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Ausgabe:

1989

Spalte:

219-222

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Heine, Susanne

Titel/Untertitel:

Wiederbelebung der Göttinnen? 1989

Rezensent:

Janowski, Johanna Christine

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219

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 3

220

4 E. interpretiert sie S. 257IT: Distanz zu Herrmann, eher unter der direkten
Autorität Schleiermachers. Aus Platzgründen muß ich es mir leider versagen,
auf diese Interpretation näher einzugehen.

* U. a. in meinem „Rückblick auf das Bultmann-Gedenkjahr 1984", op. cit.
649.

' S. B.s Brief vom 5. Juni 1972 an mich, z. T. abgedruckt ThLZ 110, 1986,
649, und meinen Deutungsversuch.
7 E. meint das „Wort" als Zentrum des Gemeindegottesdienstes.
" Hg. von B. Jaspert, Darmstadt 1984, 3-24.

Heine, Susanne: Wiederbelebung der Göttinnen? Zur systematischen
Kritik einer feministischen Theologie. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1987.201 S. 8°. Kart. DM 24,80.

Daß es die feministische Theologie nicht gibt, deshalb auch keine
Kritik der feministischen Theologie geben kann, die nicht das immer
differenziertere, kaum noch überschaubare und zunehmend auch von
interner Kritik bestimmte Phänomen feministischer Theologie verfehlen
würde, hat sich ein Stück weit herumgesprochen. Daß im Prozeß
dieser Ausdifferenzierung, die nicht zuletzt zur Unterscheidung
von feministischer Theologie, zumal ehristlicher Prägung, und feministischer
Matriarchats- und Mythenforschung zum Zwecke kultureller
und religiöser Neuorientierung (vgl. Göttinnenfeminismus) führte,
aufgrund gemeinsamer feministischer Interessen und interdisziplinär
zu bearbeitender Sachprobleme mannigfache Vernetzungen bestehen
bleiben, berührt notwendig das Problem der Kritik auch nur einer
bestimmten Spielart feministischer Theologie. - Für beides ist Heine,
feministisch und feminismuskritisch zugleich, in pointierter Weise ein
Beweis:

Ähnlich wie in ihrem Buch „Frauen der frühen Christenheit. Zur
historischen Kritik einer feministischen Theologie" (Göttingen 1986)
und mit ähnlicher methodologischer Stoßrichtung gilt ihre diesmal
primär, wenn auch nicht ausschließlich systematische Kritik trotz der
provozierenden Unbestimmtheit des Untertitels nicht einer jeden,
sondern nur einer Spielart feministischer Theologie (bes. lOf, 163,
1730, die durch den Obertitel „Wiederbelebung der Göttinnen?" sehr
irreführend charakterisiert wird. Denn faktisch richtet sich die Kritik
auch gegen Art und Stellenwert der Suche nach weiblicher Gottes-
metaphorik (1. Kap.), die in verschiedenen Graden aus hier nicht hinreichend
rekonstruierten Gründen die gesamte feministische Theologie
und z. T. nicht nur diese bestimmt (vgl. z. B. den falsch zugeordneten
A. Greeley - 186, Anm. 31), gegen kaum rekonstruierte Problematisierungen
der Zentralstellung eines männlichen Erlösers
(5. Kap.) sowie gegen das Konzept einer „weiblichen Wissenschaft"
(Schlußwort). Und es geht nicht an, dies alles, und dazu noch sehr
selektiv (vgl. bes. den Ausfall des Weisheitsproblems, des Konzepts
einer "reflective mythology" und der verschiedenen, auch außertheologischen
bzw. -religiösen Konzepte „weiblicher Wissenschaft"),
unter das Göttinnenprobem, gar das Problem einer unmittelbaren
W^Werbelebung der fälschlich auf „Naturreligion" (62, 84) reduzierten
(historischen) Göttinnen schlicht zu subsumieren. Ähnliches gilt
für die Kritik an feministischer Matriarchats- und Mythenforschung
(hier vor allem an H. Göttner-Abendroth und G. Weiler - 2. bis
4. Kap.), sojern diese trotz problematischer feministisch-theologischer
Rezeptionen nun einmal nicht einfach unter den Begriff einer
feministischen Theologie, gar einer christlichen, zu subsumieren sind.
Und es gilt um so mehr, als sich diese Kritik relativ unvermittelt mit
der Kritik an „besonders populären" Spielarten feministischer Theologie
verbindet (174), für die nicht nur E. Sorge (ebd.), sondern z. B.
auch E. Moltmann-Wendel (z.B. 150) paradigmatisch sein sollen.
Gerade so, als seien diese beiden theologisch so einfach unter einen
Hut zu bringen, als beträfen die von Heine traktierten Probleme nicht
auch ein Stück weit andere und weniger populäre Spielarten feministischer
Theologie, als sei diese nicht insgesamt aus Gründen, die
Heine z. T. anerkennt (bes. 1721), um der „Vermittlung" bzw. „Rück-
bindung an das Leben willen" durch einen - oft umkippenden -
Abschied von akademischem Hochmut gezeichnet und als ginge die

Auswanderung feministischer Probleme in den "Midcult" (174) nicht
auch zu Lasten einer allzu hochgemuten akademischen Theologie.

