Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1988

Spalte:

107-108

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Soggin, Jan Alberto

Titel/Untertitel:

Le Livre des Juges 1988

Rezensent:

Sauer, Georg

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

107

Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 2

108

dabei an einige Tendenzen der neueren Forschung an: so zunächst an
einen s. E. sich abzeichnenden "new consensus", wonach eine übergreifende
Komposition nicht vor dem 6. Jh. anzusetzen ist (221, s.
schon 47 f, u.a. mit dem Hinweis auf ein .Pentateuchschweigen' in
vorexilischen Prophetentexten), dann an Überlegungen zu einer
übergreifenden dtr Redaktion, welche das Material in Genesis bis
Numeri dem dtrG als "Supplement" vorangestellt haben könnte, vor
allem aber an Überlegungen J. Van Seters', der seinen „späten
Jahwisten", dessen Anliegen und Arbeitsweise, in weitgehender
Analogie zu frühen griechischen „Historikern" wie Herodot beschreibt
. W. glaubt nun diese Ansätze logisch zu Ende zu denken, indem
er noch einen Schritt weitergeht und (anders als Van Seters) auch
die priesterlichen Textediesem einen „Historiker" zuordnet. Bestärkt
sieht er sich darin von den in jüngster Zeit sich mehrenden
literarischen Interpretationen (R. Alter u. a. m.), welche die literarischen
Qualitäten des als Einheit genommenen Pentateuch herausarbeiteten
. Die Frage nach den Quellen des Autors sei damit aber
noch nicht beantwortet. W. möchte hier jedenfalls die Möglichkeit
vorgegebener "folk traditions" offen lassen, sei es als mündliche
Überlieferung oder, so zumindest im Falle von Gesetzen, aber auch
bei „einigen der längeren Erzählkomplexe", in schriftlicher Form
(238). - Inwiefern erklärt eine solche Hypothese nun den überlieferten
Textzusammenhang mit seinen komplexen Befunden? Das Buch
gibt darauf kaum eine Antwort. Selbst die grundlegenden Voraussetzungen
der Hypothese werden bloß thetisch vorgetragen: Auszuweisen
wäre doch wohl, daß der Pentateuch als „Historienwerk"
intendiert ist, und nicht als etwas ganz anderes, nämlich dem
jüdischen Selbstverständnis entsprechend als „Tora". Auszuweisen
wäre, daß und wie die Komposition einander widerstreitender Traditionen
oder die Einbindung von „Digressionen" usw. den Erzähltechniken
von Herodot u. a. konkret entspricht. Wo gibt es ebenda Analogien
zur Gestaltung der Urgeschichte, zum Nebeneinander von Gen
15; 17 und 18, von Gen 28 und 35, von Ex 18 und 19ff. zur
erzählerischen Gestalt von Num 16 oder auch zur Einbindung von
(gleich mehreren divergierenden) Gesetzeskorpora usw.? Lassen die
vielfältigen Befunde ein konsistentes Bild dieses Autors zu, seiner
Aussage- und Wirkabsichten, seiner Bindung und Freiheit gegenüber
seinen „Quellen" usw.? Wieweit trägt die mehrfach berufene Analogie
zu moderner fiktionaler Literatur (wobei man gegen W. „fiktio-
nal" nicht mit „fiktiv" gleichsetzen darf [vgl. S. 240])? Die Fragen
ließen sich mehren. Als gewichtigste Probe steht aber vor allem die
Bewährung in der konkreten Exegese aus. Mehr noch als in den
kritischen Teilen schlägt hier durch, daß W. meint, ohne eine genaue
Textanalyse auskommen zu können. So hat das allgemeine Insistieren
auf der Frage nach dem synchronen Sinn von Textkomplexiläten
m. E. seine kritische Berechtigung gegenüber der traditionellen Exegese
, die in einer mitunter monomanen Fixierung auf die diachrone
Analyse sich ohne Vorbehalt auf den Sinn des gegebenen Textes einzulassen
oft gar nicht bereit war/ist. In der konkreten Auslegung wird
es aber darauf ankommen, die potentielle Ambivalenz/Mehrdeutigkeit
der Einzelbefunde abzuwägen und methodische Kriterien für die
Urteilsbildung zu gewinnen. Eine auf solche elementaren Fragen bezogene
methodologische Diskussion hat noch kaum begonnen. Zu
deren Voraussetzung gehört aber auch die Infragestellung von selbstverständlich
gewordenen, selbsttragenden Vor-Urteilen. Und in dieser
Hinsicht möchte man diesem Buch einige Wirkung wünschen.

Heidelberg Erhard Blum

Soggin, J. Alberto: Le Livre des Juges. Trad. par C. Lanoir. Genf:
Labor et Fides 1987. 269 S. gr. 8° = Commentaire de l'Ancien
Testament.

