

Die beiden (Haupt-) Teile II und III behandeln thematisch den
„Jakob-Zyklus" in der Genesis und suchen dessen Verwurzelung in
einer breiten kanaanäischen und israelitischen epischen Uberlieferung
zu erweisen. Danach repräsentiert die Episode von Jakobs
Geburt die individuelle Realisierung ("multiform") eines in Israel
(Isaak, Ismael, Joseph, Simson, Samuel) und Ugarit (Keret, Danel)
verbreiteten Erzählungstypus ("birth story"; vgl. dazu schon D. lrvin,
AOAT 32), dessen hohe Variabilität aus den Bedingungen mündlicher
Tradition resultiere. Zur Heiligtumskonzeption von Gen 28 werden
bekannte altorientalische Entsprechungen angeführt, zu Jakobs Gelübde
dasjenige von Keret gegenüber der Aschera von Tyrus während
seiner Brautsuche. Auf ganz anderer Ebene korrespondieren
nach H. der Streit zwischen Aghat und Anat im ugaritischen Epos und
Jakobs Erschleichung des Erstgeborenen-Segens: In beiden Fällen
seien die Bilder und Formulierungen transparent auf kultisch-rituelle
Zusammenhänge hin (bei Jakob die Bekleidung mit dem Fell des getöteten
Tieres als eine Art Opfersymbolik [israelitische Belege?]). Noch
mehr abstrahiert die Gegenüberstellung von Aghats Schwester Pgt im
Aghat-Epos und Rahel im Jakobzyklus: Vergleichspunkt sind die
erzählerischen Symmetrien und Ironien, mithin Aspekte der jeweiligen
Darstellungskunst. Jakobs Gotteskampf am Jabbok wird u.a.
neben den Kampf Gilgamcschs mit Schamasch gestellt, das ungleiche
Brüderpaar Jakob/ Esau als Repräsentanten der Polarität von „Kultur
" und „Natur" neben Gilgamcsch/Enkidu, Horus/Seth und
Hypsuranios/Usoos. Schließlich findet H. Übereinstimmungen zwischen
der Jakobsgeschichte und den Anfängen Moses in Ex 2-4, die
über schon immer beobachtete Einzelparallelen hinaus sich auf die
ganze Sequenz beziehen: Ungewöhnliche Geburt - (fragwürdige)
jugendliche Tat - (daraufhin:) Flucht - göttliche Verheißung bzw.
Berufung an hl. Ort - Szene am Brunnen mit zukünftiger Frau -
Heirat und Nachkommen - Rückkehr - Gefährliche Begegnung mit
Gottheit - Begegnung mit Bruder, Heimkehr. Gerade die trotz dieses
Schemas unübersehbare Verschiedenheit der Erzählungen läßt nach
H. auf ein "common episodic pattern" schließen, das in mündlicher
Überlieferung unterschiedlich entfaltet wurde. Die Quellenautoren
des Pcntatcuch hätten im übrigen nicht mehr die Freiheit gehabt, den
ausgestalteten Erzählzyklen Wesentliches hinzuzufügen.

Die meisten der in der Arbeit erörterten (außer)biblischen Vergleichstexte
werden in der Literatur seit längerem diskutiert, nicht selten
auch differenzierter. Manche behauptete Parallele wäre kritischer
zu hinterfragen (die göttliche Zusage eines Sohnes ist z. B. etwas
anderes als Verheißungen der Volkswerdung in Gen). Auch das argumentative
Gefalle der aufgeführten Beispiele wird nicht ganz klar.
Zielt es auf die Annahme einer mit Ugarit usw. unmittelbar zu vergleichenden
(poetisch-) epischen Tradition in Israel (wofür aber über
die Berufung auf Cross hinaus die Belege fehlten) oder auf die - kaum
strittige - Existenz mündlicher Erzähltradition? Der Unterschied
zwischen mündlicher Prosaerzählung und Epos wird jedenfalls konsequent
überspielt. Dabei wäre er auch im Blick auf die viel zitierten
Untersuchungen von A. Parry und A. B. Lord zu den Bedingungen
epischen Erzählens zu bedenken. Immerhin behält H.s Insistieren auf
der ausgeprägten, aus den kontingenten Vortragssituationen resultierenden
Variabilität mündlicher Tradition (vgl. schon R. C. Culley
u. a.) ihr Recht gegenüber dem (noch) üblichen Konstrukt einer „im
Wortlaut" rekonstruierbaren mündlichen Übcrlieferungsgeschichte-
Mit seiner Frage nach dem zugrundeliegenden "pattern" dürfte freilich
auch H. mitunter einem Konstrukt nachlaufen - sozusagen einer
Hypostase der vom Exegeten beobachteten Textgemeinsamkeiten.
Zumindest ergibt sich dabei das methodische Problem, wie bei der
supponierten Flexibilität des Pattern dieses noch widerlegbar sein soll-
Vor allem aber wird von H. die Skala möglicher Zusammenhänge
mündlicher/schriftlicher Traditionen von vornherein doch allzusehr
eingeengt. Unbeschadet dessen bleibt die Arbeit in den Einzelvergleichen
und -interpretationen anregend.

Heidelberg Erhard Blum

Webb, Barry G.: The Book of the .Judges. An Integrated Reading-
ShefTicld: JSOT Press 1987. 280 S. 8' = Journal for the Study of the
Old Testament, Suppl.Series, 46. Kart. £ 8.95; Lw. £ 21.-.

Die Auffassung von der Entstehung des Richterbuches (Ri) hat M
Verlauf der letzten Jahrzehnte einen bemerkenswerten Wandel erfaß'
ren. Meinte O. Eißfeldt noch 1964, daß das Ri keinesfalls ein selbständiges
Buch darstelle, sondern zusammen mit Jos, Sam und Kon T<"
eines größeren Zusammenhangs sei, dessen Grundbestand von den
hier teilweise noch weiter laufenden Pentatcuchqucllcn gebil<Jet