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Ausgabe:

1988

Spalte:

120-121

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Brockhaus, Ulrich

Titel/Untertitel:

Charisma und Amt 1988

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 2

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tungen sind natürlich nichts als reine Hypothesen. Die antiochenische
Tradition scheint dem Vf. vor allem die persönliche Gabe Jesu zu
markieren und eine Bundestheologie, die keinen kultischen Charakter
habe, während die markinische mehr direkt liturgische Prägung hat.
Aber obwohl sie „in der Hingabe Jesu die Vollendung der jüdischen
Opferriten erblickt", markiert sie auch den persönlichen Charakter
dieser Gabe (S. 136).

Diese Betonung der Gabe der Person bedeutet ja auch ökumenische
Öffnung den reformierten Intentionen gegenüber. Die Formulierungen
L.-D.s, wie etwa (S. 363) , Jesus ist durch seine Abwesenheit
hindurch symbolisch präsent", die via media (wie mediane) für die
eucharistische Gegenwart, „ist das Brot der Leib Christi und ist es
nicht" (S. 364, vgl. S. 165-180), so daß „diese Präsenz Begegnung sein
will" (S. 180), und „ohne Glauben geschieht nichts" (S. 364) usw.,
sind in einem katholischen Kontext sehr mutig, auch wenn es damit
seine Absicht ist, die Transsubstantiationslehre zu erklären (S. 177 IT).
Den Protestanten gegenüber sind sie aber eine Herausforderung, ihre
eucharistische Theologie zu vertiefen.

Ähnlich formuliert der Vf. zum Thema Opfer und Abendmahl:
„Die Eucharistie ist ein sakramentaler Vollzug, der die Gesten Jesu
beim Abendmahl neu ins Gedächtnis ruft; sie bezieht sich letzten
Endes auf das Kreuz; sie fügt jedoch zum Opfer von Golgatha nichts
hinzu, bringt im Zeitablauf zum Ausdruck, was Jesus bei seinem letzten
Mahl zeichenhaft vollzogen hat [«ce, que Jesus a signifie ä son
dernier repas»] . .. Nicht so als wäre die Messe ein Mittel, um den
Bund herzustellen. Denn der Bund ist am Kreuz bereits vollzogen; er
wird bei der Taufe aktualisiert. Durch die Taufe werden die Mitglieder
der Kirche in ihrer neuen Seinsweise eingegründet. Diese neuen
Lebenden sind es nun, die ihren Glauben, ihren Dank, ihre Bitte um
Vollendung [«aecomplissement»] zum Ausdruck bringen . . . Wie das
Abendmahl ist die Messe das Kreuzopfer Jesu, durch das die neue
Seinsweise Christi konstituiert ist, und zugleich ist sie es nicht. Sie ist
es, insofern sie Symbol ist Für den Übergang der ganzen kirchlichen
Gemeinde zum neuen und endgültigen Bund ... Sie ist es nicht,
insofern die Kirche - wie auch Jesus beim Abendmahl noch nicht
gestorben ist - in einem analogen Sinn der Sünde der Distanz - noch
nicht wirklich gestorben ist." (S. 371 0

Dem ganzen Begriff der Sühne steht der Vf. eher fremd gegenüber,
wie es auch aus dem früheren Buch, «Face ä la mort», hervorgeht:
„Selbstverständlich klingt dabei auch der Gedanke der Sühne für die
Sünden mit an, sofern man einsieht, daß Sühne nicht Strafe bedeutet
für eine Verfehlung, sondern Versöhnung nach einer Trennung."
(S. 373) Er sieht nicht die Präposition hyper als notwendigerweise mit
einer Sühne (S. 191-197) oder mit dem alttestamentlichen Opferritual
(S. 194, gegen Riesenfeld, ThWNT s. v.) verbunden. Das Trinken
des Bechers ist an sich kein Sühne- oder Reinigungsritus, sondern
vermittelt neues Leben und Teilnahme am Bund (S. 197-205).

Ich habe so ausführlich diese eher dogmatischen und ökumenischen
Formulierungen zitiert, gerade um die Bedeutung dieses Buches Für
eine ökumenische eucharistische Theologie hervorzuheben. Etwas
mehr soll aber zur Frage, wie der Vf. die exegetische Grundarbeit
betreibt, gesagt werden.

In Teil 1 nimmt er als Ausgangspunkt das Faktum der Eucharistiefeier
in der Urkirche gegen den jüdischen Hintergrund und endet mit
einer schönen synchronen, strukturellen Lesung (lecture) des Abendmahlsberichts
. Der zweite Teil bringt die Form- und Traditionsgeschichte
bis zur Frage vom historischen Ursprung, wie wir schon
gesehen haben. Teil III könnte man wohl Redaktionsgeschichte
nennen, wo Mt unter Mk studiert wird, dann Paulus, Lk und Joh je für
sich. Teil IV bringt die Synthese („Öffnung"), die wir auch mit ihren
dogmatisch-ökumenischen Implikationen oben berührt haben. Eine
„Sendung" (Envoi - Ite missa est?) mit zwei Appendices (von den
jüdischen feierlichen Mahlzeiten bzw. vom Verhältnis Abcndmahl-
Paschamahl) beendet schön dieses Abendmahlsbuch, das als synthetische
Darstellung m. E. wohl verdient, die Standardarbeit von J. Jeremias
zu ersetzen. Im Vergleich dazu baut das Buch von L.-D. viel

