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1988

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 2

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Inneren Mission"' zitiert, die eindeutig am biblischen Zeugnis und am
Bekenntnis der Kirche orientiert sind. ..Seit Wichern dürfte nicht so
gründlich und sachverständig in Kirche und Theologie über den diakonischen
Auftrag gearbeitet worden sein wie in unserer Zeit, in der
die Diakonie als wissenschaftliche Disziplin in der Theologie eingerührt
wurde.'* Das ist kaum zu bestreiten. Ob aber für alle Einrichtungen
und die große Zahl der Mitarbeiter in der Diakonie die Feststellung
gilt: ,.So läuft der Expansion diakonischer Arbeit eine Konzentration
auf ihre geistliche Mitte und ihr eigentliches Fundament
parallel", muß doch stark bezweifelt werden. Damit auf diesem Gebiet
Anspruch und Wirklichkeit nicht immer weiter auseinanderklaffen
, muß noch viel geschehen.

Bei aller imponierenden Leistung, die in diesem Kapitel Diakonie-
geschichte dargestellt wird, bleibt die Frage, wann und wie die hier so
gut wie gar nicht vorkommenden kritischen Anmerkungen dieses
großartige Werk der Kirche einholen. Auf ca. 50 Seiten werden der
Darstellung 17 Dokumente beigegeben. Sie betreffen Inhalte wie die
Kirchenaustrittswelle 1921 bis zu einer knappen Statistik der Diakonie
der Ev.-luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins im Jahre 1973,
Satzungen und Grundsatzerklärungen, aber auch einzelne Vorgänge,
wie Beanstandung einer Rundfunkpredigt 1927, Volksmission 1923
und 1935, Maßnahmen zur Wahrung des christlichen Charakters der
Inneren Mission unter der NS-Herrschaft und etwa Hilfe des Diakonischen
Werkes bei der Flutkatastrophe 1962.

Der Gebrauchswert dieses Werkes gewinnt durch ein ausführliches
Literaturverzeichnis, in dem die Fundstellen für Akten und Protokolle
genannt werden, aber auch die einschlägigen Zeitschrillen und
periodischen Veröffentlichungen, sowie Aufsätze. Referate und nicht
zuletzt Einzeldarstellungen zu Arbeitsgebieten und Einrichtungen der
Diakonie in Schleswig-Holstein. Personen- und Sachregister sowie 32
Bildtafeln vervollständigen das Buch, das Information im Überblick
und Grundlagen für die Geschichte der Diakonie in Schleswig-
Holstein liefert.

Emden Menno Smid

Vonhoff, Heinz: Geschichte der Barmherzigkeit. 5000* Jahre
Nächstenliebe. Stuttgart: Quell Verlag 1987. 296 S. gr. 8". Pp.
DM 32.-.

Hier liegt eine Überarbeitung und Weiterfuhrung der vom selben
Autor i960 bzw. 1977 publizierten Bücher ..Herzen gegen die Not"
und ..Samariter der Menschheit" vor. Letztgenanntes Buch enthielt
einen Beitrag von H.-J. Hofmann über ..Offensive Diakonie" (80 S.),
der in die neue Ausgabe nicht übernommen wurde. Der größere Teil
der Darstellung, die von der „Barmherzigkeit im Altertum" durch die
Epochen der Kirchengeschichte bis zur „Internationale der Menschlichkeit
", den verschiedenen Hilfsaktionen nach 1945 führt, wurde
nur geringfügig überarbeitet. Neu sind die Kapitel „Um Menschenrechte
und Menschenwürde" (261-276) und „Frieden ist unteilbar"
(277-287). Die Überschriften zeigen, daß die politische Diakonie mit
im Blick ist. Am Schluß des Tür einen breiten Leserkreis geeigneten
Werkes steht der Hinweis auf C. F. v. Weizsäckers Vorschlag eines
Friedenskonzils und auf die Bedeutung der „Mitkrcatürlichkeit". die
als Defizit in der Geschichte der Barmherzigkeit notiert wird.
Personen- und Sachregister beschließen das flüssig geschriebene,
ökumenisch orientierte Buch.

E.W.

Cherdron. Eberhard: Protestantischer Liberalismus und Diakonie
(BPfKG 53, 1986,35-40).

Kaiser. Jochen-Christoph: Zur Geschichte des Verbandsprotestantismus im
20. Jahrhundert. Das Beispiel der Inneren Mission 1918-1945 (PTh 76. 1987,
196-213).

Neukamm, Karl Hein/: Frauen in der Diakonie (Diakonie 13, 1987,
66-68).

Peris. Ilse-Marie: Krankheit - Gesellschall - heilender Gott. . . ein weites
Thema (Diakonie 13, 1987,209-213).

