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Ausgabe:

1988

Spalte:

136-141

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Thaidigsmann, Edgar

Titel/Untertitel:

Identitätsverlangen und Widerspruch 1988

Rezensent:

Bayer, Oswald

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 2

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Vf. Althaus und zitiert ihn: „Ist so die ganze Theologie .eschato-
logisch', so ist sie doch nicht im Ganzen Eschatologie"; er sucht die
kritische Nähe zum Begriff einer Heilsgeschichte und lehrt eine
aktuelle E. (153-155). Bei Barth sieht Vf. eine „Vereschatologisierung
des Glaubens", kritisiert ihn aber scharf (Ewigkeit würde bei ihm zur
Aufhebung der Zeit; Allversöhnung). Bultmanns Entmythologisie-
rung treffe vor allem die neutestamentliche E. Dagegen bietet Cull-
mann ,,im Alleingang eine Alternative zur gesamten theologischen
Konzeption seiner Zeitgenossen" (161) und macht die „Auferstehung
zum Zentrum des theologischen Denkens". Moltmann will christliche
E. begründen und ihre ethisch-sozio-politische Dimension neu gewinnen
. Die Reich-Gottes-Theologie hat dabei (immer) die Tendenz,
„die Weltwirklichkeit mit den Eschata auf der Ebene der Ethik zu
konfrontieren" (164). Linien zur gegenwärtigen ökumenischen Debatte
werden nicht gezogen. Die außereuropäische Theologie kommt
gar nicht in den Blick.

„Die katholische Theologie" (166-238) wird ebenfalls von der Aufklärung
bis zur Gegenwart dargestellt. Sie hat keinen Bruch mit der
Vergangenheit erlebt; für die Behandlung der Eschata hatte bei ihr die
Aufklärung wenig Folgen (166). Stattler legt sie auf analogisches Denken
fest (168). An die Aufarbeitung der durch die Aufklärung gestellten
Fragen ging röm.-kath. Theologie nur zögernd. Bei Zimmer werden
die Eschata unter dem Bild eines irdischen Gerichts dargestellt
(176). Galura übernimmt die Reich-Gottes-Theologie (179). Bei
Brenner ist das Himmelreich auf Erden das Abbild des himmlischen
(182). Hermes läßt jedes Moment der Geschichte offen sein auf das
Endzeitliche hin (186), bei A.Günther ist alle Geschichte Heilsgeschichte
und diese die Weltgeschichte selbst. Bei Drey setzt sich der
Organismusgedanke durch, der die Tübinger Schule prägt; mit ihm
wird die historische Kontinuität betont (187 IT). Staudenmeier setzt individuelle
und allgemeine E. in eins, sie ist „Vollendung der Kirche"
(192). Bei v. Baader wird die Eucharistie „zur Vermittlung der escha-
tologischen Begriffe" (198). Bei Newman ist die weit- und die endgeschichtliche
Dimension angesprochen. Scheeben bedenkt „das stete
Hinauswachsen der Rechtfertigung zur Vollendung" hin (202).
H. Schells E. bescheinigt Vf., daß sie ein abgerundetes opus ist und
den aufkommenden Atheismus apologetisch bedenkt. Die Neuscholastik
wird als „Ausweichen vor zeitgenössischen Fragestellungen"
abqualifiziert, auch ist die Geschichte nicht in Sicht (207-215).
Millenaristische Träume seien im modernen Katholizismus kaum anzutreffen
.

Für das 20. Jh. konstatiert Vf. eine „Fülle von Neuentwürfen". Die
Behandlung der Eschata nahm durch die beiden Weltkriege und ihre
Folgen einen deutlichen Aufschwung, zuerst bei J.Zahn. Wie kann
Zahn, wenn er sagt: „Mit dem Abschluß des diesseitigen Lebens fällt
der Abschluß der Prüfungsfrist definitiv zusammen", noch Platz
haben für die traditionelle Fegefeuerfrage (223)? Bartmann stellt die
E. stark in den christologisch-ekklesiologischen Bezug, K. Adam betont
den Zusammenhang des Einzelnen mit der Kirche und wendet
sich gegen Barths Überbetonung der Gnade, so daß „Gott zum Sklaven
seiner Liebe würde, und daß die Freiheit des Menschen über die
Freiheit Gottes triumphierte" (224-226). Nach Guardini und
Schmaus werden abschließend Urs v. Balthasar (personalistische Reduktion
), T. de Chardin (Konvergenz der Entwicklung auf einen Zielpunkt
hin), Metz (E. in Beziehung zum Weltprozeß) und K. Rahner
(Vollendung der Menschheit in absoluter Zukunft) erwähnt. Apokalyptische
Modeströmungen kommen wenig zum Zuge (Metz?).
Karrcr betont mit anderen die „Auferstehung im Tod", wogegen sich
1979 das röm.-kath. Lehramt wendet.