Der durch viele einschlägige Vorarbeiten bestens für diese Aufgabe
ausgewiesene Vf. hat den Kommentar bereits 1978 in italienischer
Fassung zum Abschluß gebracht. Ehe die geplante Übersetzung ins

Französische, die sich aufgrund widriger Umstände hinauszögerte, erfolgen
konnte, erschien eine von John Bowden besorgte englische
Ausgabe 1981 (London: SCM-Press). die sehr gute Kritiken fand. Die
nun vorliegende französische Übersetzung aus dem italienischen
Original erarbeitete Corinnc Lanoir in hervorragender Weise. Dabei
konnte der Vf. die in den vergangenen neun Jahren erschienene
Literatur einarbeiten.

Um es gleich vorwegzunehmen: Nachdem nun der Kommentar,
der italienisch verläßt worden war. in englischer und französischer
Fassung vorliegt, wäre es durchaus sinnvoll, aber auch angemessen
und begrüßenswert, wenn er auch auf deutsch erscheinen könnte.
Kommentare zum Richterbuch sind im deutschen .Sprachraum
selten.

Nach einer bewußt kurzgehaltenen «Introduction» (S. 9-18: der
Vf. verweist auf seine «Introduction ä l'Ancien Testament», S. 7), in
der Soggin viel Mühe auf die Verwertung der chronologischen Angaben
des Richterbuches verwendet, bietet er den Stoff in drei großen
Abteilungen dar: 1,1-2.5 (S. 21-35); 2,6-16,31 (S. 37-224) und
17-21 (S. 225-261). Die Erkenntnisse der Lileraturkritik, bei denen
sich Soggin ganz aufdie Arbeit von R. Smend u. a. verläßt, werden dabei
voll berücksichtigt.

Nach der Aufführung der einschlägigen (reichen) Literatur folgt die
französische Übersetzung des zu behandelnden Abschnittes. Sie ist gut
lesbar und aufgebaut aufdie Erkenntnisse der Textkritik, die danach
geboten wird. Hierbei sind auch wertvolle Einzelcrklärungen kurz
und sachlich aufgeführt. Danach folgt stets in thematischen Kreisen
die eigentliche «Exegese». Manchmal ist bei größeren Texteinheiten
eine den ganzen Abschnitt würdigende Ausführung vorangestellt,
z. B. zur Gideon-Geschichte (S. 94-98).

Die Exegese ist bestechend klar und sachlich und erweist auf Schritt
und Tritt den Fachmann in historischen, semitistischen, archäologischen
und topographischen Fragen. Bei Ortsangaben werden stets
die Koordinaten der Karte 1:100000 vom Survey of Israel genannt.
Bei vielen Ausführungen, oft auch nur in kleinen Seitenbemerkungen,
erkennt man den mit der Landeskunde vertrauten Spezialisten (S. 61
zum Hule-See; S. 90 zu Taanak; S. I 31 zu Sukkoth usw.). Es ist nicht
sinnvoll, Einzelergebnissc der Textkritik oder der exegetischen Arbeit,
die der Vf. wohlbcgründet vorträgt, aufzufuhren. Selbstverständlich
sucht dieser seinen eigenen Weg durch die Vielfalt der Meinungen hindurch
. Die sachliche Art der Behandlung und Darbietung läßt von
vornherein vermuten, daß sich Soggin von gewagten und hypothetischen
Meinungen fernhält. Bei der Lektüre hat man immer wiederden
Eindruck, daß die Ausführungen solid untermauert sind.

Wenn Wünsche geäußert werden dürfen, dann folgende: Hinweise
und Überlegungen zu theologischen Grundproblemen fehlen völlig,
auch dort, wo sie sich aufdrängen könnten, z. B. bei der Behandlung
der Jothamfabel oder bei der Auslegung des Endes des Richterbuches,
wo über die Willkür der königlosen Zeit gesprochen wird. Vielleicht
liegt dies daran, daß der Vf. an anderen Orten über die Bedeutung des
Königtums geschrieben hat. Ein zweiter Wunsch wäre der schon zu
Beginn dieser Besprechung angemeldete: eine deutsche Übersetzung
würde hochwillkommen sein.

Der Druckfehlerteufel hat sich etwas besonders Schönes ausgedacht
: In der Literaturangabe von F. Dexinger macht er aus Ehud
einen ..Linkshändler" (S. 47, hier wäre auch richtig zu lesen:
S. 268s).

Wien Georg Sauer

Book UM 1987. Edinburgh: The Society for Old Testament Study 1987.
140 S. 8

Rerentlow, Henning Graf: Zur Theologie des Alten Testaments (ThR 53.
1987,221-267).

Schmidt, Werner H.: ..Was ist der Mensch?" Anthropologische Einsichten
des Alten Testaments (BiKi 42. 1987,2-15).

Seters, John Van: Der Jawist als Historiker, hg. von H. H. Schlttid. Zürich:
Theologischer Verlag 1987.95 S. 8" = Theologisehe Studien. 134.