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Ausgabe:

1989

Spalte:

195-197

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schnider, Franz

Titel/Untertitel:

Studien zum neutestamentlichen Briefformular 1989

Rezensent:

Schenk, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 3

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geeignet, während Sachregister auf bestimmte Textgruppen (bzw. Einzelschriften
) bezogen sein sollten.

Zum Schluß sei noch auf drei einzelne profilbestimmende Charakteristika
des Werkes ausdrücklich hingewiesen:

1. Dies Register ist mit Vorbedacht so angelegt worden, daß es auch
Tür solche Benutzer geeignet ist, die sich in der koptischen Sprache
nicht sicher fühlen, bzw. für Forscher, die wohl an der Sache interessiert
sind, aber nicht die Absicht haben, professionelle Koptologen
zu werden. So findet sich bei jedem koptischen Lemma eine Zahl, die
die Seite des Koptischen Handwörterbuches von Westendorf angibt,
auf der man Näheres über das betreffende Wort erfahren kann, und
auch die Querverweise erfolgen mit Hilfe dieser Westendorf-Zahlen.
Auch der sehr übersichtliche, ja geradezu lesbare Deutsche Index
(S. 345-383) dürfte diesem Zwecke dienen. Diese Öffnung für viele ist
m. E. eine gute Idee. Die Erschließung der Hag-Hammadi-Texte
braucht jeden interessierten Mann, und: Wehe, wenn das die Koptologen
allein machen würden!

2. In diesem Register scheinen mir die griechischen Wörter und
überhaupt die hinter dem Koptischen vorauszusetzende griechische
Urgestalt eine besondere Betonung zu tragen. Das ist auch zunächst
einmal ganz berechtigt, insofern als unsere koptischen (Über-
setzungs-) Texte ja die ursprüngliche Botschaft nur in „abgeleiteter"
Form repräsentieren. So ist jeder Rest des ursprünglichen griechischen
Wortlauts bzw. jeder begründete Rückschluß auf ihn von großer
Wichtigkeit. Nur darf man das nicht - und auch nicht die einschlägigen
Aussagen von Böhlig (S. Vif) - so verstehen, als sei das Koptische
von Natur aus gar nicht in der Lage, kompliziertere Gedanken
auszudrücken. Und andererseits darf man nicht denken, daß die griechischen
Elemente der koptischen Texte einfach erhalten gebliebene
Bestandteile des Urtextes sind. In dem einschlägigen Satz Siegerts:
„Sie dürften zum Teil den Ausdrücken der verlorengegangenen griechischen
Vorlagen entsprechen" (S. XII) ist das „zum Teil" ganz dick
zu unterstreichen.

3. Das Register widmet besondere Aufmerksamkeit der Wiedergabe
von Wortfeldern (vgl. S. XIV). Der Einbeziehung von anderen Wörtern
aus dem jeweiligen durch das Lemma angesprochenen Feld dient
ein besonderes Zeichen- und Notierungssystem, das zunächst vielleicht
ein bißchen irritierend wirkt, sich dann aber doch (wenigstens)
als funktionierend und wohldurchdacht erweist. Jedenfalls gehört dieser
Aspekt wohl zum ureigensten Anliegen des ganzen Tübinger Projekts
.

Berlin Hans-Martin Schenke

Sehnider. Franz, u. Werner Stenger: Studien zum neutestamentlichen
Briefformular. Leiden: Brill 1987. VIII, 191 S. gr. 8" = New Testament
Tools and Studies, 11. Lw. hfl 70.-.

Die bewährte Arbeitsgemeinschaft der beiden Schüler F. Mußners
hat uns durch ein neues Ergebnis dieser (leider so seltenen, aber in der
gegenseitigen Anregung wie Korrektur förderlichen) Teamarbeit
bereichert. Der Gegenstand, dem sie sich diesmal zugewandt haben,
ist die in den letzten Jahrzehnten besonders häufig diskutierte Frage
der Spezifika epistolischer Rede. Damit wird nicht nur der Stand der
Forschung umfassend dokumentiert, sondern es werden auch weiterführend
neue Sichtweisen aus Blickwinkeln vorgelegt, die der Forschung
zu wesentlichen Impulsen verhelfen. Die Ergebnisse der antiken
Brieftheorie und Brieftopik finden eine zusammenfassende Anwendung
(vgl. auch 168-181, Anhang: Epistolare Formeln). Die Beiträge
der Rhetorikforschung werden kritisch rezipiert unter Berücksichtigung
der wesentlichen Einsicht, daß die Briefe als solche mehr in
den Bereich der Dialogik als der Rhetorik gehören (51). Der Primat
der Synchronie wird nicht auf die schiefe Bahn zu einer Achronie hin
gebracht, sondern bildet die Basis für diachronische Weiterführungen,
was sich in der Darstellung der nachapostolisch Pseudonymen Entwicklungen
als Modifikationen in jedem einzelnen Paragraphen sinnvoll
und hilfreich ausdrückt (nicht nur durch den eingebrachten Profit

der Arbeiten Stengers zu den Pastoralbriefen). Leider hat das Buch
keine Indices; das Literaturverzeichnis ist auf die Spezialliteratur
begrenzt (182-191 - dabei ist 186 leider Lindemann 1977 zu Lüdemann
verrutscht).

