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Ausgabe:

1988

Spalte:

172-173

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Festschrift für Walter Neidhart 1988

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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Theologische Literaturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 3

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verstanden hat. Daraus ergeben sich für T. bemerkenswerte Anfragen
an eine allzu starre moraltheologische Theorie und kirchenrechtliche
Praxis. - In einem Beitrag zum Lutherjahr 1983 müht sich T. Vogel
um „Strukturen und Entscheidungen der Zwei-Reiche-Lehre bei
Luther" (85-104). In Gestalt von Thesen, die kommentiert werden,
treten die wesentlichen Aussagen dieser kaum in die Bekenntnisschriften
eingegangenen Lehre über Gottes Handeln wie über das Leben
und Handeln des Christen in beiden Reichen prägnant hervor. Wohltuend
kritisch wird abschließend auf Grenzen der praktischen Anwendung
in der Reformationszeit hingewiesen. - E. Koch lenkt die
Aufmerksamkeit auf die wenig beachtete Literaturgattung der Luther-
florilegien in der zweiten Hälfte des 16. Jh. (105-117). Das sich in ihr
manifestierende Lutherbild zeichnet den Reformator als Propheten,
als Lehrer, als Tröster. Was interessiert, ist sein Beitrag für das unmittelbar
geistliche Leben im Gegenzug zu Tendenzen einer einseitig
spekulativ-intellektualistischen Theologie. - G. Wiederanders skizziert
unter dem Zitat: „Laß dich gelüsten nach der Männer Bildung,
Kunst, Weisheit und Ehre" Schleiermachers Beitrag zur Emanzipation
der Frau (119-129). Als Quellen dienen sein Tür das „Athenäum"
geschriebener „Katechismus der Vernunft für edle Frauen", seine
„Vertrauten Briefe über Lucinde", die kleine Schrift „Die Weihnachtsfeier
" und die Hausstandspredigt über Eph 5,22-31. Biographische
Informationen über wichtige Frauen in Schleiermachers Leben
wie über seine eigene Ehe ergänzen das Bild von der Frau als
selbständiger und anregender Partnerin des Mannes. - Unter der
Überschrift „Kindlichkeit und Glaubensreifung" leistet G. Steege
einen hilfreichen Beitrag zur theologischen und psychologischen Auseinandersetzung
mit der Religionskritik bei Sigmund Freud
(131-159). Der gedanklich und biographisch erläuterten These
Freuds von der „Fixierung eines psychischen Infantilismus" durch die
Religion setzt S. die neutestamentliche Doppelaussage vom Kindsein
vor Gott und von der notwendigen Glaubensreifung sowie Tillichs
Verständnis von Heiligung als Prozeß entgegen, um von daher theologisch
wie psychologisch die Forderung der Gleichzeitigkeit von
Kindsein und Reifung im Glauben einsichtig zu machen. Auf diesem
Hintergrund wird es möglich, das relative Recht von Freuds Kritik
anzuerkennen, zugleich aber ihre prinzipielle Einseitigkeit herauszustellen
, die darin besteht, daß Freund sich ausschließlich mit Zerrbildern
echter Religiosität beschäftigt. Markierungen Tür erwachsenes
Christsein beschließen den wichtigen Aufsatz. - W. Wittenberger
macht mit einem 1944 von Hromädka in Amerika publizierten Aufsatz
: „Das sowjetische Rätsel" bekannt (161-171). Mit der leider nur
teilweise wörtlichen Dokumentation verbindet sich der Versuch der
Interpretation, die Hromädkas sowjetfreundliche Sicht der weltpolitischen
Konstellation von 1944 zu verstehen bemüht ist. In der Ernennung
Sergius' zum Patriarchen sieht Hromädka einen für den westlichen
Menschen möglichen Anknüpfungspunkt für Zusammenarbeit
. - In Weiterführung seiner in ThV XIV, 75-92, geäußerten kritischen
Anmerkungen zu G. Sauters wissenschaftstheoretischem
Konzept fragt W. Pfüller unter der provozierenden Überschrift:
„Theologie aus Empirie" nach der Begründung theologischer Aussagen
(173-185). Dem untauglichen, weil letztlich an historischen
Instanzen haftenden Verfahren des Rekurses auf die biblischen Schriften
stellt P. die „empirische" Begründung entgegen, d. h. den Rekurs
darauf, daß theologische Aussagen mittels des Gottesgedankens stets
auf das Ganze der Wirklichkeit zielen und daß sie dieses Ganze in der
Fluchtlinie des Sinn- und Heilvollen interpretieren müssen. Nur mit
Bezug auf diese beiden Überprüfungsinstanzen kann von der Be-
gründbarkeit theologischer Aussagen die Rede sein. - An letzter Stelle
publizieren die Hgg. erstmals eine Arbeit, die zum 2. Theologischen
Examen vorgelegen hat. K. Coblenz reflektiert mit bemerkenswertem
psychologischen Einfühlungsvermögen über „Sünde und Vergebung
in zwischenmenschlichen Beziehungen heute", exempliziert an der
Beziehung zwischen Mann und Frau (187-205). Ausgehend von den
Kategorien der Bezie,hungslosigkeit und der Angst erschließt sich die
Autorin einen heute verständlichen Begriff von Sünde, wendet ihn auf

heutige Probleme der Partnerschaft an und bringt Jesu Stellung zu
Sünde und Vergebung ins Gespräch, um so abschließend „Chancen
des Wachstums durch Annahme" sichtbar zu machen.

