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Ausgabe:

1988

Spalte:

878-879

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Davies, Paul C. W.

Titel/Untertitel:

Gott und die moderne Physik 1988

Rezensent:

Jenssen, Hans-Hinrich

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877

Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 12

878

spektivcn. hg. von R. Imbach. C. Rüder. Sonderham! der: Freiburger Zeitschrift
für Philosophie und Theologie 32,1985,42, Anm. 61.

1J Vgl. B. Mojsisch, Die Theorie des Intellekts bei Dietrich von Freiberg,
66-69.

M Vgl. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit,
Hamburg 1983.133-135.

Allgemeines, Festschriften

Betto, Frei: Nachtgespräche mit Fidel. Aus dem Portug. unter Berücksichtigung
der kuban. Ausg. übers, von S. Petermann, deutsche Fassung
redigiert von K. Radzimanowski. Berlin: Union Verlag 1987
(Lizenzausgabe von Genossenschaft Edition Exodus, Freiburg/
Schweiz). 344 S. 8". M 12,60.

Diese Gespräche sind weltweit auf Interesse gestoßen und ihre Ausgaben
in verschiedenen Sprachen rasch besprochen worden.1 Das
Interesse ist wohl in erster Linie auf den politischen Rang des Gesprächspartners
Fidel Castro zurückzuführen. Dazu kommt bei diesem
die Art und Weise, wie er sich dem Thema historisch, philosophisch
und persönlich nähert. Keineswegs wird durchgehend über bekannte
Positionen hinausgeführt, wohl aber vermittelt diese Zusammenschau
vielfach bemerkenswerte Nuancen und Einsichten zur Einschätzung
des Phänomens Religion in der kreolischen Kultur der Insel
und im kubanischen Sozialismus. Bei voller Bejahung des beschrit-
tenen Weges drückt Castro ebenso seine Bereitschaft zur Selbstkritik
hinsichtlich der Haltung gegenüber den Kirchen und an Formen eines
marxistischen Dogmatismus aus, wobei er souverän auch die Selbstkritik
der Kirchen im Blick auf ihre Geschichte und ihren Dogmatismus
einfordert (z. B. 158. 168). Die stärkste Kritik liegt m. E. in den
autobiographischen Einlassungen des römisch-katholisch erzogenen
Staatsmannes, die schmerzlich belegen, wie wenig formal vollzogene
Kirchlichkeit einschließlich des regelmäßigen Gottesdienstbesuches
religiös zu sozialisieren vermag (68-73). Die Bereitschaft, die Rolle
der Kirche über alte Klischees hinaus neu zu formulieren, ist offensichtlich
aus der Beobachtung ökumenischer Entwicklungen erwachsen
, die ihre Auswirkungen und Entsprechungen auch im
Katholizismus und Protestantismus Kubas besitzen. Dabei werden
durchaus Mühen deutlich, gewonnene theoretische Einsichten über
die Nähe von Christentum und Marxismus nun auch in praktische
Schritte umzusetzen. Castro hält hierfür auch den weiteren Ausdruck
einer veränderten Haltung von Christen und Kirchen im Blick auf gesellschaftliche
Prozesse Tür notwendig. Der brasilianische Dominikaner
Betto tritt als selbstbewußter Gesprächspartner auf, der wohl
um die Gunst einer derart ausführlichen Interviewgelegenheit weiß.
Er tritt für eine mit den Armen solidarische Kirche ein. und dieses Anliegen
liefert genügend gemeinsamen Zeichenvorrat für einen Dialog,
der stets mit der christlichen Identität des Dominikaners verbunden
ist.

Die Bedeutung dieser Gespräche liegt m. E. einmal in der Aufhellung
der Situation vor allem der römisch-katholischen Kirche in
Kuba.2 Daß dieses zuerst aus staatlicher Perspektive erfolgt, mindert
das Gewicht des Vorganges keineswegs, sondern hebt einen Aspekt
der Analyse heraus. Durch die immer wieder in die Geschichte zurückgehenden
Antworten wird die Schwierigkeit des Verstehens in
historischen Dimensionen faßbar. Es muß also mit langfristigen Entwicklungen
gerechnet werden, die nicht allein mit gutem Willen zu
bewältigen sind, ihn gleichwohl voraussetzen. Daß eine prinzipielle
Bejahung von Theologien der Befreiung noch einmal der Umsetzung
im eigenen Land bedarf, spricht Castro auch dann an. wenn er eine
„subtile Diskriminierung" von Christen nicht ausschließt (160f.
190f0- Uber Kuba hinaus sind die Aussagen des Bandes ferner aufschlußreich
für eine Rezeption der Befreiungstheologien in der
Region selbst. Die Würdigungen, die das Buch über seinen eigentlichen
Kontext hinaus gefunden hat, signalisieren daneben jedoch

