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Ausgabe:

1988

Spalte:

911-912

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Fritzsche, Hans-Georg

Titel/Untertitel:

Schuld und Übel 1988

Rezensent:

Hildebrandt, Bernd

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 12

912

dokumentiert eine Fülle von Zeugnissen und Entwicklungen. Das
Historische Archiv der Stadt Köln. Veranstalter der Ausstellung und
Herausgeber des Katalogs, legt mit den in 599 Ziffern aufgeführten,
teils ergänzten, teils eigens erläuterten Quellen eine Sammlung vor,
die den kirchlichen wie den politischen Widerstand wie auch die Verfolgung
von Gruppen. Verbänden oder Personen eindrucksvoll widerspiegelt
. Es handelt sich hierbei nicht um eine wissenschaftliche Aufarbeitung
der Widcrstandsproblematik. sondern ,,ausgehend von der
Haltung der behandelten Parteien oder Einrichtungen im Augenblick
von Hitlers Regierungsantritt will er [der Katalog] entweder ihre Verfolgung
oder den aus ihrem Schoß hervorgehenden Widerstand . . .
veranschaulichen helfen"(Kl).

Der Katalog isl in 10 Abteilungen aufgefächert, die jeweils kurz eingeführt
werden. I. Einleitung (Einige Voraussetzungen der nationalsozialistischen
Machtergreifung. Parteien und Wahlen in Köln 1930-1933); II. Machtmittel
(Prcsscunlcrdrückung. Ciesctzesterror. Beamten-, Angestellten- und Arbciter-
cnllassungen. Adenauers Entlassung): III. Ausschaltung der Parteien und der
Gewerkschaften (Zentrum. Kommunistische Partei. Sozialdemokratische Partei
. Freie und Christliche Gewerkschaften); IV. Juden; V. Gleichschaltung
(Rundfunk. Presse. ..Entartete Kunst'*. Universität); VI. Kirchen (Katholische
Kirche. Evangelisehe Kirche); VII. Widerstandskämpfer (Schmittmann. Franken
. Fritze. ..Sehwarze Front". Kropp und Osehe. Bott. Hamacher und Schirr-
machet. Komorowski und Pester. Masscnprozcs.se gegen Kommunisten);
VIII. Zweiter Weltkrieg (Totaler Krieg, Klingelpütz. Konzentrationslager.
20. Juli 1944. Gewitteraktion. Verschiedene Widerstandsgruppen am Kriegsende
); IX. Sozialistische und kommunistische Tarnschriften; X.Gedenkstätten
. Die Bearbeiter sind: H. Stehkämper, F. Irsfeld, A.-D. v. den Brincken,
E. Kleinertz. K. Bogumil und.1. Deeters.

R. M.

Systematische Theologie: Dogmatik

Kritzsche, Hans-Cicorg: Schuld und Übel. Zum Theodizeeproblem.
Hg. von K.-H. Bieritz u. M. Seils. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1987.79 S. 8 M 5,60.

Theologische Sätze gewinnen an Relevanz und Aussagekraft, wenn
sie bewußt in den Raum des religiösen und philosophischen Nachdenkens
über Menschheitsfragen gestellt werden. Dieses die gesamte
Theologie von H.-G. Fritzsche bestimmende Anliegen kommt auch
in seiner hier anzuzeigenden, nach seinem Tod erschienenen Schrift
zur Geltung. F. sieht das Theodizecproblem eingebettet in die Frage,
wie der Mensch Übel bewältigen kann. Entsprechend ist der Radius
weit gezogen. Vorfassungen der Theodizcefragc werden dem biblischen
Teil vorangestellt. Es folgen philosophische und theologische
Antworten (die klassische These von Leibniz, Schopenhauers Argumentation
und Barths Autfassung).

Des Vf. eigener Standpunkt kommt in mehrfacher Hinsicht zur
Sprache. Zum einen indirekt, indem Wahrheitsmomente der lebens-
kundlichen und ethischen Bewältigung in den philosophischen Antworten
aufgezeigt werden. Zweitens macht der Vf. in der Gegenüberstellung
der Aussagen Barths und Tillichs zur Problematik des Übels
deutlich, daß es eine plane Antwort auf die Theodizeefrage nicht
geben kann, beide Antworten sich vielmehr gegenseitig begrenzen
(S. 75). Und drittens gibt der Vf. am Ende des Buches bündig folgende
Antwort: „Keine Verallgemeinerung der Einzelfälle zu einer pessimistischen
Weltsicht, Zeugnis ablegen für die Güte Gottes und die
Schöpfung als Wohltat - aber eben in einem hiermit: den Verlorenen
nachgehen und die, an denen die Theodizeefrage aufgebrochen ist,
einholen und unterstützen" (S. 80). Diese Antwort will keine Lösung
im klassischen Sinne sein. Eine solche kann es gar nicht geben. Sie
weist aber auch nicht das Problem als solches ab, sondern versucht, es
in differenzierender Weise anzugehen und nur insofern zu „lösen".
Dabei trägt sie der Erkenntnis Schleiermachers Rechnung, daß in der
Geschichte der Trend vom Naturübel zum geselligen Übel obwaltet,
dieses jedoch das zugleich schlimmere wie faßbare ist. „Das gibt der
Zukunft Bedrohung und Verheißung." (S. 79)