weniger auf Hypothesen über den jüdischen Flintergrund, z. B. auf das
Abendmahl als Paschamahl mit seinen verschiedenen Bechern und
anderen Ingredienzen (S. 2-1 Sf), die Anamnese „Tut dieses, damit
Gott meiner gedenke" (S. 148f A. 33 - was von L.-D. m. E. mit ziemlich
schwachen Gründen abgewiesen wird) und die „Verzichterklärung
" Jesu (S. 216, 218, 298 A. 4): L.-D. arbeitet allgemein auf der
Grundlage eines ziemlich breiten Forscherkonsensus. Ein paar eigene
Hypothesen zum Hintergrund und zu den historischen Anfängen des
Abendmahls gibt es natürlich auch bei ihm, z. B. die Idee, daß die
Eucharistie die alttestamentlich-jüdischc Tödah aufnimmt
(S. 62-66), d. h., daß dann das Mahl nach dem Opfer, oder daß die
Eucharistie anfangs auch ohne Wein, nur mit dem Brotbrechen,
gefeiert wurde.1 Die Offenheit für die kurze lukanische Rezension des
Einsetzungsberichtes und die Skepsis dem Deutungswort zum Kelch
gegenüber (S. 255IF) stehen in einem gewissen Zusammenhang mit
einer Neigung, Jesus eine eher ablehnende Haltung Kultus und Opfer
gegenüber (einschließlich einer Opferdeutung seines Todes) zuzuschreiben
(S. 222, 224), was natürlich bei einem katholischen Exege-
ten etwas überrascht. Aber wichtiger: Historisch gesehen, enthält
die Jesus-Tradition wirkliche Zeugnisse von einer negativen Haltung
dem Tempelkultus gegenüber, die wohl nicht ohne weiteres aus der
Voraussage der Tempelzerstörung, der Tempelreinigung und dem
Logion zu korban deduziert werden kann? Und wenn Jesus auch dem
Tempelkultus und den Opferriten eher ablehnend gegenüber gestanden
haben mag, hindert das wohl gar nicht deren spiritualisierende
Deutung oder die Deutung seines eigenen Todes als Opfer? Die
Deutung des Martyriums als Opfer ist jedenfalls dem Judentum zur
Zeit Jesu wohl bekannt gewesen (2Makk 7,6 u. 37f; Wcish 3,6 z. B.).
Es ist schwierig zu verstehen, warum er dann in jener Zeit und
Umgebung Opfervorstcllungen mit seinem Tod nicht hätte verbinden
können. Wird der Blick des Exegetcn hier, in einer Zeit, wo blutige
Opfer ganz fremd und abstoßend wirken, nicht von apologetischen
Motiven verdunkelt?

Das wäre mein Haupteinwand gegen das sehr schöne Buch, das
wirklich Ubersetzung verdiente, um gerade die Nicht-Spezialisten zu
erreichen, für die es auch geschrieben ist (dann und wann wohl in
einer Sprache, die vielleicht der Predigt ein bißchen zu nahe kommt).
So ist das Erscheinen einer deutschen Übersetzung dieses Buches nur
ein Jahr nach Veröffentlichung der Originalausgabc und auch die nun
vorliegende englische Fassung2 ein beredtes Zeugnis Für die Bedeutung
dieses Werkes.

Uppsala H.C. C. C'avallin

' S. 227. Die Stütze dieser Hypothese ist wohl nieht so überwältigend: Die
Stellen der Apg vor allem können sowohl vom „Brotbreehen" als pars pro low
sprechen als auch Zeugnisse für eine frühe syrische Eucharistie ohne Wein
werden, wie L.-D. selbst bemerkt. Gewöhnlich wird das nieht als genügender
Beweis Für eine Eucharistie sub una angesehen; als nicht-römisch-katholisch
könnte man besonders skeptisch gegen diese Theorie, gegenwärtige lateinische
Praxis der Kommunion sub una zu verteidigen, reagieren.

2 I.eon-ßufour. Xavicr: Abendmahl und Ahschiedsrede im Neuen Testament.
Übers, von H.-W. Eichelberger. Stuttgart: Kath. Bibelwerk 1983. 405 S. 8",
Kart. DM 39,-.

Sharing the Eucharistie Bread. The Witness ol'the New Testament. Transl.
by M. J. O'Connell. New York - Mahwah: Paulist Press 1987. IV, 391 S. 8".
Kart.S 12.95.

Brockhaus, Ulrich: Charisma und Amt. Die paulinischc Charismalehre
auf dem Hintergrund der frühchristlichen Gemeindefunktionen
. Wuppertal: Brockhaus 1987. 260 S. 8" = Wissenschaftliche
Taschenbücher, 8. DM 19,80.

Das 1972 in erster und 1975 in zweiter Aullage erschienene Buch ist
in der ThLZ seinerzeit nicht besprochen worden. Es ist jetzt als
Taschenbuch neu vorgelegt worden, offenbar seit 1972 gänzlich unverändert
; auch der Satzspiegel und die Seitenzählung sind in dem