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Ausgabe:

1988

Spalte:

895-896

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Mlakuzhyil, George

Titel/Untertitel:

The Christocentric literary structure of the Fourth Gospel 1988

Rezensent:

Becker, Jürgen

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 12

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griechisch" des Markusevangeliums erfolgreich in Frage gestellt hat.
Die Bedeutung seines Beitrags ist nur dadurch relativiert, daß er sich
bisher auf die ausgewählten syntaktischen und stilistischen Phänomene
begrenzt hat und daß sich die soziolinguistischen Besonderheiten
des Markusevangeliums eher in seinem Wortschatz zeigen
werden. Dessen ist sich jedoch R. bewußt.

Prag Petr Pokorny

Mlakuzhyil. George, S. J.: The Christocentric Literary Structure of
the Fourth Gospel. Roma: Editrice Pontificio Istituto Biblico
1987. XX, 370 S., 1 Falttaf. gr. 8' = Analecta Biblica, 117.
Lire 45.000.

Die vorliegende Dissertation, die von A. Vanhoye betreut und
gefördert wurde, möchte - ausgehend von der allgemein anerkannten
christozentrischen Theologie des vierten Evangelisten - aufweisen,
daß diese Christozentrik gerade auch die literarische Struktur des
Evangeliums bestimmt: "The Fourth Evangelist has composed his
Gospel for a Christocentric purpose as is explicitly stated in his con-
clusion. . . (20,30-31). 1t would be enlightening. therefore, to
examine how he has achieved his purpose by strueturing his select
material into an organic wholc" (S. I). Dieser literarischen Struktur
will M. beikommen, indem er in Anlehnung an seinen Lehrer A. Vanhoye
und an R. A. Culpepper auf das System der Relationen aufgrund
stilistischer Hinweise, auf die dramatische Technik und auf die
Disposition der Teile achtet (S. 1). Dabei will er keine "structuralist
analysis" überhaupt geben, sondern nur die dramatisch-literarische
Oberflächenstruktur erheben (S. 1 f)-

Solche Analyse setzt voraus, daß das Joh als literarische Einheit zu
begreifen ist. Also muß M. sich gegen die johanneischen Literarkriti-
ker wenden. Dies geschieht allerdings S. 6 ff in einer sehr groben und
ungenügenden Weise, wobei oft zu lesende Vorurteile gegen johan-
neische Literarkritik pauschal nochmals wiederholt werden. Der
Leser merkt schnell, M. ist nur von der Sinnhaftigkeit synchroner
Textanalyse überzeugt und will sich darum überhaupt nicht ernsthaft
mit der Diachronie des Textes als Problem befassen. Etwas gründlicher
setzt er sich dann mit den Forschern auseinander, die struktu-
rale Analysen zum Johannesevangelium vor ihm vorlegten (S. 17ff).
Doch insgesamt bleibt es auch hier weitgehend bei dem statistischen
Konstatieren der erörterten Versuche.

Die eigentliche Untersuchung setzt bei M. damit ein, daß er die
Bausteine für die Struktur des vierten Evangeliums zusammenträgt
(S. 87ff). Wiederum ist dabei die Tendenz vordergründig-statistischer
Sammlung beherrschend. So'werden z. B. 12,37-43.44-50 als doppelter
Abschluß von Joh 2-12 verstanden, weil in diesen Stücken die
formale Wortstatistik so viele Gemeinsamkeiten aufweist (S. 89f).
Aber das wissen die Exegeten doch längst alle und dennoch gibt es solchen
Streit um den Text, seine Geschichte und Zuordnung zum Evangelium
! Oder: Nur weil in Joh 1,1 und 2,11 je das Wort „Anfang"
begegnet, soll eine Inklusion vorliegen (S. 94)! Nun soll damit nicht
gesagt werden, daß M. keine kritischer Kontrolle standhaltenden
Beobachtungen liefert, wohl aber dieses: Man muß bei ihm erst sehr
viel Spreu vom Weizen trennen, bis (man auf die validen Ergebnisse
stößt. •»

Nachdem M. die literarischen Kriterien, die dramatische Technik
und die strukturalen pattern besprochen hat, kommt er zum Aufweis
der literarischen Gesamtstruktur des vierten Evangeliums (S. 137ff).
Natürlich hat bei ihm - wie bei (fast) allen Strukturalisten - die Oberfläche
des Textes eine ästhetisch ungemein befriedigende Gesamtstruktur
(S. 238-241). Sie ist (nahezu) gleichrangig mit Werken der
Hochliteratur. Doch eben das weist das Artifizielle des Ergebnisses
auf: Kann man sich wirklich vorstellen, daß ein Evangelist ein solches
Strukturales Kunstwerk schaffen wollte?

