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Ausgabe:

1988

Spalte:

174-175

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Müller, Hans-Peter

Titel/Untertitel:

Die Rāmakrishna-Bewegung 1988

Rezensent:

Lanczkowski, Günter

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Theologische Literaturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 3

neuen Glaubensbekenntnis), R. Leuenberger: Paradigmawechsel in
der Volkskirche? J. M. Lochman: Die Zukunft der Kirche: Verhältnisse
und Verheißungen; C. Meier („Wider die Verteufelung emanzi-
patorischer Arbeit in der Kirche"). - Der Verbindung von Theologie
und Humanwissenschaften gelten Überlegungen von D. Stollberg.
H.-J. Thilo, K. Wegenast und K. Winklcr, über „Kult und Kunst"
schreibt A. Müller. Zum Problem des Begriffs der Praktischen Theologie
äußert sich D. Rösslcr. Gedanken über „Kasualpraxis und Wis-
senschaftskrise" von R. Bohren, zur Phänomenologie des Gesprächs
von H. Ott, zur Ostcrpredigt von G. Otto, Arbeitsblätter für einen
Einführungskurs in das Theologiestudium von T. Bonhoeffer und
exegetische Beiträge zu Mt 5,3 (K.-P. Jörns) sowie lThess4,3-8
(H. Ulonska) ergänzen den bunten Strauß, der W. Neidhart mit diesem
Doppelheft der ThZ überreicht wurde, und der ihn, wie ein schönes
Bild zeigt, sichtlich erfreute.

E.W.

Religionswissenschaft

Long, Charles H.: Significations. Signs. Symbols, and Images in the
Interpretation of Religion. Philadelphia, PA: Fortrcss Press 1986.
VIII. 207 S. gr. 8'.

Charles Long ist Rcligionswissenschaftler aus einem theologischen
Umfeld heraus. Er hat Karl Barth bei seinem Besuch in der University
°f Chicago Divinity School ausführlich interviewt, was dieser im Vorwort
seiner Evangelical Thcology: An Introduction wie folgt wiedergibt
: „Wie gefällt Ihnen dieses seltsame Land, genannt Vereinigte
Staaten? So fragte auch ein schwarzer theologischer Kollege (diesmal
kein Katholik, sondern ein Kollege mit schwarzer Haut) mit verhaltenem
Lächeln kurz nach meiner Ankunft." (S. 133)

Er ist eine führende Gestalt in einer Bewegung, die zu einem
raschen Wachstum der Anzahl von religionswissenschaftlichen Abteilungen
an nordamerikanischen Hochschulen geführt hat: Mitbegründer
der Zeitschrift "Journal of the History of Religions"; war
Präsident des Fachgremiums "American Academy of Religion". Ein
Schüler von Joachim Wach, stark beeinflußt von Rudolf Otto und
Gerardus van der Leeuw, geht er von der systematischen Religionswissenschaft
auf die Religionsgeschichte zu. Er widmet sich in diesem
Band ganz überwiegend den grundlegenden Methodenfragen.

C>er Band umfaßt zwölf Abschnitte, von denen neun früher, d. h.
zwischen 1967 und 1983, bereits an anderer Stelle als Referat gehalten
und abgedruckt sind. Also eine Aufsatzsammlung, jetzt systematisch
gegliedert; I. Religion und das Studium von Religion: II. Religion und
Kultur-Kontakt; III. Schatten und Symbole amerikanischer Religion
.

'n keinem Beitrag kann man übersehen, daß hierein hochgebildeter
Schwarzer in den USA nach dem Ende der Epoche des direkten
Kolonialismus spricht. Hochgebildet - sein Englisch macht es dem
Leser anderer Nationen nicht immer gerade leicht. So führt er in das
Thema ein, indem er zwei Aussagen über "Signification" voranstellt:
Ein Negro-Sprichwort: "Signifying is worse than lying" - Anspielungen
machen kann schlimmer sein als lügen. Und er macht deutlich,
daß ein Negro in den USA sich in einer Situation vorfindet, die voller
Anspielungen ist. die ihn negativ treffen; es ist eine erlittene Situation.
Die andere Aussage: Die Verbindung zwischen dem "Signifyer", dem
Symbol, und dem, was gemeint ist, ist willkürlich (Ferdinand de Saus-
^Urc), also eine Aussage aus der hermeneutischen Thcoriebildung. Ein
Übersetzer hätte mit etlichen Passagen also seine Mühe. Hochgebildet
akademisch erscheint C. Long auch, indem er von jeder direkteren
Parteilichen Aussage, etwa der "Black Theology" - wie übrigens von
änderen Theologien auch -, reflektiert Abstand hält und doch nie
e'nen Zweifel daran läßt, daß er zu denen gehört, die bis dahin
Ur|sichtbar und ausgeschlossen waren.

