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Ausgabe:

1989

Spalte:

259-260

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Società e valori etici 1989

Rezensent:

Wendelborn, Gert

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259

Theologische Litcraturzeitung I 14. Jahrgang 1989 Nr. 4

260

ren und dem Leser somit eine gleichermaßen lehrreiche wie unterhaltsame
Lektüre zu ermöglichen.

Leipzig Wilfried Engemann

' Es sind die Schriften des Thomas von Aquin gewesen, an denen Eco im
Rahmen einer Dissertation seine ersten (zunächst an der Ästhetik orientierten)
semiotischen Urteile exerzierte: // problema estelico in Tommaso d'Aquino,
Bompiani, Mailand 1970.

"' In Anbetracht der in den letzten Jahren etwas unauffälliger geführten
Debatte um die ..Negative Theologie" ist an dieser Stelle zu bemerken, daß Eco
den eben zitierten Essay (..Das Heilige ist keine Mode") im Original bereits
1979 verläßt hat.

Societä e Valori Ktici cristiani e marxisti a confronto. Simposio di
Budapest, 8-10 ottobre 1986. Autori Vari. Rom: Gitta Nuova
Editrice 1987. 348 S. 8 Kart. Lire 40.000.

Im Oktober 1986 versammelten sich in Budapest drei Tage lang
unter Federführung des Sekretariats für die Nichtglaubenden und der
Ungarischen Akademie der Wissenschaften je 15 katholische und
marxistische Wissenschaftler aus 14 europäischen Ländern. Es war
der zweite katholisch-marxistische Dialog nach einer Zusammenkunft
in Ljubljana im März 1984 über „Wissenschaft und Glauben".
Im Februar 1984 waren bei einem christlich-marxistischen Dialog in
Budapest auch evangelische Theologen, wenn auch eher am Rande,
zugegen. Diesmal lautete das Thema „Gesellschaft und ethische
Werte" und war somit vorzüglich geeignet, die jeweiligen geistigen
Grundlagen wie die aktuellen Erfordernisse ins Spiel zu bringen.
ErötTnungsansprachen von Ivan T. Berend und Kard. Paul Poupard
als Vertreter der einladenden Institutionen, die Referate und einige
ausführliche Diskussionsbeiträge sind in diesem in ausschließlich italienischer
Sprache erschienenen Berichtsband samt den Schlußerklärungen
beider Seiten dokumentiert.

Der Ideengehalt dieser Beiträge ist groß, und es ist sehr begrüßenswert
, daß beide Seiten einander nicht als erratische Blöcke gegenübertraten
. Vielmehr trägt jedes Votum sein unverwechselbares Gepräge.
Daß fundamentale Unterschiede klar benannt wurden, ist gut. Jede
Seite wahrte ihre Identität. Ob in allen katholischen Meinungsäußerungen
marxistische Theorie und Praxis adäquat wiedergegeben
wurde, ist eine andere Frage. Unverkennbar ist jedenfalls, daß ein solcher
Dialog seine objektiven und subjektiven Schwierigkeiten hat, so
daß man auch vom Anfangeines Dialogs sprach. Wirklich dialogische
Beiträge standen neben eindrucksvollen oder auch problematischen
Monologen.

Die sechs Themen des Symposiums waren die marxistische und
christliche Sicht des Menschen, das Verständnis der interpersonalen
Beziehungen, Autonomie und Verantwortlichkeit, ethische Werte,
das Verständnis der Arbeit sowie Koexistenz und Kooperation. Auch
Wissenschaftler aus der DDR meldeten sich auf beiden Seiten zu
Wort. Olof Klohr (Warnemünde) beschäftigte sich eingehend mit der
Gerechtigkeit, charakterisierte die sozialistische Gesellschaft als
Gemeinschaftsform realer Gerechtigkeit, so indes, daß diese nicht als
Zustand, sondern als langdauernder Prozeß mit wachsender Realisierung
begriffen wurde. Wolfgang Kliem (Berlin) begründete eingehend
die marxistische Hochschätzung der Arbeit in Fortführung einer langen
humanistischen Tradition, auf dem Ideal des aktiven, kreativen
Menschen aufbauend, das auch sonst in mehreren marxistischen
Referaten ausführlich dargestellt wurde. Stark beachtet wurden die
Ausführungen von Konrad Feiereis (Erfurt), der den komplizierten
Weg des Zueinanderfindens von Christen und Marxisten in der DDR
beschrieb. Als wohltuend an seinem Beitrag empfinde ich einmal die
wache Wahrnehmung einer differenzierteren marxistischen Sicht des
christlichen Glaubens mit den darin auch für die Kooperation liegenden
Chancen und zum andern die klare Erkenntnis, daß heute die
gemeinsame Bewältigung der großen Weltprobleme Vorrang vor allen
ideologischen Gegensätzen gewinnt.

