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Ausgabe:

1989

Spalte:

232-233

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Stackhouse, Max L.

Titel/Untertitel:

Apologia 1989

Rezensent:

Planer-Friedrich, Götz

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 3

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Jungmann). Kap. 3 unternimmt wieder den Versuch einer Bündelung
: In Korrespondenz zu den kirchenamtlichen Äußerungen, zugleich
auch in Auseinandersetzung mit ihnen und über sie hinausführend
, entwickelt sich ein „erneuerter, offener Teilnahmebegriff",
eng verbunden mit einem „neuen, kommunitären Kirchenbild",
durch das ein überliefertes „absolut-priesterzentriertes Teilnahmeverständnis
" aufgebrochen wird (301). Nach Meinung des Vf. bedarf
der in der liturgischen Bewegung entwickelte Teilnahmebegriff freilich
einer Ergänzung und Weiterführung in dem Sinne, „daß wir uns
heute vermehrt auf die anthropologischen Hinwege und Realisierungsmöglichkeiten
der aktiven Teilnahme zu konzentrieren haben
(Guardini-Frage!), ohne dabei die wesentlich theologischen Voraussetzungen
solcher Suche zu übergehen" (307).

Teil III (I, 309-528) ist dem II. Vatikanischen Konzil und seinen
Folgen gewidmet. Kap. I untersucht „die Dokumente des Konzils
und die darauffolgenden Entwicklungen", wobei den musikalischen
Elementen aktiver Teilnahme ein eigener Abschnitt vorbehalten ist
(382-427). Kap. 2 behandelt die Verwirklichung des Grundsatzes der
„tätigen Teilnahme" in der Konzilsexegese und in der nachkonzilia-
ren Liturgie; besondere Aufmerksamkeit gilt hier dem Verhältnis von
Priestern und Laien, von Amts- und Taufpriestertum. Kap. 3 schließlich
versucht, die in der Zusammenfassung von Teil 11 erhobene Forderung
nach einer anthropologischen Begründung und systematischtheologischen
Durchdringung des Teilnahmebegriffs wenigstens ansatzweise
zu erfüllen: Gottesdienst wird definiert als kommunikatives
Geschehen, in dem Lebens- und Glaubenserfahrungen aufeinander
bezogen und in gemeinsamem Handeln zum Ausdruck gebracht, in
verdichteter, symbolischer Gestalt dargestellt und vollzogen werden.
Solch „gemeinsames Gestalten des Gestaltetwerdens in Jesus Christus
" (458) setzt unabdingbar die aktive Teilnahme der Gläubigen
voraus. Sakramententheologische Überlegungen (461-520) rühren
zum gleichen Ergebnis: „Sakramentales Symbol-Handeln ist... recht
eigentlich kultisch-kommunikatives Geschehen und dadurch ein
Teilnahmegeschehen ..." (466). Ökumenisch bedeutsam ist die Auseinandersetzung
des Vf. mit einem einseitigen, überbetonten Meß-
opferbegriff und einer - hiermit korrespondierenden - Abwertung des
Mahlcharakters der Eucharistie (Kritik an J. Ratzinger und dem
päpstlichen Gründonnerstagsbrief von 1980, 474-477 u. ö.). Wo er
das Verhältnis von Selbsthingabe Jesu und eucharistischem Handeln
der Kirche positiv zu bestimmen versucht, greift er auf Äußerungen
evangelischer Theologen zurück (482ff). Ein Abschnitt zu den ekkle-
siologischen Aspekten eines erneuerten Teilnahmebegriffs schließt
das Kapitel ab; hier vertritt er ein kommunikatives bzw. partizipatives
Kirchenverständnis, in dessen Rahmen „das Dienstamt als Dienst an
der aktiven Teilnahme aller" (525) erscheint. Ein absolutes „Gegenüber
" des Dienstamtes zur Gemeinde ist schon mit der „Christusstruktur
des Leibes" nicht zu vereinbaren: „Das .Gegenübersein' der
Amtsträger ist... immer wieder an 1 Kor 12 und das dort entfaltete
Leibbild und dessen innere pneumatische Relativität zurückzubinden
" (526). So ergibt sich als Fazit der Untersuchung: „Als Konsequenz
der Bemühungen um die authentischen Feiern des Glaubens im
Volke Gottes hat zu gelten: die absolut-priesterzentrierte Christusrepräsentanz
in diesen Feiern ist zugunsten einer gemeinsamen und
aufeinander bezogenen Christusrepräsentanz aller im Gottesdienst zu
verlassen, wodurch das Amt auf seine eigentliche dienende Funktion
hin relativiert und redimensioniert wird" (528).

Die Untersuchung liefert so einen wichtigen, ökumenisch aufgeschlossenen
Beitrag zu einer umfassenden, anthropologisch wie
theologisch fundierten Theorie des christlichen Gottesdienstes. Daß
sein.Buch (Bd. II enthält die Anmerkungen, Abkürzungen und bibliographischen
Angaben) schon wegen seines Umfangs und der Fülle des
dokumentierten, nur zum Teil wirklich verarbeiteten Materials nicht
leicht zu lesen ist, weiß der Vf. selbst; er empfiehlt daher eine - vom
jeweiligen Lese- und Informationsinteressegeleitete-Auswahllektüre.

