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Ausgabe: | 1989 |
Spalte: | 210-211 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Neuzeit |
Autor/Hrsg.: | Lindner, Helgo |
Titel/Untertitel: | J. G. Hamann 1989 |
Rezensent: | Seils, Martin |
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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 3
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-Reicht uns eine Theologie des Wortes? Wandeln uns Worte? Abt. Sozialethik, im Fachbereich Ev. Theologie der Universität
■ Kommt Gott für uns im Wort?" (108) T. ist verwundert, daß Hamburg entstand und als Dissertation angenommen wurde,
utner-gesehen als Herold einer den konkreten Menschen möglichst D .. „ . ,„.
nicht K u Benin Rudolf Mau
1 oeachtenden Lehre - sich durch die „existenzerschütternde
evanz" der Rechtfertigung durch Christus dazu bringen läßt, „sich
entgegen seinem eigenen Vorhaben ... zuhöchst individuell-persön- Lindner, Helgo: J. G. Hamann. Aufbruch zu biblischem Denken in
J*. die lehrhafte Einfassung sprengend, verständlich zu machen" df^ ^/t^T* ^"-^ „BrUn"e"/Ye0riag I988'
« <»• Aber angesichts einer breit ausgemalten Vielfalt heutiger 558 8 = TVG-Theo.og.e und Dienst, 54. Kart. DM 7,80.
S?1"?1" M'Seren "Sl CS fÜr T- inakzePtabe1' mit Luther die Helgo Lindner hat die hier zusammengefaßten und sämtlich bereits
Profil d6S Menschen auf Werkgerechtigkeit und Selbst- auch anderswo veröffentlichten (jetzt aber mit angefügten Ergänzun-
überA 7 nfSUcht vor Gott zu reduzieren ('1 lf; Luthers Gedanken gen und Weiterführungen versehenen) Beiträge auf Ferienseminaren
feldesl h Un<^ beiden bleiben offenbar außerhalb des Gesichts- der Pfarrergebetsbruderschaft gehalten, die der evangelikalen Rich-
'denti h" AS° eCnÜ8C CS aUCh n'Chl' S'Ch 3Uf eiHe StCtS m'1 S'Ch Se'bSt tung nahesteht. Man scheint sich hier mit einer bisher nicht gekannten
Die t tWort und Tat (Christi Kreuz) zu beziehen (112f)- Intensität und Umfänglichkeit mit Hamann zu befassen. Das hat aber
zum nnbar gravierendsten Einwände gegen Luther ergeben sich _ was Lindner durchaus bewußt ist - seine eigenen Traditionslinien,
stisch a."Liebe" Gerügt wird Luthers (angeblich) rein aktivi- Hamann hat eine Lese- und Interpretationsgeschichte in den Kreisen
ElemeT'13"^ AufTassung von Nächstenliebe, das Fehlen des der deutSchen Erweckungsbewegung. Er ist außerdem für einige in
Kennt" ^ °Üte <WUrdC Luthers Auslegung von Gal 5<22 &nz zur diesen Kreisen beachtete Theologen, insbesondere Martin Kähler und
Nach«'5 8enornrnen?>' die damit gegebene demütigende Sicht des Ott0 Miche|, von anregender und bestätigender Bedeutung ge-
bibl Schwachen- Beklagt wird das Fehlen der (allenfalls in wesen.
(320fCh3esTm°rmeln ßenannten) ..kommunikativ-reziproken Liebe" In einem ersten Aufsatz beschäftigt sich Lindner mit Hamanns Lon-
WeichV'nn Zumutung einer Liebe' die servil "immer nur doner Bekehrungserlebnis im Jahre 1758 und der Bibelhermeneutik,
überford Knechtschaft und Dienst ist'den Menschen ständig die ihm zugrunde liegt und von ihm begründet wird. „In dieser Lehre
H'er Kib^11' Dimension des E'gen'nteresses vernachlässigt (416). von der Heiiigen Schrift steht die Menschlichkeit der Schrift nicht im
D'e Fra " ZWeifellos wichtige, sehr zu beachtende Problemaspekte. widerstreit mit ihrer Inspiration" (S. 18). Ein zweiter Aufsatz gilt
genomnf "* °b "icht LUther SC'bSt Z' T' ^ verkürzt wahr" Hamanns Ansichten über Bibel und Offenbarung, wie sie sich im
tutiven e" Wlrd und zur Karikatur gerat- Da T. den für Luther konsti- ersten Brief des „Kleeblattes Hellenistischer Briefe" aus dem Jahre
8e,Ws'h "ft™6" Zusammenhang von Glauben (fiducia, Christen- 1759 (veröffentlicht 1762) finden. „Wir haben eine Verbalinspira-
?ur Fremdf Uebe 3US dem BI'Ck verliert' wird die Liebe Selbst tionslehre vor uns, die nicht in einer behaupteten Vollkommenheit
"achhalt ,derung' zum Perfektionsanspruch, der „machtvoll und der Bibel ihre Stoßrichtung hat, sondern im Lobpreis des erhabenen
lich dasD reziprok'kommunikative L'ebe „verhindert", näm- Gottes> der gerade den Weg der humilitas geht, um seine Herrschaft
Sympath- "rchdringen zu der Überlegung, wie wir unserer Liebe oder auszubreiten und Menschen zu gewinnen" (S. 28). An dritter Stelle
