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Ausgabe:

1988

Spalte:

97

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Jaki, Stanley L.

Titel/Untertitel:

Lord Gifford and his lectures 1988

Rezensent:

Geldbach, Erich

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Seite 1

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47

Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 2

98,

Allgemeines, Festschriften ^tSSS ,ET,'1 Josephv] ; eiü "T?w ,heT>a 2er

v ' Iheologie? Hg. von K. Richter. Freiburg-Basel-Wien: Herder

1986. 192S. 8' = QuaestionesDisputatae, 107. Kart. DM 39,-.

Jaki, Stanley L.: Lord Gifford and his Lectures. A Centenary

Retrospect. Edinburgh: Scottish Academic Press; Macon, GA: Mit dieser Festschrift Für den kurz nach seinem 70. Geburtstag ver-
MercerUniversity Press 1986. VIII, 138 S. 8". Lw.£ 12.50. storbenen bedeutenden Münstcrancr Liturgiewissenschaftlcr und Promotor
der Liturgiereform, Emil Josef Lengeling, wird nach der
Am 21. August 1885 unterzeichnete Adam Gifford vor seinem Intention des Hg. „ein interdisziplinäres theologisches Gespräch beHausarzt
und dessen Kutscher als Zeugen sein Testament, in dem er gönnen", „das Impulse zu einer weiterrührenden Diskussion zwischen
seine Familienmitglieder, Freunde und Diener bedachte und sodann den einzelnen Disziplinen über tjie Bedeutung der Liturgie als
zum Guten seiner Mitmenschen - "for the good of my fellow-men"- Glaubensquelle geben soll" (5). Die von K. Richter verfaßte Eineinen
folgenschweren Schritt tat: Er bestimmte, daß im Zusammen- führung („Die Liturgie - zentrales Thema der Theologie", 9-27)
hang mit den vier schottischen Universitäten Edinburgh, Glasgow, steckt Rahmen und Ziel dieses Gesprächs ab: Liturgie - „nach der
St. Andrews und Aberdeen Vorlesungen abgehalten werden sollten. Heiligen Schrift die zweite Glaubcnsquelle für die christliche Ge-
die, als "Gifford Lectures" berühmt geworden, 1986 zum 100. Mal meinde" (21)-wird von den anderen theologischen Fächern nur ungehalten
wurden. Aus Anlaß dieses Jubiläums hat der in Ungarn ge- zureichend berücksichtigt: der Liturgiewissenschaftler fühlt sich verlorene
Benediktiner Stanley Jaki, 1974-1976 selbst ein Gifford pflichtet, seinen theologischen Kollegen (hier als Exempel: dem
Lecturcr in Edinburgh, ein Buch herausgebracht, das die erstaun- Dogmatiker J. B. Metz, 21 ff) dies als Versäumnis vorzuhalten und
liehen Nachwirkungen des Testamentes aufzeigt. solchermaßen nicht nur die zentrale Stellung der Liturgie, sondern

Allerdings wird man den Eindruck nicht los, daß dieses Buch eine auch der Liturgiewissenschaft im theologischen Fächerkanon

Art Verlegenheitslösung ist. Ein Jubiläum stand an, deshalb mußte <A- Häußling: „integral theologisches Fach", 23) zu bekräftigen,

ein Buch her. Entsprechend bunt zusammengewürfelt ist das, was ge- Bemerkenswert freilich ist, daß das intendierte Gespräch gerade

boten wird. dort interessant wird, wo sich die angefragten Fächer solchem An-

Verdienstvoll ist zweifellos der Abdruck des gesamten Texts des spruch nicht nur stellen, sondern ihn mit Gegenfragen an die Adresse

Testaments (S. 66-76) sowie sieben Vorlesungen des Erblassers. Sie der Liturgiewissenschaft beantworten (so H. Vorgrimier) bzw. den

erlauben Einblicke in die Gedanken eines Juristen (vgl. The Two vom Liturgicwissenschaftler vorgegebenen Denk- und Deutungs-

pountains Of Jurisprudencc, S. I32ff) mit breitem Interessenspek- rahmen überschreiten (so P.Weimar). Um das zu verstehen, muß

trum: Ralph Waldo Emerson (S. 106IT), St. Bernard of Clairvaux man sich den liturgietheologischen Ansatz vergegenwärtigen, wie ihn

<s- 110ff), Substance. A Mctaphysical Thought (S. 114ff), The Ten K. Richter im Anschluß an E. J. Lengeling skizziert: Leiturgia ist (als

AvatarsofVishnu(S. I27ff). „Feier des Glaubens") neben Martyria und Diakonia („Verkündi-

Lord Gifford hatte das Studium der „natürlichen Theologie" im gung" und „Tun" des Glaubens) „einer der drei Grundvollzüge des

weitesten Sinne des Wortes anregen wollen (S. 72) und den schot- Wirkens Christi und der Kirche" (9). Dabei kommt der Liturgie im

tischen Universitäten unter bestimmten Bedingungen freie Hand ge- Blick auf die beiden anderen Grundvollzüge eine „zentrierende Funk-