Berlin Karl-Heinrich Bicritz

Ökumenik: Allgemeines

Stackhouse, Max L.: Apologia. Contextualization, Globalization, and
Mission in Theological Education. Grand Rapids, MI: Eerdmans
1988. XVI, 237 S. 8'. Kart. £ 10.95.

Die theologische Ausbildung ist nicht nur in Europa in eine Krise
geraten. Die Ursachen dafür sind vielfältig und werden je nach Standort
und Interesse unterschiedlich bewertet. Wie altphilologische
Kenntnisse, human wissenschaftliche Einsichten und Praxisbezug
zusätzlich zum klassisch gewordenen Fächerkanon in das zeitlich
begrenzte Theologiestudium integrierbar sind, das ist der Kern der
viel diskutierten Reform des Theologiestudiums in der DDR. Davon
berichtet Ilse von Loewenclau etwas im Appendix I des vorliegenden
Buches.

Max Stackhouse, der Autor, konzentriert sich auf die Plausibilität
christlicher Wahrheit und die Praktizierbarkeit biblischer Gerechtigkeit
als Kriterien theologischer Ausbildung. Ihn beschäftigt das
„Was" mehr als das „Wie". Zu Recht schreibt Donald Shriver in seinem
Vorwort, das Buch handle gar nicht so sehr von Ausbildung als
vielmehr von Theologie.

Das Buch rekapituliert und reflektiert eine Diskussion, die an der
Andover Newton Theological School (ANTS) in einer Serie von Veranstaltungen
unter den theologischen Lehrkräften geführt wurde-
Diese Hochschule wurde 1807 aus Unzufriedenheit kongregationa-
listischer Kreise mit der „wissenschaftlichen" Theologenausbildung
am Havard College gegründet, ist also ein Produkt der zweiten großen
evangelikalen Erweckungsphase. Die Frage, was ein evangelischer
Gemeindepfarrer wissen und können soll, ist damit nicht ein für allemal
beantwortet. Die Theologengeneration, die heute ausgebildet
wird, soll im 21. Jahrhundert die Präsenz des Christentums in einer
Welt vertreten, deren Konturen sich heute gerade abzeichnen. Ihre
Kennzeichen sind Globalisierung der wesentlichen Menschheitsfragen
einerseits und „kontextuelle" Differenzierung der Problemlösungsversuche
andererseits. Darauf müßte die theologische Ausbildung
mit der Überwindung des Provinzialismus und Konfessionalismus
reagieren, meint Stackhouse. Das erfordert nicht nur eine ökumenische
Dimension in der theologischen Ausbildung, sondern auch
das verständnisvolle Eindringen in „andere" Kulturen und Reh'
gionen. >

Mit Bezugnahme auf George A. Lindbeck (The Naturc of Doctrine.
Philadelphia 1984) spricht Stackhouse von der christlichen Lehre "aS
a cultural-lingustic systern " (119) Es bezieht seine Evidenz aus einem
sowohl sprachlich wie kulturell vermittelten Vorverständnis. Was Wir
dagegen benötigen, ist "a trans-contextual logic . . . to grasp conte*'
tual realities". (117) "That will require a new poetic imagir52tion
(113; vgl. Gordon D. Kaufman, Theologie für das Nuklearzeitalter.
München 1987). Denn die Plausibilität der überlieferten christliche11
Lehre hängt am Paradigma des jeweiligen Weltverständnisses. Unangemessene
Reaktionen auf den Umbruch des Paradigmas sind fundamentalistische
Wagenburgmentalität und avantgardistischer Traditionsabbruch
.

Der Autor hat recht mit der Behauptung, daß die Richtigkeit der
christlichen Lehre (Orthodoxie) und die Angemessenheit des christlichen
Handelns (Orthopraxie) bis zu einem gewissen Grade innerhalb
wie außerhalb der Kirche einsehbar (demonstrable false or true) sei"
müssen. Damit befindet er sich in einer ehrbaren theologische"
Ahnengalerie! Um so mehr verwundert es, daß er ihr nicht eingedenk
ist. Der früheste Zeuge, den er zitiert, ist Schleiermacher. Er legt auch
ausdrücklichen Wert darauf, nicht in die Gefolgschaft der christliche11
Apologeten eingeordnet zu werden. Deshalb verwendet er die lateinische
Form „apologia" an Stelle der englischen "apologetic" zuf
Charakterisierung seines theologischen Standpunkts.

Es ist ein Vorzug dieses Buches, daß der Autor sich nicht scheu''
sich zwischen alle Stühle zu setzen. Er ist fundamentalistisch mit den1
Beharren auf der Wahrheitsfrage, avantgardistisch soweit er ander6