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Ausgabe:

1988

Spalte:

148-151

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schröder, Johannes

Titel/Untertitel:

Diakonie im Lande zwischen Nord- und Ostsee 1988

Rezensent:

Smid, Menno

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 2

148

riert dann die Bemühungen in der deutschsprachigen und anglo-
amerikanischen Diskussion, den grundlegenden Vorgang des Gewinnens
und Erweiterns sittlicher Kompetenz und seine Bedingungen genauer
zu beschreiben, kontrastiert sie mit Konzepten der Moralerziehung
, die sich an der Macht des Kollektivs orientieren, und den Positionen
, die hinter den bisher vorliegenden westdeutschen Länderrichtlinien
für den Ethikunterricht erkennbar werden, und konstatiert
dabei immer wieder das Fehlen brauchbarer fachdidaktischer Strukturen
. So versucht er im Folgenden selbst deren Grundlegung, indem
er - sehr wohl sich dessen bewußt, daß der Ethikunterricht nur einen
begrenzten Ausschnitt der sittlichen Erziehung ausmacht - die Span-
nungsfclder beschreibt und reflektiert, innerhalb deren sich die Ausbildung
sittlicher Überzeugungen und Urteilsfähigkeit vollzieht, so
die Spannung zwischen Autorität und Freiheit, die Beziehungen zwischen
sozialer Wahrnehmung und moralischer Erkenntnis, zwischen
Konflikterfahrungen und Moral, die Spannung zwischen Konvention
und Moral, zwischen Identitätsfindung und Moral und schließlich das
Problem des Gewissens. Der erste Band endet mit drei spannenden
Kapiteln, die die stillschweigenden, zum Teil verhängnisvollen sittlichen
Implikationen von Lerntheorien und schulischer Praxis pro-
blematisieren.

Für den zweiten Band stellt sich der Vf. die Aufgabe, eine schüler-
und sachgemäße didaktische Grundstruktur dieses Faches herauszuarbeiten
, die sich durch alle dreizehn Jahrgänge der öffentlichen
Schule deklinieren läßt. Immer wieder verweist er dabei auf die Komplexität
der Aufgabe: Dem Ethikunterricht kann nicht einfach eine
Legitimationsfunktion für die anerkannten gesellschaftlichen Normen
zugewiesen werden, sondern er muß den vielfältigen Protesten
der Jugendlichen gegen die überkommenen Werthaltungen angesichts
der erfahrenen Sinnkrisc und der heraufziehenden Katastrophen
Rechnung tragen; ohnehin wäre eine Orientierung an Normen allein
völlig unzulänglich, weil bei jeder ethischen Entscheidung auch noch
ganz andere Aspekte ins Spiel kommen; und zu beachten ist nicht zuletzt
, daß bestimmte Strukturen des Lernens den Schülern Handlungsmuster
einprägen, die den vermittelten Inhalten konträr sind.

Zudem bekommt es der Ethikunterricht auf der Suche nach seiner
Bezugswissenschaft nicht nur mit einer, sondern mit vielen Wissenschaften
zu tun (S. 250- Vier Aufgabenfelder schälen sich schließlich
heraus, deren Beschreibung für die Unterrichtsplanung talsächlich in
allen Jahrgangsstufen ergiebig bleibt: Die Ausbildung personaler
Identität, das Wahrnehmen sozialer Strukturen und Prozesse (unter
Einbeziehung des Verhältnisses von Mensch und Natur, also der ökologischen
Problematik), der Umgang mit Sinndeutungen und schließlich
die Reflexion auf ethische Normen. Siebenmal - für jeweils zwei
Jahrgangsstufen - nimmt der Vf. die Mühe auf sich, die besonderen
einschlägigen Erfahrungen dieser Schülerinnen und Schüler zu beschreiben
, sie auf die 4 Aufgabcnfcldcr des Ethikunterrichts zu beziehen
und daraus für jedes von ihnen differenzierte unterrichtliche
Intentionen abzuleiten. Dabei können Überschneidungen nicht ausbleiben
, aber insgesamt ergibt sich doch ein erstaunlich buntes und
lebendiges Bild unterrichtlicher Themen und Arbeitsweisen, an dem
abermals deutlich wird, daß der Vf. nicht Poslulate von der Ebene der
Theorie auf die des Unterrichts projiziert, sondern die unterrichtlichen
Möglichkeiten aus eigener Anschauung beschreibt. So gewinnen
schon die ersten vier Schuljahre ein ganz eigenes Profil; nur die
berufsbildenden Schulen werden am Ende sehr summarisch behandelt
, verständlich im Blick auf die große Spannweite der Voraussetzungen
und Organisationsformen, aber doch bedauerlich, wenn man
an den Kern des berufsbildenden Schulwesens denkt, die berufsbeglci-
tende Teilzeitschule, die einen an der besonderen Situation ihrer
Schülerinnen und Schüler konsequent orientierten Unterricht zwingend
forderte. Gerade von dieser Schule sind schon in den frühen fünfziger
Jahren starke innovatorische Impulse für den gesamten Religionsunterricht
ausgegangen; ein Ethikunterricht für berufstätige
Jugendliche könnte als Modellfall und Prüfstein eines situationsgerechten
Unterrichts dienen. Aber wer hat die Stirn, über die hier

ausgebreitete Fülle der Perspektiven hinaus noch die Behandlung weiterer
Problembereiche einzufordern?