Im ersten Beitrag (The Study of Religion: Its Nature and its
Discourse) geht er an Hand der Gestalt von Max Müller den Wurzeln
von Religionswissenschaft in Romantik und (Sanskrit-)Philologic
nach. Der zweite Beitrag (Prolegomena to a Religious Hermeneutic)
macht Gebrauch von R. Otto und Mircea Eliade, betont aber den
„Riß" in dem Entwurf einer „heilen Welt": auf der einen Seite steht
im Mythos die Sehnsucht nach heilem Sein, auf der anderen Seite
steht das Verlangen nach menschlicher Autonomie. Der dritte Beitrag
"Archaism and Hermeneutics" versucht den Graben zwischen historischer
und systematischer Religionswissenschaft zu überbrücken,
indem er die Aufgabe stellt, die bizarren Daten der Religion herme-
neutisch zu erschließen. "Silence and Signification" (Kap. 4) nähert
sich dem Grenzwert eines qualifizierten Schweigens. Die nächsten
vier Beiträge haben es mit „Demaskierungen" zu tun. Da ist die
Spannung zwischen den bizarren Daten der Rcligionsgeschichte und
der Tendenz der ordnenden Rationalität (Kap. 5), aber auch auf der
Landkarte die zwischen den Machtzentren - die Wissenschaft betreiben
- und den nichtzivilisierten, die beides erleiden (Kap. 6). Die Entdecker
als Pilger, die Deutung ihrer Entdeckungen - und die nicht
beachteten oder unterdrückten Deutungen derselben Vorgänge von
der anderen Seite beschäftigt Kap. 7. Kap. 8 behandelt Kargo-Kulte-
und in allen diesen vier Kapiteln beharrt der Vf. darauf, daß die bisher
nicht beachtete Seite menschlicher Erfahrung wesentlich zu den
Grundlagen der Gegenwart gehört. Die letzten vier Kapitel kreisen
dann um die Frage, welche Bedeutung die afrikanische und indianische
Erfahrung für die Gegenwart hat; welche Spuren und Narben sie
in der bisherigen weißen Tradition Nordamerikas hinterlassen hat.

Long wirkt, schaut man auf seinen Stoff und die verwendete Literatur
, wie ein Kulturkritiker, der mit den Methoden der Geistesgeschichte
arbeitet; aber seine Formulierungen wesentlicher Grundfragen
der systematischen Religionswissenschaft sind sehr beachtlich
.

Erlangen Niels-Peter Moritzen

Müller, Hans-Peter: Die Ramakrishna-Bewegung. Studien zu ihrer
Entstehung, Verbreitung und Gestalt. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1986. VII, 286 S. 8'= Missionswissenschaftliche
Forschungen, 18. Kart. DM 35,-.

Der bengalische Brahmane Chattopadhyaya (1836-1886), der
unter seinem Asketennamen Ramakrishna bekannt geworden ist,
gehörte im 19. Jh. zu den bedeutendsten Gestalten jenes Reformhinduismus
, der religiöse Intentionen Indiens zunächst mit islamischen
und später in noch verstärktem Maße mit christlichen Anregungen
verband. Der ekstatisch veranlagte Ramakrishna erlebte sowohl
als Tempelpriester der indischen Göttin Kali als auch unter
islamischem und christlichem Einfluß Visionen, die ihn zu der Überzeugung
führten, daß alle Religionen gleichermaßen wahr seien. Im
Mittelpunkt seines Frömmigkeitslebens stand dabei die Liebe zu Kali,
die er als „göttliche Mutter" verehrte. Ramakrishnas bedeutendster
Schüler war Vivekananda (1862-1902), der mit der 1897 in Kalkutta
vollzogenen Begründung der „Ramakrishna-Mission" die Ideen
seines Meisters im Hinblick auf eine übergreifende Synthese der Religionen
, aber auch durch den Dienst für Notleidende zu verbreiten
suchte.

Auf Ramakrishna hatte in Europa frühzeitig der Oxforder Indologe
und Religionswissenschaftler Friedrich Max Müller aufmerksam
gemacht . Größere Breitenwirkung erzielte eine Darstellung durch
den französischen Schriftsteller Romain Rolland2. Die vorliegende
Publikation, die aus einer von der Münchener Evangelisch-Theologischen
Fakultät angenommenen Dissertation hervorging, greift
diese Thematik noch einmal auf und bietet in deutscher Sprache die
umfangreichste Darstellung, die auf einem Studium der Quellenschriften
und einer inzwischen über Ramakrishna und den Reform-
hinduismus in reichem Maße veröffentlichten Sekundärliteratur