Greifswald Günter Haufe

Farmer, David Hugh: The Oxford Dictionary of Saints. 2nd Ed.

Oxford-New York: Oxford University Press 1987. XXVIII, 478 S.
8 Kart. £5.95; Lw.£ 15.-.

Der ersten Auflage dieses Heiligen-Lexikons in englischer Sprache
folgte bereits nach neun Jahren eine zweite, was ein Beweis dafür ist,
daß wirklich eine „Marktlücke" bestand, wie ich in meiner Rezension
zur ersten Auflage vermerkte (ThLZ 105, 1980, 2580- Inzwischen
habe ich oft und gern diesen Band zu Rate gezogen, kann also die
erweiterte Ausgabe nur empfehlen, und zwar durchaus auch Interessenten
des deutschsprachigen Raumes.

Das Werk ist in einem leicht verständlichen Englisch abgefaßt, der
themenspezifische Wortschatz bleibt sowieso zum guten Teil in allen
Sprachen ähnlich. Hinzugekommen sind nun 70 neue Stichworte
(Heilige und Heiligengruppen), so daß die Gesamtzahl fast 1 100
erreicht. Dabei wurde der Kontinent stärker als zuvor berücksichtigt:
die christliche Frühzeit, die ostkirchlichen Räume, aber auch die
neueste Epoche (so ist der hl. Maximilian Kolbe ausführlich gewürdigt
). Aufnahme fanden überdies einige Historiographien (Gregor von
Tours, Venantius Fortunatus u. a.), deren Auswahl etwas zufällig
erscheinen mag (Eusebius oder Hrabanus Maurus fehlen z. B.). Auch
Heilige des deutschen Mittelalters finden sich nun häufiger: die
hl. Gertrud, Rupert von Salzburg, Wolfgang von Regensburg (warum
Ulrich von Augsburg und Adalbert von Prag, Otto von Bamberg
nicht?), die Kaiserin Kunigunde, Bruder Klaus von der Flüe (nach wie
vor fehlt Johann von Nepomuk trotz dessen weltweiter Verehrung
v. a. im 18. Jh.).

Sehr zu begrüßen sind die neu beigegebenen Anhänge Nr. II mit den
Patronaten der Heiligen, alten und ganz jungen (z. B. Astronauten);
Nr. III mit den wichtigsten Attributen der Heiligen in geläufiger Zusammenstellung
; sowie das Kalendarium, das leider des öfteren die
vor 1969 gültigen Festtage nicht angibt und damit halt doch eine
historische Dimension vernachlässigt oder Verwirrung stiftet (wie
diese unverständliche Kalcnderreform überhaupt).

Bamberg Gerd Zimmermann

[Neidhart, Walter:] Festschrift für Walter Neidhart zum 70. Geburtstag
am 27. April 1987. Basel: Reinhardt 1987. 243 S. gr. 8" = Theologische
Zeitschrift, Jg. 43, 1987,Heft 1/2. •

Der langjährige Praktische Theologe in Basel gab wichtige Anregungen
besonders für die Religionspädagogik und die Seelsorge, aber
auch für das Selbstverständnis des Pfarrers in der Volkskirche. In
allem geht es ihm um eine wirklichkeitsgemäße Theologie und damit
um die rechte Verbindung von Theologie und Humanwissenschaften.
Die 24 Beiträge der Festschrift geben dem Jubilar ein vielfältiges Echo
auf seine Forschung und Lehre. Beiträge zur Seelsorgelehre bieten
J. Bommer: Die Gemeinde und ihre Sterbenden und Toten;
U. Rauchfleisch: Zum Verhältnis zwischen beratender Seelsorge und
Psychotherapie (hier bricht ein Psychotherapeut, der 12 Jahre mit
Neidhart Seelsorgeseminare hielt, eine Lanze für Thurneysen!);
R. Riess: Missio und Communio. Zur missionarischen Dimension der
kirchlichen Seelsorge; W. Steck: Der Ursprung der Seelsorge in der
Alltagswelt. - Religionspädagogische Themen behandeln W. Eisinger
(zur Wiedergewinnung des Katechismusunlerrichts) und J. Scharfenberg
(über Symboldidaktik). Beiträge zur praktischen Ekklesiologic
geben C. Bäumler: Gemeindepraxis in der offenen Volkskirche als
konziliare Realisierung der Freiheit; J. Henkys (zu Luthers Satz: „Ein
pfarher ist ein spitlmeister"); W. Kramer (zur Frage nach einem