In den Verfassungen der Theodizeefrage im antiken und spätantiken
Denken werden die Bhagavadgita, Seneca und Plotin vorgestellt.
Der dort zu bemerkenden Subjektivierung des Übels hält F. entgegen,
daß in der Bibel das Übel als objektives gesehen wird (S. 28). Gleichwohl
weiß die Bibel um die Macht des Subjektiven. In diesem Zusammenhang
ist auch das Referat über Luthers seelsorgerliche Schrift
„Vierzehn Trostmittcl für Mühselige und Beladene" zu sehen. Sie
entfaltet, was Subjektivierung am Problem des Übels im ein/einen
positiv bedeutet. Nicht zuletzt Barths Antwort zum Thema „Sünde
und Übel" ist davon geprägt, wenn er von der Schattenseitc der guten
Schöpfung Gottes spricht (S. 691"). Und selbst Tillich. der das tragische
Moment der Sünde hervorhebt, beschreibt Entfremdung weitgehend
als etwas Subjektives (S. 73). Gleichwohl ist die Überwindung des
Bösen in Jesus Christus nicht subjektiv in dem Sinn, daß sie das eigene
Werk des Menschen wäre. Vielmehr wird der Mensch in die ihn tragende
Erlösungsmacht Jesu Christi hineingenommen. In ihr stehend,
nimmt der Mensch den Kampf gegen das Übel auf, so daß die subjektive
Bewältigung im Sinne des Annehmens ihre Grenze findet im aktiven
Kampf gegen das Übel. Beides hat Barth in seiner Antwort
berücksichtigt. „Er erklärt zwar im Prinzipiellen - um das Bild der
Schöpferallmacht Gottes nicht zu gefährden - Not und Leid als zur
guten Schöpfung gehörig, sah aber im konkreten Einzelfall satanische
Empörung, Einbruch des Chaos in die Schöpfung und rief hiergegen
zum kompromißlosen Kampf auf." (S. 76) Eben in diese Richtung
geht auch F.s eigene Antwort.

Wie vielschichtig eine theoretische Durchdringung des Problems
sein muß, will sie phänomengerecht bleiben, zeigt dieses Büchlein. Es
spricht darüber hinaus seelsorgerlich an. In beidem bewährt sich noch
einmal die besondere Art des theologischen Denkens von H.-G. Fritzsche
in dieser zentralen Urfrage des Menschen.

(ircil'swald Bernd Hildebrandt

Lachenmann. Hans: Das Wort in der Welt. Perspektiven einer neuen
Theologie des Wortes Gottes. Stuttgart: Steinkopf 1987. 235 S. 8
geb. DM 42.-.

Wer nach einer allgemeinverständlichen Einführung in die Grundlagen
der systematischen Theologie sucht, sollte getrost das Buch des
Württembergischen Kirchenrats Hans Lachenmann zu Rate ziehen.
In den fünf Kapiteln dieses Werkes legt er einen breit angelegten Entwurf
einer „Theologie des Wortes Gottes" vor.

Das erste Kapitel (Das Wort Gottes als Wort) entfaltet drei Aspekte
des „Wortes": Wort als Informations- bzw. Datenträger, Wort als
„logos" - als Sinninterpretament und Wort als .Mabar" - als (dem
Wort Gottes zugrunde liegende) Anrede. Im zweiten Kapitel (Das
Wort Gottes als Offenbarung) tritt L. für eine Vierdimensionalität der
Offenbarung ein: Segenswirken Gottes, Rettungshandeln Gottes
(Offenbarung als Geschehen); Weisheitsoffenbarung und Wortoffenbarung
als „Kerygma" (Offenbarung als Wort). Diese vier Dimensionen
werden jeweils in universaler bzw. punktueller Ausrichtung
unterschieden (s. dazu die Übersicht S. 39). Hinzu gehöre, daß sich die
Offenbarung Gottes in drei „Urentscheidungen" zu Wort melde (im
Ja des Schöpfers, im Nein der Sünde und des Bösen und im Ja des Versöhners
). Diese Differenzierungen werden im dritten Kapitel (Das
Wort Gottes als Mensch) in derChristologie durchexerziert. Es folgen
noch zwei Kapitel zu „Das Wort Gottes als Schrift" und „Das Wort
Gottes als Predigt", in denen L. einerseits die Crux einer durch
Schriftlichkeit bzw. Kommunikationssituation bedingte Vermittelt-
heit des Wortes Gottes hervorhebt, aber andererseits auch die darin
liegende Chance, ständig neu nach der Begegnung*mit dem Wort Gottes
, nach einer „Hermeneutik des Einverständnisses" (S. 193) zu
suchen, erläutert.

Lachenmanns Buch ist als ein erfreulicher Appell zu sehen, daß sich
Theologie und Kirche „wieder zu ihrer eigenen Sache rufen lassen,
der Verkündigung des Wortes Gottes, aus dem die Kirche lebt, von