Deutlicher noch als in „Frauen der frühen Christenheit" geht es
selbst im Blick auf die kritisierte(n) Spielart(en) um eine Kritik im
Dienste besserer, „schlagkräftigerer" Vermittlung der berechtigten
Intentionen (15). Dazu gehört hier, abgesehen von sozialpolitischen
Grundintentionen der Frauenbewegung (bes. 7ff, 170ff), deren Verwirklichung
Heine durch unkritische Fortschreibung patriarchaler
Weiblichkeitszuschreibungen gefährdet sieht (pass.), die Bejahung der
„Intention auf Ganzheitlichkeit" (15, Hervorh. d. Rez.) und die
Erinnerung an die Grenzen ihrer menschlichen Verwirklichung in
Kritik an unrealistischen, ja - wie es in einem etwas demagogischen
Rundumschlag heißt - „faschistischen" Heilsmythen (7, vgl. 3. und
4. Kap.). Dazu gehört ein relativer Respekt vor der nicht zu verharmlosenden
, ambivalenten (133ff) „Wahrheit des Mythos" (137), der
insofern über sich selbst hinausweist und dem die „nüchterne Klarheit
des Bundes" (149) entgegengesetzt wird (147IT) - leider ohne Auseinandersetzung
mit feministisch-theologischen Einwänden gegen z. B.
dessen Versprachlichung (vgl. Hos). Dazu gehört das Plädoyer für eine
dialektische statt einseitige Integration des an sich selbst ambivalenten
Eros (49 ff), also für „eine ,erotische' Theologie" der Agape, für die
aufgrund eines unklar bleibenden Erosbegriffs zugleich und ohne weitere
Differenzierungen an Biblisches, Kirchenväterliches und genuin
Lutherisches (Kreuzestheologie als Bestätigung der .erotischen Figur:
durch den Tod zum Leben'?) soll angeknüpft werden können (7711)
- gegen feministische Karikaturen der in der Tat sehr viel reicheren
Tradition. Dazu gehört schließlich das Insistieren auf einem „verorteten
", „dem Leben dienlichen Denken", das weder die traditionell der
Frau zugeschriebene Lebenswirklichkeit ausblendet (173) noch diese
mitsamt der entsprechenden Weiblichkeitszuschreibungen (Ontologie
des Weiblichen) unkritisch verabsolutiert (169IT).

Aber stärker noch als in „Frauen der frühen Christenheit" fehlt ein
Anschluß an die mnerfemmistisch-theologischen Ansätze zur Kritik
(statt nur an die gewiß respektable B. Sichtermann). Und dieses
Fehlen muß nicht nur Heines Insistieren auf Differenzierung (12)-
auch auf Differenzierung zwischen „Uniformität" und „Solidarität"
(8). mehr als nötig beschränken. Es muß vor allem zu weiteren Irreführungen
im Blick auf das immer differenziertere Phänomen feministischer
Theologie führen.

Trotzdem ist Heines Buch ein wichtiger Beitrag zu einigen historisch
-systematischen Problemen von Tendenzen innerhalb der feministischen
Theologie (nicht nur des Göttinnenfcminismus), die sich
im Sinne der Einleitung (7ff) sämtlich unter den Titel „Wider die
Kopflosigkeit des Herzens" bringen ließen. So wird gegenüber einer
gewissen feministischen Systematikphobie an die Notwendigkeit
systematisch-theoretischer Reflexion (1211) - auch methodenkritischer
SWZwfreflexion - in Appell an die „Fähigkeit zur Gegenprobe'
(12, vgl. 169ffu. pass.) erinnert, ohne die ideologiekritischen Impulse
ins Ideologische (bes. 9) umschlagen zu lassen. Und es wird derart
daran erinnert, daß die Art solcher Reflexion ebenso vom prae- und
außerfeministischen Geist absoluter Systembildung (130 oder in
schlechter Weise abstrakter Theoriebildung (1720 abgesetzt wird wie
von innerfeministischen Systemzwängen, Totalitarismen und entsprechenden
(z. B. naturalistischen) Kurzschlüssen (40, 82, 90 IT-
127IT, 176IT), die im „Terror der Empirie" (128) oder der Psychologie
(164) und der entsprechenden Unterbestimmung des Wahrheitsproblems
(bes. 178) verborgen sind. So wird gegenüber gewissen Naivitäten
, die z. B. den Mißbrauch der Gotlesrede (vgl. „theokratischd'
Kurzschluß") nur auf weiblich wiederholen, für die „Anstrengung der
Analogie" plädiert (43fT). So wird die historisch-systematische Ambivalenz
auch der Göttinnen (49fT), ihrer „antisemitischen" (z. B. I5>
291) Beerbungen, generell weiblicher Gottesmctaphorik (37 IT) und des
Eros (49IT) herausgestellt. So wird die schon praefeministisch formulierte
und kritisierte These vom Matriarchat als verlorenem Paradies
(861T) samt ihres partiellen - und zwar systematischen! - Stellenwertes
als bloße Hypothese mit mangelnder Verifikationsbasis unter ironi-