ebenso wie die Aussagen Castros die Bedeutung, die aus anderer weltanschaulicher
Perspektive diesen Theologien für die Entwicklung der
Weltchristenheit generell beigemessen wird, und damit wohl auch,
wieviel an der Neuformulierung der Beziehungen zwischen Christentum
und Marxismus den Basisgemeinden und den von ihr getragenen
Theologien innerhalb der gesamten Kirche geschuldet ist. Schließlich
darf dazu auch die Entstehung eines interdisziplinären Austauschs gerechnet
werden. Das beweist nicht zuletzt das Interesse von Lateinamerikawissenschaften
und marxistisch-leninistischer Philosophie an
der vorliegenden Dokumentation. Die Theologie wird das ihrerseits
aufmerksam registrieren müssen, sofern das nicht bereits geschehen
ist. Da Fragen und Antworten das weite Feld von „Religion" betreffen
- s. Originaltitel! - und sich auf ihre Wirksamkeit in gegenwärtigen
Gesellschaften beziehen, liegt hier eine Ermutigung vor, das sich abzeichnende
interdisziplinäre Gespräch ausdauernd zu fördern, zu
konkretisieren und zu intensivieren, um Wissen, Bewußtsein und Praxis
allgemein auf den aktuellen Stand der Entwicklung zu bringen.

Der Benutzer dieser Ausgabe verdankt Kersten Radzimanowski
neben der relativ schnellen Publikation auch Nachwort und informative
Dokumentationen im Anhang.

Rostock Jens Langer

Vgl. - in zufälliger Auswahl - die Rezensionen zu: Fidel y la religiön.
Conversaciones con Frei Betto. La Habana 1985 von S. Bachmann in: asien -
afrika-lateinamerika 14, 1986, 1134- 1137; E. Ofia in: Probleme des Friedens
und des Sozialismus 30, 1987, 111-114; H.-G. Stieler in: Deutsche Zeitschrill
für Philosophie 35, 1987, 1068IT; zur polnischen Ausgabe /.. Morawski in der
Tageszeitung „Zycie Warszawy" vom 23724. 8. 1986 (auszugsweise dokumentiert
in: Information Bulletin. Press organ of Christian Social Association.
Warszawa, No. 9, September 1986, 230; zur schweizerischen Ausgabe bei der
Edition Exodus, die die Lizenz für die DDR-Ausgabe erteilt hat, den Theologen
E. Buess im von der Kommunistischen Partei der Arbeit herausgegebenen
„Vorwärts" Nr. 1/2 vom 8. 1. 1987, 4, unter dem bemerkenswerten Titel
„Christen und Marxisten - vom Dialog zur gemeinsamen Praxis?"; R. Bauer-
dieck in: Neue Stimme H. 12 1986, lOf; R. Arce Valentin in: EvTh 48, 1988,
170-176; auf diese Ausgabe beziehen sich auch Textauszüge und Kommentierung
in: Information. Oekumenischer Jugenddienst 9-10/1986, 1-20 und in:
„Glaube und Heimat" Nr. 8 vom 22.2. 1987, lf; die DDR-Ausgabe wurde
u.a. auch in zahlreichen Tageszeitungen besprochen, die im Frühjahr 1988
ebenso mehrere Interviews mit Betto publizierten.

2 Vgl. dazu auch N. Stein, Kuba - Staat und Kirche im Dialog, in: Horizont.
Sozialistische Monatszeitung für internationale Politik und Wirtschaft
Nr. 6/1986, I8;G. Burchardt, Koexistenz statt Getto?Castro und die Kirche in
Kuba, in: HK 40, 1986, 165-169; die redaktionelle Bearbeitung eines Artikels
aus: Orientierung (Zürich) unter der Überschrift „Kubas Kirche auf dem Weg
der Neuorientierung", in: begegnung 26.1986, H. 6 21 f, die alle auch auf Betto
Bezug nehmen.

Davies, Paul: Gott und die moderne Physik. Vorwort von H. von
Ditfurth. Aus dem Engl, von K. A. Kiewer. München: Bertelsmann
1986. 319 S. m. 23 Abb. 8 Lw. DM 39,80.

Die Zahl der Bücher und Aufsätze, in denen sich - z. T. in ihrem
Fach hoch renommierte - Naturwissenschaftler über Fragen der Religion
und der Weltanschauung äußern, nimmt offenkundig wieder zu.
Die theologische Grenzscheidungsapologetik, die davon ausging, daß
Naturwissenschaft und Glaube sich zueinander verhalten wie Löwe
und Haifisch, die wegen unterschiedlicher Lebensräume auch nicht
miteinander in Konflikte geraten könnten, hat es zunehmend schwerer
. Denn so gewiß sich die Aussagesysteme von Naturwissenschaft
und Theologie in ihrer Zielstellung und in ihren Strukturen wesentlich
voneinander unterscheiden, so gewiß bleiben unsere Vorstellungen
von Welt, Mensch und sogar Gott nicht unberührt von den
Erkenntnissen der Naturwissenschaften. Das naturwissenschaftliche
Weltbild besitzt - trotz aller seiner Problematik - eine hoch brisante
weltanschauliche Relevanz, wenn es auch keineswegs zu eindeutigen
philosophischen und theologischen Verallgemeinerungen führt. Für