Der erste Teil des Buches behandelt den Briefanfang (3-68). Bei der
Analyse der dreiteiligen Präskripts haben die Autoren die paradigmatisch
angelegten Analysen meines Philipperkommentars (1984)
dankenswerterweise einer ersten Geltungsprüfung unterworfen und
sind zu einer wesentlichen Bestätigung gekommen, die sie durch
weiterführende Argumente verstärkt haben. Hinsichtlich der brieflichen
Danksagung gelingt ihnen eine Präzisierung der Abgrenzung
wie der Bestimmung der syntaktischen und semantischen Struktur.
Das wird vor allem dadurch erreicht, daß die Rolle der „Kundgabe"
("disclosure")-Formel in ihrer strukturbestimmenden Funktion gesehen
und so auch die „briefliche Selbstempfehlung" als besonderer
und abschließender Teil des Briefeingangs deutlicher (nach Eröff-
nungs- und Schlußsignalen) herausgearbeitet werden konnte. Mögliche
Konsequenzen werden behutsam angedeutet, wie etwa bezüglich
1 Kor 15 als eines möglicherweise selbständigen Brieffragments
(53 Anm. 11). Nicht überzeugt hat mich die Absicht, IKor 1,10-4,21
als „besonders ausgedehnten Selbstempfehlungsabschnitt" zu erweisen
(57f, 99), während für meine eigene Bestimmung als eines eigenen
Brieffragments hier eine (bei Schnider/Stenger leider unterlassene)
Anwendung der unterschiedlichen Signalfunklion der (für Korpus-
Eröffnung einerseits wie Schlußparänese andererseits unterschiedlich
geformten) Tta/xixaAw-Sätzc signifikant gewesen wäre.

Der zweite Buchteil behandelt den Briefschluß (71-167) mit seinen
beiden Komplexen „Schlußparänese" und „Postskript". Über die bisher
registrierten Elemente hinaus wird hier der Schritt zu ihrer Strukturierung
unternommen. Dabei ergibt sich als makrostrukturelles
Briefschlußschema: Die einleitende Schlußparänese (mit möglicher
Bemerkung zum Briefzweck als solchem wie mit Hinweisen zur apostolischen
Parusie) mündet in den Friedenswunsch (die Stellenangaben
87 sind in Unordnung), der eine erste Inclusio zur Eingangs-
Salutatio bildet (eventuell durch die Bitte um Fürbitte ergänzt). Beim
abschließenden Postskript ist genauer zwischen „Grußauftrag" und
„Grußausrichtung" unterschieden; es wird durch den „Gnadenwunsch
" (chiastisch fortgesetzte Inclusio zur Eingangs-Salutatio) abgeschlossen
, der die Funktion hat, der abschließende Gruß des Briefschreibers
selbst an die Adressaten zu sein. Die meisten (aber analogen
) Probleme stellen dabei Rom 15-16 und Phil; mir ist nicht
einsichtig geworden, warum die für Phil bejahte, literarkritische
Lösung als Fragmente nicht auch für den Rom veranschlagt wurdesondern
dieser (unter Ausschaltung von Rom 16,17-20 als nachpauli-
nischer Interpolation) durch die Bestimmung der doch analogen
Dubletten als Repititionen einheitlich erklärt werden soll (72, 74.
820.

Hinsichtlich der wiederholt verwendeten Kategorien sind an zwei
Stellen weiterführende Präzisierungen nötig: Trotz aller Bemühungen
scheint mir bei den Grußwünschen die (strikt zu meidende) Kategorie
„Segen" immer noch zu schillernd („Wunsch" - „Zuspruch"?) verwendet
(vgl.dgg. W. Schenk', Der Segen im NT, 1967,88IT); vor allem
nimmt die (unkontrolliert aus der christlichen Liturgiegeschichte
übernommene und) immer noch unbedacht benutzte Kategorie
„Schlußsegen" (89f, 133, 155) nicht zur Kenntnis, daß der synagogale
„Segen" (abgesehen von seiner Bindung an die Leviten, der ohne
deren Anwesenheit gar nicht stattfand) eben gerade keine solche
Schlußstellung und auch keine Abschlußfunktion hatte.

Von größerem Gewicht ist die zu weit definierte Kategorie „Apostel
" (schon 7ff kann nicht die Verwendung gegenüber der Nichtver-
wendung im Präskript im Verhältnis 4:3 als „Normalform" bestimmt
werden) und gar erst des viel späteren, kirchcnrechtlich getönten
Adjektivs „apostolisch" (vgl. 83 die Zufügung zu IThcss5,13 ohne
zureichenden Grund; dgg. grundsätzlich E. Best 1986, Paul's Aposto-
lic Authority, JSNT 27,3-25.21: "I find it an enlightcning exercisc.
when I am readingbooks about Paul andencounterthe adjective'apo-