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Ausgabe:

1988

Spalte:

888-889

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gowan, Donald E.

Titel/Untertitel:

Eschatology in the Old Testament 1988

Rezensent:

Schunck, Klaus-Dietrich

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Theologische Literaturzeitung I 1 3. Jahrgang 1988 Nr. 12

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und 60-66 oder Kap. 7-12 und 36-39) vergleichbare Konzeptionen
("similar coneepts") stehen, läßt sich hinsichtlich der Entstehung des
Buches nur so erklären: "there is an observable strueture about its
thought that explains the power ofthe book and without which the
book becomes little more than a collection of sayings put together for
no apparent reason " (S. 21).

Die wirkliche Einheit des Buches besteht in seinem zentralen
Thema, durch das die Natur und das Geschick des Gottcsvolkes ("the
nature and destiny of the people of God") zur Sprache gebracht wird.
Das Stichwort heißt „Knechtschaft" (servanthood), und der Prophet
antwortet mit seiner Verkündigung auf die Frage: "How can a sinful.
corrupt people become the servants of God?" (S. 21) oder: "How can
this Israel become that Israel?" (S. 54). Die Spannung der Frage wird
in den Kap. I -5, vor allem in dem Gegenüber von Kap. 1 und 2,1-5
vermittelt. Sic bilden deshalb die "Introduction to the Prophecy: The
Present and Future of God's People" (S. 79-170). Kap. 6 muß dann
als der eigentliche Schlüssel zum Verständnis des ganzen Buches aufgefaßt
werden. Mit dem Ruf in die Knechtschaft ("A Call to Servanthood
", S. 170-191) wird die Lösung der Frage exemplarisch vorweggenommen
. Inhaltlich wird darin ausgesagt: "Sinful Israel can
become servant Israel when the experience of Isaiah becomes the
experience ofthe nation" (S. 1740- Der thematische Aufbau des
6. Kapitels kann aber auch insgesamt mit dem Dreischritt des Buches
verglichen werden: "Chs. 7-39 express the majesty ofGod and yet the
people's sinfulness (cf. 6:1-5). Chs. 40-55 teil of God's willingness
and ability to deliver his people (cf. 6:6-8). Chs. 56-66 deal with the
realities, sometimes harsh, of trying to be God's light in an unreeeptive
environment(cf. 6:9-13)" (S. 55).

So stellt O. die Kap. 7-39 unter die Überschrift: "Whom Shall We
Trust? Basis for Servanthood" (S. 192-698). Geeint werden diese
Kapitel durch die Gegenüberstellung von politischem Vertrauen und
radikalem Gottvertraucn. Israel hat vor dieser Alternative versagt und
mußte in das Exil. Mit dem „Gottesknecht" (Kap. 40-55) wird Israel
erneut die Möglichkeit zur Umkehr angeboten, die in der Offenbarung
der Herrlichkeit Gottes durch sein Volk zur Vollendung kommt
(Kap. 56ff mit Kap. 66 als Höhepunkt).

Die grundlegende Einheit des Denkens, wie sie für O. an der Struktur
des Aulbaus deutlich wird, spiegelt sich auch in seiner Theologie
wider. Hierbei werden die Themen "God" (S. 32-36), "Humanity
and the World" (S. 36-38). "Sin" (S. 38f) und "Judgment and
Redemption" (S. 39-44) behandelt.

Der Kommentar ist von einer stark fundamentalistisch orientierten
Bibelauslegung her geschrieben. Damit dürfte er für die kritischen
Fragen nach dem Propheten des 8. Jh.. nach seiner Verkündigung und
Theologie sowie nach der Entstehung des Jcsajabuches nicht hilfreich
sein. Demgegenüber könnten seine Beobachtungen zur Struktur des
Aufbaus und zur Gesamttheologie des Buches im Blick auf die Endredaktion
und ihrer Theologie einige Anregungen bieten, und sie sollten
innerhalb der kritischen Forschung nicht unüberprüft bleiben.

Die Frage nach dem Gesamtzusammenhang, nach einer möglichen
Einheit, ist jedenfalls nicht illegitim, sondern notwendig. So gesteht O.
selbst ein, daß eine solche Einheit durchaus anders, etwa im Sinne
eines historischen Prozesses, wie ihn B. S. Childs2 für die Kanonbildung
aufgezeigt hat, begründet werden könnte (S. 450- 'm weiteren
wird sich die kritische Forschung durch einen solchen Kommentar
auch fragen lassen müssen, ob die von ihr erhobenen theologischen
Aussagen und Begründungen mit der kritischen Analyse Schritt gehalten
haben. Eine Spannung zwischen Prophetenbild und Prophetenbuch
ist hier ja des öfteren unübersehbar. Wenn Einigkeit darin
besteht, daß das Jesajabuch insgesamt ein prophetisches Buch ist,
dann wird es für die historisch-kritische Exegese dringend notwendig.