Freilich stellt sich am Ende die Frage, ob nicht der Weg, auf dem der
Vf. den Leser zu einem wachsenden und immer differenzierteren Problembewußtsein
führt, notwendigerweise in einem kaum noch überschaubaren
Problemfeld endet. Die große systematische Kraft des Vf.
verschafft zwar dem Leser immer wieder klärende Durchblicke. Aber
ich frage mich, ob nicht "doch ein Konstruktionsfehler mit bedrohlichen
Folgen für die Stabilität des gesamten Gebäudes vorliegt, wenn
die vier Aufgabenfelder, jedes für sich, in jeder der sieben behandelten
Schulstufen angesichts der besonderen Erfahrungen der Kinder und
Jugendlichen in einzelne didaktische Intentionen weiter aufgegliedert
werden. Die möglichen und notwendigen Inhalte des Unterrichts erscheinen
als Paradigmata einer so zu immer weiterer Differenzierung
vorangetriebenen didaktischen Reflexion, ohne daß ihre integrierende
Kraft noch didaktisch veranschlagt werden kann. Notwendig
wäre die Besinnung auf elementare, lebensnotwendige, exemplarische
Themen, an denen gerade die Zusammengehörigkeit der in den vier
Aufgabenbereichen genannten Aspekte erfahren werden kann. Analytisches
Denken muß den Versuch machen, zu trennen, um unterscheiden
zu lehren. Wie schwer das ist, zeigt die hochkomplizierte Begrifflichkeit
der entsprechenden Abschnitte (Bd. II, S. 28ff). Grundlagen
sittlicher Kompetenz aber werden nicht aus der Summe einzelner
Aspekte, sondern aus dem Begreifen elementarer Zusammenhänge gewonnen
. Zum entdeckenden Lernen, dem der Vf. mit Recht einen so
hohen Stellenwert für den Ethikunterricht beimißt (Bd. II, S. 71 f mit
dem freilich ins Leere gehenden Rückverweis der Anmerkung 274),
gehört gerade auch das Entdecken der komplexen Beziehungen, in die
uns elementare ethische Erfahrungen hineinstellen.

Siegen Ingo Haidermann

Religionspädagogische Jahresbibliographie I. Jg. 1986. Zeitschriftenaufsätze
, Bücher, Rezensionen, Stellungnahmen, Gesetzestexte,
Lehrpläne, von G. Adam, R. Englert, R. Lachman u. N. Mette. Hg.
vom Cömenius-Institut. Ev. Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft
e. V. Katholische Religionspädagogische Dokumentationsstelle
(KRD). Münster/W.: Comenius-Institut 1987.403 S. 8°.

Den Hauptinhalt dieser neuen Bibliographie bildet der Nachweis
von I 100 überwiegend deutschsprachigen Zeitschriftenaufsätzen und
Büchern zur Religionspädagogik sowie deren Bezugswissenschaften
(Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Theologie), die 1986 erschienen.
Mitarbeiter des Comenius-Institutes und der Religionspädagogischen
Dokumentationsstelle werten laufend ca. 400 Zeitschriften, und
Amtsblätter aus. Register erschließen das Material der Aufsätze und
Monographien sowie 231 ausgewählter Rezensionen und Rezensionsartikel
. Sie zeigen zugleich, daß die Bibliographie für alle Gebiete der
Prakt. Theologie hilfreich ist. Daraufdeutcn Stichworte wie Kirchenmitgliedschaft
, Kirchenrecht, Kommunikalion (16mal!), Kranken-
seelsorge, Geistig Behinderter, Diakonie, Liturgie, Ökumene
(23mal!). Würden Schlagworte wie „Religionsunterricht", die natürlich
hundertfach vorkommen (ähnlich Kind, Schule, Kirche u.a.),
aufgeschlüsselt, erhöhte sich der praktische Nutzen des hilfreichen
Werkes. Unterrichtsmodelle wurden nicht aufgenommen, da hierfür
andere Hilfsmittel vorhanden sind. Die ,,RJB" wird viele dankbare
Benutzer finden und in der Religionspädagogik unentbehrlich sein.

E.W.

Praktische Theologie: Diakonik

Schröder, Johannes: Diakonie im Lande zwischen Nord- und Ostsee.

Ein Beitrag zu ihrer Geschichte von 1918 bis zur Bildung der
Nordclbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, hg. vom Verein
für Schleswig-Holsteinische Kirchengcschichte. Neumünster:
Wachholtz 1986. 260 S. gr. 8* = Schriften des Vereins Tür
Schlcswig-Holsteinische Kirchengeschichte, Reihe 11,42.