Endlich erörtert der Vf. in einem letzten großen Arbeitsgang, wie
sich in dieser Struktur die johanneische Christozentrik widerspiegelt

(S. 243 ff). Das kann natürlich nur den voll überzeugen, der die literarische
Struktur, wie M. sie beschreibt, als Arbeitsthese übernimmt. M.
geht dabei so vor. daß er die christologisch-soteriologischen Themen,
die er in der Einleitung Joh 1,1-2,11 und im Abschluß Joh 20,31 f
anhand von theologisch relevanten Worten und deren I läufigkeit konstatiert
, zum Leitfaden der Erörterung macht, um zu zeigen, daß und
wie solche Worte-wie z. B. „Christos" (S. 245ff) - u. a. an strukturell
bedeutsamen Stellen anzutreffen sind. Daß dies wiederum eine recht
formal-statistische und nur an „Begriffen" orientierte Darstellung ist.
liegt offen zutage. M. beeilt sich denn auch festzustellen, daß er nicht
detailliert die verschiedenen Aspekte johanneischer Theologie darstellen
könne (S. 243), wohl aber abschließend konstatieren darf
(S. 350), daß sich im Medium der literarischen Struktur eine progressive
Offenbarung von Jesus, dem Christus, dem Sohn Gottes und
Lebensspender in auffällig schöner Weise wiederfindet.

Angesichts solcher Harmonie legt der Leser die Dissertation beiseite
und hat das ungute Gefühl, hier ist mit zu einfachen Mitteln zu viel
des Guten getan; die schwierigen johanneischen Interpretationsprobleme
sind schlicht ausgeblendet.

Kiel Jürgen Becker

Ylenard, Camil: L'Ksprit de la Nouvelle Alliance chez Saint Paul.

Montreal: Ed. Bellarmin; Paris: Cerf 1987. 372 S. gr. 8" = Recher-
ches, Nouvelle Serie, 10.

Diese Dissertation der Universität Laval versteht sich als Beitrag
zur Erfassung der Konzepts der pneumatologischen Aussagen
(enonce) des Paulus in ihrer Äußerungsstruktur (enonciation) als eines
theologischen Ausdrucks, der sich semantisch besonders schwer präzisieren
läßt. Einleitend wird ein Jahrhundert Forschungsgeschichte
(von Gunkel 1888 bis Isaac 1976) im Hinblick auf die Methoden mit
der positiven Bilanz vorgeführt (27-62), daß sich hinsichtlich der
Ambiguität der verwendeten Erfahrungskategorien (ekstatisch, mystisch
, charismatisch usw.) wie hinsichtlich der angenommenen Epochenkontexte
(jüdisch, hellenistisch, gnostisch usw.) die Problematik
möglicher Adäquatheit besonders deutlich abzeichnet. (Allerdings
sollte man bezüglich so fundamentaler Fragen wie der Grenzen der
historisch-kritischen Methode nicht Mißverständnisse einführen wie
61: «le sens du texte est l'acte que le texte produit» - unter Aufnahme
von Ricceur 1971, der damit allerdings nicht den ,Sinn' als Akt definierte
, sondern die .Interpretation'.)

Der erste Teil bemüht sich um den semantischen Gehalt des Ausdrucks
(etude de la signification du terme ,Pneuma') in christolo-
gischer (le Christ et l'esprit 63-131) und anthropologischer (L'expe-
rience de l'esprit 133-179) Hinsicht (historisch-kritisch), während der
zweite als «recherche de l'identite du signifie» (der sich als .Interpretation
/Hermeneutik' versteht 185-336), um «l'ordre psychologique et
memc ontologique» bemüht und also um eine Antwort im Bereich der
traditionellen Oppositionen von .persönlich/unpersönlich' und .trini-
tarisch/nicht-trinitarisch'.

Als Dimension paulinischer Christologie werden die Zentralstellen
(IKor 15,45; 6,17; 2Kor3; Rom l,3f; 8,9-11) unter der Fragestellung
.Differenz oder Identität' gemustert und die Geistaussagen relational
bestimmt: Der .lebendige Gott' (als Schöpfer) erscheint als
Quelle wie der auferweckte Christus als dessen .Agent' für die permanente
und prozessual kreative Gabe des Geistes (131: «la pensee de
Paul sur l'esprit n'est pas un simple appendice de sa christologie»).
Weniger überzeugend ist dabei der Versuch, eine paulinische Entwicklung
aufzuzeigen, indem die konsequent-eschatologisch interpretierten
Thess an den Anfang gestellt sind (67-74.126 - wobei auch
2Thess bedenkenlos als paulinisch behandelt wird), wie Eph abschließend
als Zielpunkt erscheint (119-125.1270, wobei ihm nicht nur
«fidele ä la coneeption paulinienne» (123) zuerkannt wird, sondern
nachträglich überraschend sogar die Funktion «clarifie certaincs
ambiguites de langage inherents ä la perspective des grandes epitres»