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Ausgabe:

1988

Spalte:

124-125

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Regesten 4530 - 5707 1988

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Litcralurzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 2

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seinen Ausfaltungen und Verzweigungen innerhalb der Geschichte
der Kirche einmal nachgehen möchten". Es will auch NichtChristen
ansprechen, ,,sie können bei diesem Thema auf überraschende
gesamtmenschliche Phänomene stoßen" (12). Holtz setzt sich mit der
Theorie des Jesuiten Raymond Hostie auseinander, der bestimmte
Gesetze in der Geschichte der Orden gefunden zu haben meint. Diese
Theorie findet der deutschsprachige Leser in der Zeitschrift Conci-
lium 10, 1974. 468-475. Nach Hostie gibt es in der Geschichte der
Orden eine Entstehungsphase von 25-30 Jahren, danach eine Ausbreitungsphase
von etwa weiteren hundert Jahren. Danach treten
Verfestigungen auf, und nach rund 200 Jahren setzt ein Niedergang
ein. Freilich gibt es auch Krisenbewältigungen. Holtz steht dieser
Theorie von Hostie kritisch gegenüber. Er will sie benutzen, „aber vor
aller Schematisierung zuerst das Überraschende und Nichtvorhersehbare
erkennen" (19).

Aufgenommen werden sodann Ergebnisse von Leonard Bolf, dessen
Buch „Zeugen Gottes in der Welt - Ordensleben heute" Zürich-F.in-
sicdeln-Köln 1985 (s. ThLZ III. 1986, 7680 auf das universale Problem
des Mönchtums hinweist, auf die „anthropologische Struktur
des Ordenslebens". Jeder Mensch kann auf ungelöste Probleme
stoßen, er fragt „nach jenem Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir
kommen und wohin wir gehen". Besonders radikale religiöse Erfahrungen
können dann zu jenem „Überstieg" führen, der zu „Formen
des Ordenslebens" führt (27). Gewisse Elemente des Ordenslebcns finden
sich auch in anderen Weltreligionen: „Verlassen der Welt, Suche
nach Innerlichkeit und Einsamkeit, Bildung von asketischen Gemeinschaften
, Einführungs- und Aufnahmeriten, gemeinsames Rezitieren
bestimmter Texte und Gebete, geschlechtliche Enthaltsamkeit und
(zeitweiliger) Verzicht auf die Ehe, Askese und absolute Armut" (28).
Holtz und Boff heben die Tatsache hervor, daß man auf diesem Gebiete
nichts planen kann. Die Kirche hat wohl in das Leben der Orden
eingegriffen, es wird der Kirche auch ein „Wächteramt" zugestanden;
aber vor allem wird betont, „wie unabhängig hier Initiativen und freie
Kräfte walten, die sich jeder Gängelung und offiziellen Planung
grundsätzlich entziehen" (30). Es wird von einer „Selbstzündung'* der
Orden in der Kirche gesprochen. Sicher gibt es religionsgeschichtliche
Einflüsse jüdischer und heidnischer Herkunft; als Forscher auf diesem
Gebiet werden Karl Heussi, Karl Suso Frank und Uta Ranke-Heinemann
genannt (32). Als das eigentlich christliche Motiv wird „die
Gotteserfahrung in der Person Jesu Christi, im Menschen Jesus von
Nazareth ... die Erfahrung Gottes im persönlichen Anschluß an eine
Person" herausgestellt.

Es werden keine neue Forschungen vorgetragen. Das Buch stützt
sich auf das Standardwerk von Heimbucher „Die Orden und Kongregationen
der katholischen Kirche" (''1980). Vier Zeitabschnitte
werden unterschieden - in Anlehnung an das Handbuch der Kirchengeschichte
(hg. von Huberl Jedin): erster Zeitraum: Das Ordensleben
entsteht und entfaltet sich in der christlichen Frühzeit (bis etwa 700):
zweiter Zeitraum: Das Ordcnsleben prägt die mittelalterliche Kirche
(von etwa 700 bis 1300); dritter Zeitraum: Das Ordenslebcn behauptet
sich im Umbruch der Zeit (von etwa I 300 bis 1800); vierler Zeitraum
: Das Ordensleben der Wcltkirche (19. und 20. Jh.). Im dritten
Zeitraum finden sich die Überschriften „Der Mönch von Wittenberg -
oder wie man sich einen gnädigen Gott sucht" (186-193) sowie
„Luther und das Ordensleben - oder was trennt und was eint"
(193-205). In einer Anmerkung stellt Holtz den Wandel fest: „von
tendenziösen, polemischen Fehldeutungen (in unsachlich heiliger
Verteidigung gegen ebenso polemische Angriffe) über rein psychologische
Deutung und nüchtern-sachliche Darlegung bis zur engagierten
Auseinandersetzung mit Luther aus dem Willen zum Verständnis
heraus - und zur Verständigung" (351/352). Der Name von Peter
Manns taucht auf. aber dessen Formel von Luther als Vater im Glauben
wird von Holtz nicht zitiert. - Umfangreiche Register beschließen
den Band, aus dem man reiche Informationen entnehmen kann.

