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Ausgabe:

1988

Spalte:

70-71

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Dierks, Friedrich

Titel/Untertitel:

Evangelium im afrikanischen Kontext 1988

Rezensent:

Schlegel, Joachim

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 1

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stimmte Jugendarbeit, wobei die Mittelpunktstellung von Bibelarbeit Förderung autonomen Wollens (S. 44), der Sprachfähigkeit mittels
und Verkündigung oft zurücktritt. Dialog und Diskurs, von Initiative und Kreativität der Jugendlichen
Bromme formuliert seine Zielstellung u. a. wie folgt: „Zu entwik- sowie anderen Anstößen in Richtung mündiger Identität, kann man
kein wäre dagegen eine Synthese aus pietistischer und antipietistischer Vf. nur zustimmen. Bemerkenswert erscheint, in welchem Maße auch
Theorie, also eine nachpietistischc, die Spcners Anliegen der auf dieser Entwurf einer Theorie kirchlicher Jugendarbeit wie viele
Frömmigkeit zielenden Predigt unter den von der Erzichungswissen- andere praktisch-theologische Konzepte der jüngsten Zeit dem theoschaft
dargestellten Bedingungen heutiger Jugendlicher anstrebt." logischen Werk Paul Tillichs („symbolorientierte Jugendarbeit") ver-
(S. 14) Eine solche „predigende Jugendarbeit" faßt er sehr weit und pflichtet ist. Auch in dieser Ausrichtung vermag der Rez. dem Vf.
vielgestaltig. „Diese integriert alle unterschiedlichen Lcbensäußerun- ohne Einschränkung zu folgen. Zu wenig reflektiert ist allerdings die
gen, wie sie der Vielfalt des gelebtcn Glaubens entsprechen: Erzählen Spannung zwischen einem „literalistischen" Bibelverständnis bis zum
biblischer Geschichten, Selbstcrfahrung, meditative und liturgische Extrem des Fundamentalismus, wie es die pietistische Jugendarbeit
Elemente, Gruppendynamik. Spiel und Sport, Austragen von Kon- immer prägte und nach wie vor bestimmt, und dem symbolischen, anmieten
, Kreativität u.a.m." (S. 97) Die Bestimmung „predigend" gelehnt an Tillichs Symbolverständnis. Überhaupt dürfte sich die
will bei aller Weite ein Grundanliegcn der pietistischen Jugendarbeit, praktische Synthese der unterschiedlichen Ansätze kirchlicher Ju-
die Bibclorientiertheit. festhalten und im entworfenen nachpietisti- gendarbeit unvergleichlich schwieriger gestalten als das vorgelegte ansehen
Konzept positiv „aufheben". regende theoretische Einheitskonzept.

Leipzig Manfred Haustein

Vf. eignet hinsichtlich des Pietismus, der offensichtlich seine Herkunftsfrömmigkeit
darstellt, durchgängig eine gewisse Ambivalenz.
Einerseits bedenkt er die pietistische Jugendarbeit mit massiver Kritik

(produziert „Ideologie starres Orientierungsmuster mit Nachahmung Öklimenik: MiSSiOflSWiSSenSChaf t

biblischen Vokabulars", S. 103, u. ä.), andererseits geht es ihm um

Anknüpfung an ihr Kernanliegen (persönlich-existentielle „Herzens- Dierks, Friedrich: Evangelium im afrikanischen Kontext. Interkultu-

frömmigkeit") re"e Kommunikation bei den Tswana. Gütersloh: Gütersloher

Nach einer kurzen Problemeinleitung (Kapitel I) wird die Arbeit Verlagshaus Gerd Mohn 1986. 206 S. 8' = Missionswissenschaft-

dilr,.L, r, , ,, . ,, . ... liehe Forschungen, 19. Kart. DM 32,-.
uun.n lolgendcn Argumentationsgang strukturiert: Kapitel 2 halt