men Aud Uck verleihen wollen, .. .mit dem Anderen zusam- stenen zwö]f Thesen über Kant und Hamann. Durch Hamanns in
f°rderunS rUcksmog,ichkciten entdecken, die jenseits von Fremd- Auseinandersetzung mit Kant entwickelte Gedanken über Vernunft
Gerade ""^ eingeforderter Schuldigkeit stehen" (511). und Sprache „erfolgt... die (Wieder-) Einfügung der Vernunft in die
nis GottZUVerniChtendwirddasUrteilÜbcrLutherSGOtteSVerStänd" Lebenszusammenhänge von Natur, Geschichte und Offenbarung"
tigt- ja so^ S'Ch ZU dem -Vcrlorenen" herabbeugende Liebe „demü- (s 33) Der )etzte Aufsatz befaßt sich mit dem Briefwechsel zwischen
dete Luth^ be'eidigt" den Menschen (507). „Immer wieder befrem- Kant und Hamann, der entstand, als Kant Hamann gebeten hatte,
Seir,er selh^ Zuspitzung"' wonach Gott den Menschen nicht um ihm bei der Abfassung einer Physik für Kinder behilflich zu sein'
sPrechen"Ss S°ndem um chnsti willen liebt („so läßt Luther Christus Lindner beklagt Kants Zurückhaltung, nachdem Hamann ihm erklärt
run8 und A bezogen auf Luthers als solche nicht erkannte Zitie- natte zur Verwirklichung des Planes müsse er erst einmal versuchen,
dert Luth egung von J°h 16,27; vgl. 25, I35,544,603).Soverhin- sicn in ein Kjnd zu verwandeln. „Scheitert Kommunikation, so
dieses ^Tf G°U' "der nicht .einfach' Liebe ist, daß der Mensch in gelingt auch das Sagen von Wahrheit nicht. Hamann leidet zutiefst
(5°8); se"1 3Che' eingeht • ■ • und selbst an Liebesfähigkeit gewinnt" darunter, daß Kant nicht verstehen kann oder will, was er ihm sagt"
Eg0Zg Go,tesverständnis (anscheinend nicht die permanente (s. 41).
Gott" p deS Mcnschen) verhindert „eine vorbehaltlose Liebe zu Lindner weiß, daß „der bibelhermeneutische Zugang zu Ha-
dern Ich S btLuthers Denken eine letzte Fremdheit zwischen mann manchem als einseitig vorkommen" (S. 7) mag. Es ist auch
ren"* (514>nd G0U- dem Ich und sich xlbsU dem Ich und dem Ande- sehr fragijcri, ob Hamann wirklich eine Verbalinspirations/e/w hat
Die Arb entwickeln wollen. Man muß zudem, wenn schon, sehr genau zu
auch me ^i! beeindruckt den Leser durch die engagierte, vielfach bestimmen suchen, worauf die „Inspiration" nach Hamann sich rich-
"Liebe- llch bewegende Thematisierung des großen Anliegens ,et; Buchstaben, Wörter, Sätze, Bedeutungen, Sachverhalte? Und
ErfülIUn„Cn.8 verb>Jnden mit der stets präsenten Frage nach Sinn und natürlich ist Hamanns Denken viel weiter, als sich dies zeigt, wenn
b'emanz e'8ener Existenz. In bezug auf Luther vermittelt sie Pro- man jhn auf der Linie von Bibel und Offenbarung und Vernunft und
^ndnisse'86]" ab°r auf Grund eines vielfach unzureichenden Ver- Wirklichkeit befragt. Doch Lindner konzentriert zwar, aber er verengt
nicht ejB S Erkenntnisgewinn. Entscheidende Fragen treffen im Qrunde njcht, er kennt Hamanns ganzen Gedankenkreis. Und er
'Paulus 'Cb Lutner- sondern die biblischen Grundlagen selbst gibt zur Kenntnis, was an Hamanns Denken immer wieder auch wich-
"Fremdh .anne'SChe Theol°gie - auch Lk 15 - auf der Seite der tjg und geSchichtsträchtig gewesen ist: der Gedanke an Gottes drei-
de" Vor] Cl1 ' "viesuanische' Bewegung" und das „Systemsprengen- fa|tige Kondeszendenz und eine Bibelbezogenheit, die den Grund-
n'cht refl Sabbathandlungen als gelegentlich aufblitzende, aber jntentionen der Aufklärung standgehalten hat und dabei einen neuen
UndderUC °r'entierung; "4, 311). Sprache, Stil, Methodik und fruchtbaren hermeneutischen Ansatz gewann. Insofern sie dies
^erkwü dmgangrri't dem Kontext der Forschung (bis hin zu manchen kenntnisreich herausstellt, kann die Lindnersche Aufsatzsammlung
Verratenr '8 Und zahlreichcn Fehlern im Literaturverzeichnis) einen nützlichen Dienst tun.
keit. Den'k Cn 'ockcren Umgang mit sonst üblicher Wissenschaftlich- Zu zwej der von Lindner behandelten Hamann-Texte gibt es jetzt Abhand-
die Arb ' C'gegebenen biographischen Notizen entnimmt man, daß lungen auch in dem Hamann gewidmeten und von O. Bayer, B. Gajek und J.
Schaftr t" dCF 'm Zusammenhang ihrer Tätigkeit als wissen- Simon herausgegebenen „Insel Almanach auf das Jahr 1988". Frank Simon:
lche Mitarbeiterin im Seminar für Systematische Theologie, „Dialektik und Hellenismus. .Kleeblatt hellenistischer Briefe'" (S. 53-61).