Wieder liegt ein imposantes monographisches Werk im Rahmen
des Handbuches vor. Über Einzelheiten kann man streiten (Barth z. B.
scheint mir nicht recht beurteilt zu sein), aber ein enzyklopädischer
Überblick wird gegeben - und daraufkommt es an. Im Ausdruck wäre
eine Glättung zu wünschen (parusitisch, katastrophalistisch, Nostrili-
zierung, präsentistisch u. a.).

Fragen zum Schluß: Gehören die Sozinianer zu den Reformierten

(65)? Die Kath.-apost. Gemeinden sind, trotz gemeinsamen Ursprungs
, von den Neuapost. Gemeinden streng unterschieden (I 13).

Freiberg Karl-Hermann Kandier

Systematische Theologie: Dogmatik

Thaidigsmann, Edgar: Idcntitätsverlangcn und Widerspruch. Kreuzestheologie
bei Luther, Hegel und Barth. München: Kaiser 1983.
236 S. 8° = Fundamentaltheologische Studien, 8. Kart. DM 38,-.

I

Das Buch widmet sich dem Problem, „wie sich die in Luthers Kreuzestheologie
implizierte Dialektik, die in der frühen Dialektischen
Theologie in neuer Weise wirksam geworden ist, zu derjenigen in
Hegels Kreuzestheologie verhält" (8).

Auf eine „Einleitung", die die Thematik und Methode vorstellt,
folgt das corpus in drei großen Teilen, die im wesentlichen, entsprechend
dem Untertitel der Arbeit, die „Kreuzestheologie" beim
frühen Luther, frühen Hegel und frühen Barth behandeln. Das Buch
schließt mit einem gedanklich äußerst komprimierten „Ausblick",
der, mehr als nur rückblickende Zusammenfassung, ihren systematischen
Ertrag in freier Weise zu formulieren versucht und den
bezeichnenderweise aus dem orientierenden Lutherteil gewonnenen
Gesamttitel „Identitätsverlangen und Widerspruch" als Verlangen
nach „Einheit in Vollkommenheit" (217 und passim) weiter expliziert
.

II

Systematische Theologie lebt wesentlich vom Gespräch mit der
Theologie- und Philosophiegeschichte, an dem sie freilich um der
Gegenwart und Zukunft willen interessiert ist. Trotz dieses Interesses,
ja in ihm kann es ihr, will sie nicht borniert sein und verarmen, nicht
darum gehen, im Medium des Vergangenen lediglich das zur Darstellung
zu bringen, was man gegenwärtig für aktuell hält und als für die
Zukunft bedeutsam beurteilt. Aufklärung und Erkenntnisgewinn ist
vielmehr gerade dann zu erwarten, wenn man dem Anderen, dem
Gesprächspartner, sein fremdes Profil läßt und er sein eigenes Wort
sagen darf. Dem können die Regeln der historisch-kritischen Forschung
dienen; aus besagtem Grund mufJauch der Systematiker sich
an sie halten.

Thaidigsmanns Buch inszeniert ein Gespräch, in dem jeder der drei
Gesprächspartner in unverwechselbarer Weise zu Wort kommt (daß
die Aufmerksamkeit sich jeweils auf die Frühzeil richtet, ist nicht etwa
eine systematische Huldigung an die Juvcnilität, sondern in der Sache
selbst begründet: Die entsprechenden Texte bieten besonders aufschlußreiche
, später verdeckte Fragestellungen und dokumentieren
Übergänge und Verschiebungen, die zu studieren in besonderem
Maße die Bildung des theologischen Urteils fördert). Keine dieser drei
Stimmen könnte durch eine andere ersetzt oder gar in ihrer Kraft
überboten werden, mit der sie gegenwärtige Probleme erkennen lassen
und erhellen, Zusammenhänge erschließen, ja erst herstellen. Es ist
weiter die Eigenart des inszenierten Gesprächs, daß keiner der drei
Gesprächspartner dasselbe sagt. Andererseits aber reden sie auch
nicht nebeneinander her und aneinander vorbei.

Freilich: Daß sie aufeinander bezogen zu Wort kommen, daß sie
verschieden und konfliktreich, aber eben nicht beziehungslos reden,
sondern untereinander ein kontroverses Gespräch führen, das wie
kein anderes geeignet ist, die Mitte christlichen Glaubens im erhellenden
Bezug zu (also nicht einfach: im Kontext!) unserer gegenwärtigen
Situation scharf konturiert darzustellen, ist die Leistung des Gesprächsmoderators
.

Seine Inszenierung ist m. W. ohne Vorgang. Dabei ist die Ahnung
bzw. der Einfall, daß es sich bei einem Gespräch zwischen dem frühen
Luther, frühen Hegel und frühen Barth um eine systematisch, d. h. für
die Wahrheitsfindung fruchtbare Konstellation handeln könnte, nur
der Anläng, die Themcnfindung. Es bedarf dann immer noch eines