Diese Erkenntnis suchten auch viele marxistische Referenten ihren
Gesprächspartnern zu verdeutlichen, wobei der Beitrag der sowjetischen
Referenten (Boris T. Grigorjan, Viktor I. Garadsha) besondere
Beachtung verdient. Dabei wurde auch aufden Erneuerungsprozeß in
sozialistischen Ländern als Stimulans des Dialogs hingewiesen. Bohu-
mil Nemec (Prag) verwies aber auch auf die aus der Krise der Werte in
der Gegenwart sich ableitenden gemeinsamen Aufgaben. Sehr bedenkenswert
ist der Nachweis von Tadeusz M. Jaroszewski (Warschau),
wie sehr der Mensch im Denken von Marx das Zentrum aller Überlegungen
darstellte. Mehrere marxistische Redner erörterten die dialektische
Sicht des Menschen als Produkt und Produzent seiner materiellen
und geistigen Umwelt. Bewegend liest sich der Vortrag von Eva
Ancsel (Budapest) mit ihrem praktizierten Dialog im Hinblick auf
Moral. Ethos, Schuld und Konfliktsituationen mit einer Fülle beden-
kenswertcr Aspekte.

Auf katholischer Seite konnte Jordi Lopez Camps (Barcelona) in
einem ebenso eindrücklichen wie diskussionsbedürftigen Beitrag von
praktizierter Kooperation in der kommunistischen Partei Kataloniens
berichten. Vorherrschend aber war auf katholischer Seite die
Vorstellung der eigenen Begründung von Sittlichkeit. Nicht Zufällig
spielte dabei in mehreren Referaten die katholische Naturrechtslehre
eine zentrale Rolle, und es wurde deutlich, welche Schwierigkeiten,
aber auch Chancen diese nach wie vor auch zwischen den christlichen
Konfessionen zu erörternde Lehre für Dialog und Kooperation mit
Marxisten mit sich bringt. Es überwogen freilich hier noch die Zweifel
und Einwände, was m. E. einen gewissen Rückfall hinter Johannes
XXIII. und wohl auch Paul VI. bedeutet.

Rostock Ciert Wendelborn

Religionswissenschaft

Jürß, Fritz: Vom Mythos der alten Griechen. Deutungen und Erzählungen
. Leipzig: Reclam 1988. 212 S. m. Abb. 8'. = Reclams Universalbibliothek
, 1230. Kart. M 2,50.

Seit geraumer Zeit linden Wesen und Inhalt des Mythos wieder verstärktes
Interesse. Auch auf dem DDR-Büchermarkt liegt nun ein
bemerkenswerter Beitrag vor. Der Autor, Professor an der Akademie
der Wissenschaften der DDR, unternimmt es, ein breites Leserpublikum
zuverlässig und locker zugleich in die Welt des Mythos der
alten Griechen einzuführen. Die ersten essayistischen Kapitel bestimmen
die Eigenart des Mythos im Verhältnis zu Religion, Kultus-
Logos, Märchen, Sage und Geschichte. Wo der Mythos seine
ursprüngliche Funktion, „die gesellschaftliche Praxis angemessen Zf
repräsentieren", verliert, wandelt er sich zum Märchen und wird
Gegenstand einer üppig wuchernden Einbildungskraft (I 1). So in de1
homerischen Göttersagen. Psychologisch beschreibt J. die mythische
Denkform als gleichzeitige „Subjektivierung der Umwelt und Objektivierung
der Innenwelt des Menschen" (18). Kritisch referiert er die
strukturalistische und die tiefenpsychologische Interpretation des
Mythos. Trotz richtiger Tciieinsichten krankt die erste an der Vernachlässigung
der historischen, die zweite an der Vernachlässigung
der soziologischen Dimension. Für die aufgeklärte Vernunft artikuliert
sich im Mythos „eine Art kollektiver Subjektivität", in der sich
„Typen menschlicher Grundbefindlichkeit, Muster von Verhaltens'
weisen und anderes mehr" verdichten (40).

Nach einer knappen Übersicht über die Quellen geht J. dazu über-
die mythologischen Überlieferungen selbst nachzuzeichnen, bcgi11'
nend mit Hcsiod, endend mit Homer. Das geschieht teils erzählend-
teils reflektierend, durch litcraturgeschichtliche und aktuelle Hi"1'
weise ergänzt, in einem nicht selten salopp-ironischen Stil von hohC
sprachlicher Qualität und imponierender Geschlossenheit. Abschließend
wendet sich J. gegen eine Restauration mythischer Weitsicht-
plädiert aber zugleich für die Unentbehrlichkeit des Mythos, wenn es
um unser legitimes Bedürfnis nach dem Phantastischen, Wunder-