Rückschau auf das pietistische Erbe, das theologische und pädagogi- Die vom Vf. vorgelegte Arbeit ist eine leicht veränderte Fassung seisehe
Konzept der Jugendarbeit in pietistischer Tradition. Die all- ner Promotionsschrift „Die interkulturelle Kommunikation der
gemeinen Feststellungen werden am Beispiel des „Rings der evangeli- christlichen Botschaft - Aspekte der christlichen Verkündigung unter
sehen Jugendwerke in Hessen" (EJW), dessen Profil und Prägung Vf. den Tswana", 1982 an der Universität von Südafrika eingereicht und
aus eigener unmittelbarer Erfahrung bestens kennt, belegt und kon- von ihr angenommen. Mit ihr leistet er einen wertvollen Beitrag zur
kret verdeutlicht. In Kapitel 3 leitet Bromme aus Ergebnissen der Ent- Bewältigung der der Verkündigung der Kirche ständig gestellten Auf-
W|eklungspsychologic didaktische Kriterien heutiger Jugendarbeit ab. gäbe, Evangelium und Kultur in Beziehung zu setzen; denn „in der
Das 4. Kapitel erhebt theologische Gesichtspunkte einer „predigen- Mission hat die christliche Botschaft ihren dynamischen Gang durch
den Jugendarbeit" aus systematischen bzw. dogmatischen und reli- die Kulturen dieser Erde angetreten" (S. 12). Drei Jahrzehnte Erfah-
g'onspädagogischen Theorien. Im 5. Kapitel stellt Vf. eine empirische rung als Missionar im südlichen Afrika und eine selbstkritische
Untersuchung „zur funktionalen Auswirkung der Jugendarbeit des Reflexion seiner Arbeit finden hier ihren Niederschlag.
EWj auf das Verständnis christlichen Glaubens bei Jugendlichen" In den beiden ersten Kapiteln werden in erfreulicher Kürze und
vor. Das 6. Kapitel bietet die Skizze einer Theorie nachpietistischer Klarheit zwei eng zusammenhängende grundsätzliche Aufgaben aller
■'ugendarbeit. Evangeliumsverkündigungabgehandelt. Die eine ist die immer wieder
Die vielschichtigen differenzierten Interviewfragen an Jugendliche notwendige Inkulturation des Evangeliums ohne Bindung an eine
aus dem Bereich der pietistischen Jugendarbeit erheben eine proble- bestimmte Kultur. Die andere ist die optimale Anwendung der Regeln
niatische Tendenz zur Gesetzesfrömmigkeit und zur Ideologisierung des Kommunikationsprozesses, wonach sich die Verkündigung am
des christlichen Glaubens im Sinne statischer Überzeugungen, die Weltbild, den Denk-und Verstehensformen des Empfängers der Bot-
auni Wachstumsspielraum gewähren. Die moralistische Gesetzes- schaft orientieren muß.

frömmigkeit s'eht Vf. nicht nur im offenkundigen Widerspruch zum Wenn der Vf. - aus eigener Betroffenheit - zunächst nur übersee-

vangelium, sondern auch in deutlicher Differenz zum lutherischen ische Kulturen im Blick hat, so sind seine Aussagen aber ebenso

^esetzesverständnis, wonach das Gesetz dem Zusammenleben der anwendbar z. B. auf die entstandenen Subkulturen in unserem euro-

enschen dient, aber keinerlei Rechtfertigungsfunktion hat, so daß es päischen Kontext.
auch kein Mittel zur Selbstwertsanierung ist. In der Ideologisierung In einem Überleitungskapitel geht er auf das Konzept der kontext-
es Glaubens zu einer Art Systemüberzeugung sieht Vf. zu Recht bezogenen Verkündigung in Afrika und auf die Methoden der vereinen
zwischenzeitlichen Identitätsersatz in der Identitätskrise des balen und - ein europäisches Defizit signalisierend - nichtverbalen

Bendlichen, der zwar zeitweilig stabilisiert, aber im Falle der Fixie- Verkündigung ein.

rung den Prozeß der Identitätskonstitution schwerwiegend behin- Der Hauptteil seiner Untersuchung gilt - exemplarisch - der Kom-

• munikation der christlichen Botschaft unter dem Volk der Tswana.

Brornmes synthetisches Konzept der Jugendarbeit ist stark be- Darin wendet er sich drei besonders wichtigen Sachgebieten zu, näm-

sllmrnt vom psychologischen Modell der Identitätskrise und Identi- lieh dem Religions-, dem Gottes-und dem Heilsverständnis, und geht

^tskonstitution nach Erikson. Die Zielausrichtung evangelischer je drei methodische Schritte: Er stellt den Befund der traditionellen

^ugendarbeit bestellt entsprechend in individueller Identitätshilfe aus Religion fest, legt die dem jeweiligen Sachgebiet entsprechende Ver-

m unerschöpflichen Symbolreichtum christlicher Überlieferung. kündigungder Missionare dar und versucht zu ermitteln, wie die Kon-

■,'gnifikant ist die Individuumszentrierthcit dieser angetragenen sequenz im Christentum der Tswana aussieht.

heorie kirchlicher Jugendarbeit, die sie mit dem klassischen pietisti- Seine langjährige Praxis vor Ort ermöglicht ihm, immer wieder sehr
sehen Konzept teilt. Bei aller Aufgeschlossenheit für Brornmes Ansatz konkret und detailliert zu reden, was für die Vorstellung und den Ver-
sich die Frage, ob kirchliche Jugendarbeit die in der Gegen- Stehensvorgang des Lesers von großem Vorteil ist. Andererseits zitiert
Wartstheologie stark akzentuierte Reich-Gottcs-Dimension. die un- er aus den Arbeiten von nicht weniger als 93 europäischen, afrikani-
weigerlich gesellschaftlich-politische Aspekte einbezieht, derart aus- sehen und amerikanischen Missionswissenschaftlern, Völkerkundenden
und vernachlässigen darf. Im übrigen, etwa hinsichtlich der lern, Historikern und Missionaren von zum größten Teil international