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Ausgabe:

1988

Spalte:

889-891

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bächli, Otto

Titel/Untertitel:

Das Alte Testament in der kirchlichen Dogmatik von Karl Barth 1988

Rezensent:

Wächter, Ludwig

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889

Theologische Literaturzeitung U3. .lahrgang 1988 Nr. 12

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In jedem Kap. wird zudem die Geschichte des jeweiligen eschatolo-
gischen Themas auch in der intertestamentarischen Literatur und
dem NT. verbunden mit Hinweisen auf den weiteren Gebrauch bei
den Rabbinen und in der frühen Kirche, kurz dargestellt.

Die Anlage des Buches bringt es mit sich, daß die Gestalt des Messias
im Rahmen von Kap. 2 behandelt wird, wobei ein eschatolo-
gischer Messias für das AT verneint wird; eine Behandlung der Begriffe
.Tag Jahwes' und .Rest" als esehatologische Begriffe fehlt völlig.
An diesem Sachverhalt wird m. E. die Bedingtheit der Darstellung
dieses Buches deutlich. Moglicherweise steht das auch mit einer nur
sehr lückenhaften Benutzung der einschlägigen deutschsprachigen
Literatur (vgl. so u. a. S. 130 Anm. 3), bei deren Anführung zudem
mehrfach Schreibfehler begegnen, in Zusammenhang.

Rostock Klaus-Dietrich Schunck

Bächli. Otto: Das Alte Testament in der Kirchlichen Dogmatik von

Karl Barth. Neukirchen-Vluyn: Neukirchcner Verlag 1987. XII.
368 S. 8". Pb. DM 68.-.

Karl Barth hat mehr als je ein Systematiker biblische, und zwar
sowohl neutestamentliche als auch alttestamcntliche Exegese in seine
Dogmatik eingebaut. Ihre Entfaltung geschah unter ständiger Befragung
und Auslegung des Bibelwortes Alten und Neuen Testaments,
wobei freilich die Fragestellungen und überhaupt die Methoden, an
die Texte heranzugehen, in eigenständiger Weise von dem abwichen,
was die Exegeten seit dem Aufkommen der historisch-kritischen Forschungentwickelt
hatten.

Um Karl Barths Umgang mit dem Bibeltcxt in seiner Intention zu
erfassen und zugleich kritisch zu würdigen, genügt es nicht, mit systematischer
Theologie vertraut zu sein; es genügt auch nicht, über solide
exegetische Kenntnisse zu verfügen; es muß vielmehr beides in gleichem
Maße vorhanden sein. Bei Otto Bächli ist dies der Fall: Durch
sein Studium in Basel ist er in Karl Barths Theologie eingedrungen,
und er hat sich als profunder Kenner des Alten Testaments und der
mit seiner Erforschung verbundenen Probleme durch beachtenswerte
Beiträge ausgewiesen. Genannt seien nur die Bücher „Israel und die
Völker" (1962) und ..Amphiktyonie im Alten Testament" (1977).

Aufgrund seiner Vertrautheit mit Person und Werk Barths gelingt
es Bächli. viel mehr zu bringen als nur eine Zusammenfassung eines
Teilbeteichs der ..Kirchlichen Dogmatik". Er fängt vielmehr auch,
indem er das übrige Schrifttum Barths bis hin zum Briefwechsel hin-
zunimmt und dies alles in seine Biographie einzeichnet, die Etappen
seiner immer intensiver werdenden Beschäftigung mit dem Alten
Testament ein.

An den Anfang der Einleitung (S. 3) wird eine späte Äußerung Karl
Barths gestellt: ..Daß es sich im Alten Testament um eine bewegende
Sache handeln möchte, fing mir erst in Berlin bei Gunkel an aufzugehen
." Diese Äußerung zieht sich als eine Art Leitmotiv durch die
gesamte breitgefächerte Untersuchung. Sie gibt Anlaß, nach dem Einfluß
zu fragen, den bestimmte Alttestamentler oder deren Schriften
auf Karl Barth ausgeübt haben und in welcher Weise er deren Anregungen
aufgenommen hat. Es schließt sich die Frage an. wann und wo
das Alte Testament für Barth in der Tat zur „bewegenden Sache"
geworden ist. Als Ergebnis zeichnet sich die Zeit des Kirchenkampfs
ab. ..Mit Barmen ist für Barth und seine Theologie endgültig entschieden
, daß es sich im Alten Testament ,um eine bewegende Sache
handeln möchte'" (S. 64). „Barths .Entdeckungdes ATs' ist kein .rein-
theologischer Akt, sondern . . . mitbedingt durch die politische Situation
im Deutschland der frühen dreißiger Jahre" (S. 66).