' Vgl. Chr. Hardmeier. Jcsajaforschung im Umbruch, VuF 31, 1986.
3-31.

! Introduction to the Old Testament asScripture. London 1979.

entsprechend ihrer Ergebnisse und in Übereinstimmung mit diesen
neu nach dem zu fragen, was nicht nur historisch, sondern auch theologisch
und hermeneulisch Prophetic heißt.

Greifswald Ernst-Joachim Waschice

Gowan. Donald E.: Kschatology in the Old Testament. Edinburgh:
Clark 1986. XI, l50S.gr. 8 Lw.£ I 1.95.

Was ist eigentlich unter Eschatologie des Alten Testaments zu verstehen
? Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß in dieser Frage bis
heute keine Übereinstimmung in der alttestamentlichen Forschung
besteht: nur darin ist man - lehnt man den Begriff nicht überhaupt für
das AT ab - weithin einig, daß dieser im AT nicht wie in der Dogma-
tik als Lehrstück „de novissimis" oder als System zu verstehen ist Sc
nimmt man teils skeptisch, teils neugierig ein Buch zur Hand, das "A
New Approach to Eschatology in the Old Testament" sein möchte
(S. 1).

Um das Ergebnis der Lektüre sogleich zu nennen: Was D. E.
Gowan. Professor für Altes Testament am Pittsburgh Theological
Seminary. hier vorlegt, ist ein zunächst beeindruckender, in sich
geschlossener und gut durchdachter, letztlich aber doch einseitiger
neuer Versuch, das Phänomen der alttestamentlichen Eschatologie zu
erfassen und die eschatologischen Überlieferungen Israels in ihrer thematischen
Entwicklung darzustellen. "My approach isthematic. like
some earlicr theologics and monographs". doch "decisions about the
probable dates of certain passages still have to made." Deshalb: "The
principal concern will be thematic dcvelopment" (S. 2). so daß das
vorliegende Buch "a history of eschatological tradition" im AT sein
soll(S. I).

Wie aber faßt der Vf. nun den Begriff .Eschatologie'? Indem er ihn
zunächst von den allgemeinen Erwartungen einer besseren Zukunft
abgrenzt, beschränkt er ihn auf Verheißungen, die von einem zukünftigen
Sein sprechen, das sich deutlich von dem gegenwärtigen Sein
unterscheidet und nicht als Ergebnis menschlichen Fortschritts m
verstehen ist. Dabei gilt die hier zum Ausdruck kommende Zukunftsschau
aber durchweg der Welt, in der wir jetzt leben. Dementsprechend
hält er es für ein wesentliches Merkmal eschatologischcr Texte,
von der radikalen Verderbtheit der gegenwärtigen Welt und der Verheißung
eines radikalen Wandels, den Gott zu einem nur ihm bekannten
Zeitpunkt vollziehen wird, zu sprechen. Verantwortlich für diese
Verderbtheit ist die menschliche Sünde; da das Wort .Eschatologie'
wörtlich .Lehre vom Ende' bedeute, sei der BcgrilT .Eschatologie'
somit genauer als .Lehre vom Ende des Bösen' ("the end of evil") zu
definieren (S. 2).

Der Vf. ist durch zwei Beobachtungen zu dieser Studie angeregt
worden: I. In Ez 36,22-38 wird für die ideale Zukunft eine dreifache
Veränderung der Welt durch Gott vorausgesetzt - wobei diese
"pattern" noch öfter im AT begegnen -. nämlich eine Wandlung des
Menschen, dem ein neues Herz und ein neuerGcist gegeben wird, eine
Wandlung der menschlichen Gesellschaft, indem Israel wieder in dem
verheißenen Land wohnt und seine Städte wieder aulbaut, und eine
Wandlung der Natur, die das Land so ertragreich macht, daß Israel
nicht mehr eine Hungersnot erleidet. 2. Jerusalem nimmt im AT eine
herausragende Stellung ein, wobei gerade in Texten mit eschatologischen
Themen Zion eine bedeutsame Rolle spielt.

Auf diesen beiden Feststellungen basiert die Gliederung des vorliegenden
Buches. Nach einer "Introduction" behandelt das I. Kap.
zunächst das Thema "Zion - The Center of Old Testament Eschatology
". Darauf aufbauend werden sodann als weitere Themen entfaltet
: Kap. 2: "Peace in Zion - The Transformation of Human
Society". Kap. 3: "The People of Zion - The Transformation ofthe
Human Person". Kap. 4: "Highcst of All the Hills - The Transformation
of Nature". Eine "Conclusion" versucht schließlich, den
Einfluß der alttestamentlichen Eschatologie auf die heutige Zu-
kunftshoffnung. wie sie in der westlichen Welt begegnet, aufzuzeigen.