Religionssoziologie

[Ragaz, Leonhard:] Leonhard Ragaz, religiöser Sozialist, Pazifist.
Theologe und Pädagoge. Hg. vom Lconhard-Ragaz-lnstitut. Darmstadt
: Lingbach-Verlag 1986. 182 S. m. zahlr. Abb. 8

Das Ende 1984 in Darmstadt gegründete Lconhard-Ragaz-lnstitut
macht es sich zur Aufgabe, „die Beziehungen zwischen Christentum,
und sozialen Bewegungen wissenschaftlich zu untersuchen, weiterführende
Theorieelemente sowie Praxisformen zu sichten und auf
ihre gesellschaftspolitische Bedeutung hin zu befragen. Dabei wird das
Erbe des Religiösen Sozialismus kritisch-konstruktiv aufgenommen"
(Einbanddecke). Anläßlich des 40. Todestages von Leonhard Ragaz
(1868-1945) trat das Institut mit einer Ausstellung an die Öffentlichkeit
und legte einen „begleitenden Katalog" (4) vor, der in 2. Teilauflage
erschienen ist.

In ihm rückt die Wirkungsgeschichte von Raga/ in eine aktuelle
Perspektive. Das deuten bereits die Stichworte „Religiöser Sozialist"
und „Theologe des Reiches Gottes" (Markus Mattmüller. 7-30),
.,Pazifist" (Karlheinz Lipp. 105-112). „Pädagoge" (Horst-Jürgen
Wohlgcmuth, 137-150), „Ökologe" (Paul Schmid-Ammann,
131-136), „Theologe der Hoffnung" und „Theologe der Befreiung"
(Manfred Böhm, 173-177) an. Aber auch als „Gleichnisatisleger"
(Luise Schottroll'. 123-130) geht er neue Wege. Daß die Dimension
des „Politischen" zwar in allen Beiträgen präsent ist, aber nicht ausdrücklich
thematisiert wurde (am prägnantesten noch bei Art Inn Rieh
an der Verhältnisbestimmung von Revolution Christi und Weltrevo-
lulion: „Die aktuelle Bedeutung von Leonhard Ragaz". 151-155).
weist eindringlich auf die Grundsatzfrage hin. ob das Reich (lottes als
Politik zu praktizieren ist und welche Lösungen im Spannungsfeld
zwischen Glaube und Politik zu suchen sind. In diesem extremen
Gegensatz, stand Ragaz' Lebenswerk, und seine Wirkungsgeschichte
ist nicht zufällig gerade an den Orten lebendig (Schweizer Bewegung
„C hristen für den Sozialismus", „Ökumenische Konferenz religiöser
Sozialisten der Schweiz"), wo dieser erkannt wird und in die Nachfolge
Jesu führt.

Neben den Beiträgen zur Wirkungsgeschichte von Ragaz, die das
Proprium dieser Schrift ausmachen (im Vorwort von Wolf-Eckart
Failing angedeutet, 6), kommt Ragaz aber auch selbst zu Wort. Im
Zeitraum zwischen 1903 („Maurerstreikpredigt") und 1936 („Zu
meinem Austritt aus der sozialdemokratischen Partei") werden insgesamt
sechs Texte vorgestellt, die vorrangig von biographischem oder
politisch-zeitgeschichtlichem Interesse sind. Ausgestattet ist dieser
Katalog mit reichem Bildmaterial. Die Wiedergabe des Titelblattes
von „Politik und Gottesreich" zwischen zwei anderen Texten (72)
kommt allerdings unvermittelt; der Abdruck weiterer Ragaz-Texte
erfolgt ohne Angabc der Quelle.

Mattmüllers einführender Beitrag („Leonhard Ragaz - Religiöser
Sozialist, Pazifist und Theologe des Reiches Gottes", 7-30) ist biographisch
angelegt. Darüber hinaus hätte ein Überblick mit den Daten
zum Lebensweg von Ragaz. am Anfang oder Ende der Publikation die
biographische Orientierung erleichtert. Daß irrtümlich angegebene
biographische Jahresangaben in den beiliegenden „Berichtigungen"
fehlerhaft korrigiert sind (7, 8), andere darin überhaupt nicht erlaßt
wurden (8, 10, 139), ist ärgerlich.

Die Wirkungsgcschichtc von Ragaz auf einzelne Personen und
Gruppen beginnt mit einem Bericht von Johannes Härder („Begegnung
mit Leonhard Ragaz". 87-89) über die 20er Jahre, in denen er
dessen Schrift „Von Christus zu Marx - von Marx zu Christus" 1929
herausbrachte, führt über den Bochumer Mathematikprofessor
Günter Ewald und seinen Kreis der Studentenmission („Zwischen
Pietismus und Studentenbewegung - wie eine Gruppe Leonhard
Ragaz entdeckte". 156-159) bis hin zur Erfahrungeines autonomen
Seminars an der Mainzer Johannes-Gulenberg-Univcrsität im Jahre
1985 („Begegnung mit Ragaz: oder: Exkurs mit einem [nahezu] Unbekannten
", 160-164). Die Skizze Heide Hafners über „Clara Ragaz-