Dies ist ein wichtiges Ergebnis des ersten Kapitels, das mit „Dialog"
überschrieben ist. In ihm geht es um das Gespräch mit den „Vätern"
(§4). wobei Gunkel genannt wird, bei dem Barth Vorlesungen hörte,
und A. v. Harnack, mit dem er sich frühzeitig auseinandersetzte, um
das Gespräch mit den „Brüdern" (§ 5), vor allem um den kritischen
Meinungsaustausch mit W. Baumgartner sowie um die Einwirkung,

die W. Vischel auf Barth ausgeübt hat, und schließlich um das Gespräch
der „Söhne" (§ 6) mit Karl Barth, d. h. seiner Schüler oder
jüngerer alttestamentlicher Kollegen (vor allem Zimmerli. aber auch
Klopfenstcin. Kraus. Smend, Stamm). In den weiteren Paragraphen
dieses Kapitels geht es um die Stellung, die Karl Barth im Kirchenkampf
bezogen hat. insbesondere durch die Barmcr Erklärung (§ 7
Der Zeitgenosse) und die Profilierung seiner theologischen Position,
auch in der Trennung von ehemaligen Weggefährten (§ 8 Wende und
Distanz).

Kapitel II. der umfangreichste Teil des Buches, behandelt Barths
Exegese. Der l. Teil - Exegese als theologische Aufgabe (§9-§ 14) -
setzt mit der Bestimmung von Barths Kanonbegriff ein. weil von dort
aus eine entscheidende Weichenstellung für Barths Exegese erfolgt.
„Der Kanon ist für ihn eine aus zwei Teilen bestehende Einheit"
(S. 83). Barth redet „von einer .kanonischen Denkform' der alt- und
neutestamentlichen Zeugen" (S. 88). Für ihn ist auch der alttestamcntliche
Teil der Bibel maßgebender Kanon und damit Offenbarung
Gottes (S. 84).

Bächli unterscheidet bei Barths Exegese verschiedene Arten des
Herangehens: die Zitierung einzelner Schriftbclege. die Aufreihung
von Bibelstellen und die eingehende Exegese einzelner Sätze und
geschlossener Abschnitte (S. 99). Auffällig in der KD sind besonders
die Aufreihungen von Zitaten, die Barth den Vorwurf der „Summa-
tionsexegese" eingebracht haben. Sie werden von Bächli im Anschluß
an Barths Terminologie in Seminarübungen als ..Schneisen" bezeichnet
. „Barth versteht darunter den unter einem bestimmten Aspekt
angetretenen Uberblick über die Ganzheit der Schrift, sei es unter dem
Aspekt eines einzelnen Wortes, eines Ereignisses, eines Namens, eines
theologischen Begriffs usw." (S. 99) Teils handelt es sich bei diesen
„Schneisen" um Querschnitte durch das Alte oder Neue Testament
oder beide, teils um Längsschnitte, durch die versucht wird, die Zäsuren
eines geschichtlichen Verlaufs darzustellen, teils um durchgehende
Linien (vgl. S. 990-

Querschnitte und Längsschnitte kommen sowohl bei der „geschichtlichen
Schneise" (§ 12) vor. die stark von Barths Christologie
her geprägt ist, als auch bei der „exegetischen Schneise" (§ 14). dem
Exkurs zu bestimmten theologischen loci.

Der 2. Teil des Kapitels wendet sich der „Thematischen Exegese"
ZU, welche die Auslegung größerer alttestamentlicher Komplexe
bringt. Genannt sei § 15, wo unter dem Stichwort „Der Erwählte und
der Verworfene" Gen 4. die Geschichte von Kain und Abel, die
Ritualvorschriften von Lev 14.4-7 und 16,5f. die Geschichte von
Saul und David und I Kön 13 ausgelegt werden. Dabei deutet Barth
die obengenannten Ritualvorschriften - auch die vom Sündenbock! -
christologisch-typologisch. eine Auslegung, von der sich Baumgartner
in einem Brief distanzierte (vgl. S. 173). Hier und auch an anderen
Stellen, wo sich die Frage nach dem Verhältnis von Dogmatik und
Exegese zuspitzt, fragt Bächli kritisch an, ob nicht doch zu wahrende
Grenzen überschritten seien.

Während sonst in der KD der Text von dem durch die Dogmatik
bestimmten locus her thematisch befragt wurde, leitet bei der „Lehre
von der Schöpfung" der biblische Text „die dogmatischen Erwägungen
und ordnet sie dem ihm eigenen Gefälle unter" (S. 227). Das ist
ein Sonderfall, und darum trennt Bächli die Lehre von der Schöpfung
vom Vorangehenden und spricht von „Exegese als theologischer
Kommentar" (3. Teil).

Kapitel III beschäftigt sich mit der Hermeneutik, d. h. dem Weg von
der Exegese (explicatio) zur applicatio. der über das Hören. Verstehen
und Auslegen zum Beobachten, Nachdenken und Aneignen führt (vgl.
S. 277). Dabei faßt Bächli noch einmal kurz und bündig Prämissen
und Grundlagen von Barths Auslegung alttestamentlicher Texte
zusammen (S. 270): „Das Alte Testament bezeugt die Erwartung Jesu
t hristi, das Neue Testament die Erinnerung an ihn. Jesus Christus ist
Mitte und Klammer des Kanons." Indem die Kirche „sich durch den
ganzen Kanon Gottes Wort sagen läßt, bejaht sie seine Einheit und
widersetzt sich einer Disqualifizierung des Alten Testaments".