Rostock GertHaendler

Kirchengeschichte: Reformationszeit

[Melanchthon:] Melanchthons Briefwechsel. Kritische und kommentierte
Gesamtausgabe, hg. von H.Scheible. Bd. 5: Regesien
4530-5707 (1547-1549), bearb. von H.Scheible unter Mitwirk,
von W. Thüringer. Stuttgart - Bad Cannstatt: frommann-holzboog
1987.551 S.gr. 8 Lw. DM 285.-.

Im Abstand von 4 Jahren folgt Band 5 der kritischen und ausführlich
kommentierten Gesamtausgabc des Briefwechsels Melanchthons.
Ein Rez. hat es schwer und leicht zugleich, den Band vorzustellen,
weil er nicht erneut alles Lobende über bereits erschienene Bände
wiederholen kann (s. ThLZ 104, 1979. 197-199; 107. 1982.631'; III.
1986, 281 0. aber zum Glück nicht ganz davon abzusehen braucht, die
Vorzüge des jüngst erschienenen Bandes in das glücklich laufende
Gesamt werk hineinzustellen.

Der weniger in die Melanchthon-Editionsarbeit Eingeweihte wird
beim ersten Zusehen bedauern, daß er nur Regesien vor sich hat. Aber
man muß beim näheren Eindringen in die Materie feststellen, daß die
Brieftexte ja schon anderenorts. /.. T. recht gut, veröffentlicht sind.
Die Fundorte der Briefinhalte sind in jedem Falle hier exakt verzeichnet
und dazu noch in Petitdruck überlieferungswissenschaftliche
Angaben, die jede Weiterarbeit ermöglichen.

Über den genannten Angaben notiert der Hg. Absendeorte. Briefdaten
wie Briefschreiber und Empfanger. Dann folgt die Inhaltsangabe
des jeweiligen Schriftstückes mit Verweisen auf andere Briefnummern
, die in der vorliegenden Ausgabe sachliche Bezüge zum
Brieftext enthalten. Diese 0UL'r- und Längsverbindungen können nur
als außerordentlich glücklieh bezeichnet werden.

Wir haben die Korrespondenz der für die Reformation und ihren
Bestand schweren Jahre 1547-1549 vor uns. In Relation zum vorher
erschienenen Band ist festzustellen, daß Melanchthon seine Korrespondenz
noch erweitert hat. Kaum ein Tag vergeht ohne Briefschreiben
oder Briefempfangen.

Vieles ist indirekt oder direkt für die Biographie Melanchthons in
den genannten Jahren ablesbar. Sein Itinerar ist genauso deutlich wie
seine Reaktion auf die zeichensetzenden Zeitereignisse. Der Reformationshistoriker
wird die Korrespondenzinhalte aufsuchen nach der
Schlacht bei Mühlberg (24. 4. I 547; 104ff") oder im Zusammenhang
mit der Beurteilung des Augsburger Interims im Frühjahr I 548 (269
u. ö.). In der zuletzt genannten Angelegenheit wird transparent, daß
der immer als interimsfreundlich eingeschätzte Melanchthon in
seinen Briefen große Zurückhaltung gezeigt, ja vor den Folgen des
Interims gewarnt hat.

Der vorliegende Band überzeugt davon, daß die Regestenlektürc
ganz einlach lohnend ist, weil sie aus der Sicht des Praeceptors
Deutschlands kirchengeschichtliche Deutungen vermittelt und darüber
hinaus den Fortgang der Reformation in ihrer erstaunlichen Verzweigtheit
auch nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes
signalisiert.

Melanchthon hat unter den Vertretern weltlicher Obrigkeit, unter
Adligen und Stadtregimentcn. viele Briefpartner, mit denen er die
Reformation fördert. Der große Lehrer ist hier gleichzeitig als unermüdlicher
Ratgeber in vielen Situationen zu erkennen. Die Vermittlung
von Theologie erscheint als genauso wichtig wie der
praktische Hinweis für reformatorisches Verhalten nach dem Niedergang
des Schmalkaldischen Bundes 1547 und in den Querelen der
Universitäten. Um hier belehrt zu werden, werden viele Leser nicht
allein ab und an zur Fixierung dieses oder jenes Briefes nachschlagen,
sondern die Briefliteratur ganzer Monate durchsehen, die Wesentliches
zur Hallung Melanchthons in der fraglichen Zeit ausweist.

Die Akribie der Ausgabe ist hervorragend. Die wissenschaftlich
strenge Editionsarbeit lösl Bewunderung aus. Um möglichst wenig
Subjektives einfließen zu lassen, verzichten Hg. und Mitarbeiter auf
jeden Zusatz, auch auf ein Vorwort, leider aber auch wieder auf jedes
Register. Registermäßige Erschließung wird in dem auf ca. 80 Einzel-