'assen, die Wissenschaftler auszuwählen. Die Bedingungen zeigen **" zu: Sie ist „Mitte der Verkündigung" und dient zugleich der

"hrerseits den freiheitlichen Geist des ehemaligen Richters: Kein Eid, ..Vergewisserung darüber, wie das christliche Leben im Alltag sich zu

keine Gebundenheit an eine Religion oder Denomination; auch Frei- bewähren hat" (II). Wie das Heilshandeln Christi selbst verwirklicht

denker und Skeptiker können ausgewählt werden, wenn sie nach der sich auch Liturgie dialogisch: „von Gott her zum Menschen hin und

Wahrheit streben. Das ganze Gebiet soll als "natural science" ver- vom Menschen her zu Gott hin" (12). Dabei steht der katabatische

standen werden, ohne sogenannte „wunderbare Offenbarung". Die (absteigende, heilshafte) Aspekt vor dem anabatischen (aufsteigenden,

vorlesungen sollten außerdem öffentlich zugänglich sein, d.h., sie kultischen) Aspekt: „Die Initiative liegt immer bei Gott, der sein Volk

waren für ein breites Publikum gedacht. ruft, daß es ihm würdig antworten kann. So ist Liturgie Wort und Ant-

Der Hg. hat in alphabetischer Reihenfolge alle bisherigen Lecturers wort. Gabe und Gegengabe" (12).
m'l den Titeln der aus den Vorlesungen hervorgegangenen Bücher Diese Konzeption, die in wesentlichen Zügen an die dialogische Be-
zusammcngestellt (S. 43-62) und eine synoptische chronologische Stimmung des Gottesdienstes durch Martin Luther in der Torgauer
Liste der Vorlesungen an den vier schottischen Universitäten aufge- Kirchweihpredigt von 1544 erinnert, hat ohne Zweifel vorkonziliare.
stel't (S. 63-65). Diese Listen zeigen, daß sich die Vorlesungen zu juridische und einseitig-kultische Liturgiedefinitionen zurückgehen
internationalen Institution entwickelt haben und daß die besten drängt und so die Basis für eine interkonfessionelle Verständigung
Deister der Zeit die Vorlesungen bestritten. über den Gottesdienst geschaffen. Um so aufmerksamer müssen wir

^m so mehr fragt es sich, ob die „Erinnerungen eines Bruders", die Fragen hören, die H. Vorgrimier („Liturgie als Thema der Dogma-

"amlich John Gifford, die ursprünglich 1891 Für die Familie verfaßt tik". 113-127) an diese Konzeption richtet. Sie betreffen zum einen-

Waren,zum Abdruck kommen mußten (S. 77-99). schlicht gesagt - das Verhältnis von .Gottesdienst' und .Alltag': „Ist

Außerdem entstehen erhebliche Fragen bei dem Versuch des Vf.. Liturgie so zu verstehen, daß sie Gottes Gegenwart gleichsam dichter.

auf vierzig Seiten die 100jährige Geschichte der Gifford Lectures größer macht beim und im liturgischen Vollzug, als Gottes Gegenwart

Revuc passieren zu lassen. Dies ist ein gewagtes Unternehmen, muß auch ,sonst' möglich ist?" (122) Die Art, wie die vorgestellte Konzep-

man doch fragen, ob die Kürze der Zusammenfassungen noch der Be- tion Heilshandeln Gottes und Antwort des Menschen auf gottes-

deutungder Vorlesungen gerecht werden kann. Viele wertende Sätze dienstliche Vollzüge fixiert, könnte - so lautet die Befürchtung - zu

^ben in ihrer Kürze einen nur geringen Erkenntniswert. Ein wahllos einem Rückfall in jenen Dualismus Führen, der aus dem alltäglich-

"erausgegriffenes Beispiel mag verdeutlichen, was gemeint ist. So wird profanen Lebensbereich einen eigenen, sakral-liturgischen Bereich

uber Tillichs und Bultmanns Vorlesungen folgendes gesagt: "Tillich größerer Heils- und Gottesnähe ausgrenzt. Die Fragen des Dog-

'"rew away the possibility of agreeing rationally about God . . . with matikers betreffen zum andern die unreflektierte Selbstverständlich-

J^e'aimthatGod wasso'othcr'astobeoutsidethecategoryofbeing. keit. mit der die Konzeption vom Handeln Gottes in der Liturgie

Cor>eerning the category of timc. a similar extremist Position was spricht: Er empfindet dort Schwierigkeiten, „wo die Rede von der

taken in the lectures of Bultmann who in his emphasis on Christian katabatischen Richtung der Liturgie als Tat Gottes eine bestimmte

eschatol0gy deprived ofits significance the temporal" (S. 29). Automatik nahelegt, etwa so, als sei es die Liturgie, die Gott .in Gang

setzte', zu einem bestimmten Handeln mit Sicherheit vcranlaßte"

Marburg Iknsheim ErichGcldbach (124). Dem hält er entgegen: Gewißheit darüber, daß im liturgischen