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Ausgabe:

1988

Spalte:

871

Autor/Hrsg.:

Mojsisch, Burkhard

Titel/Untertitel:

- 877 Dietrich von Freiberg 1988

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871

Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 12

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meinem Buch über die Gotteslehre des Thomas von Aquin (1961) beschäftigt.
Ich möchte deshalb bei dieser Gelegenheit einen sinnentstellenden Druckfehler
an strategischer Stelle in jenem Buch (S. 8, Z. 8) korrigieren: Es ist dort, statt:
„die sich", zu lesen: „das sich"!

" Goethe denkt dabei an das die moralische Weltordnung durchkreuzende
Dämonische. Dichtung und Wahrheit. Buch 20.

12 Dichtung und Wahrheit IV.

Wie Carl Schmitt (Politische Theologie II. Die Legende von der Erledigung
jeder politischen Theologie, 1970, S. 1220 vermutet, nach J. M. R. Lenz,
Katharina von Siena („. . . Gott gegen Gott. . .", seil. Jesus gegen den Übervater
).

14 Mt 27,46.

15 Begriff von D. Winnicott, Playing and Reality, 1971, dt.: Vom Spiel zur
Kreativität, 1973. Dazu, was die Wahrheitsfrage betrifft, A. Lorenzer/P. Or-
ban, Transitional Objects and Phenomena: Socialization and Symbolization,
in: S. A. Grolnick [Hg.], Between Reality and Fantasy, 1978, S. 471 -482.

" The AnalysisoftheSeif, 1971,S. 33,dt.:Narzißmus, 1973,S. 52.
" A.a.O., Kap. 7. '

" Dazu Otto Kernberg: Borderline Conditions and Pathological Narcism,
1975, dt.: Borderline-Störungen und pathologischer Narzißmus, 1978.
" Vgl. etwa: Gott als Geheimnis der Welt, 1977. S. 451 und 496-498.

20 Sensu Kohut.

21 Der unbekannte Gott, 1963, S. 32. Von Paul Ernst Ruppel eindrucksvoll
vertont, in einer andern Vertonung für das neue Evangelische Kirchengesangbuch
vorgesehen.

22 Der Avencebrol der Scholastik; Königskrone Z. 745f, Übersetzung
F. P. Bargebuhr.

23 Auf der Linie der Lehre Kyrills v. AI. von der „perichoresis", „qua una
persona propter essentiae unitatem est in alia" (Quenstedt, Theologia ... 1702.
p. I, cp. VIII, s. I, th. 21) - in ähnliche Schwierigkeiten verwickelt sich Plato im
Timaios, 35a-und der Gotteslehre Barths.

24 Durch unsre erste Proposition haben wir die Zwei-Naturen-Lehre (bei Einschluß
der Unio hypostatica auch sie trinitarisch) aus der Christologie in die
Schöpfungslehre vorverlegt.

25 Die Mitteilung des Heiligen Geistes an die Jünger ist nach Johannes ein
Osterereignis.

26 Meine „Arbeitsblätter für einen Einführungskurs", ThZ 43, 1987,39.

7 Hinter seine Arbeit an den Problemen der Ambivalenz und der Zeitlichkeit
sollte Theologie nicht mehr zurückfallen.

2" Vgl. dazu meinen Aufsatz „Hören - Carl Rogers und Martin Luther als
Lehrer einer pastoralen Tugend", WzM 39, 1987,298-307.

n Buchtitel von Friedrich Gogarten.

,0 Vgl. grundlegend Kants Kritiken, Piagets - biologisch inspirierte -
genetische Erkenntnistheorie, Lacans Registrc symbolique.

' Gottes Segen ist, daß er uns zugut sich von uns hat umbringen lassen.

32 Dies kann zum Beispiel auch passieren durch unsre Christuspredigt.

33 Durch das Spiel des Zufalls und Zerstörung (Darwin) hat sich die hohe
Ordnung des Lebens aus der unerschöpflichen Redundanz der Ordnung der anorganischen
Materie entwickelt. An die Verheißung der Gesetze des Zufalls
erinnert das Gleichnis vom vierfachen Acker.

34 Institutionalisierter Glaube braucht Theologie, damit er lebendig bleibt.

" Man höre die etymologische Verwandtschaft zwischen precarius und
preces.

3fi Mit seinen Varianten „gemein" und „ordinär".

37 Identische Reduplikation des Allels.

38 Zarathustra III. Das andere Tanzlied, 3.

Den Zusammenhang zwischen „früher Triangulation" und symbolischer
Funktion studiert, im Anschluß an Jacques Lacan, Ernst Abelin, zuletzt in: Die
Theorie der frühkindlichen Triangulation. Von der Psychologie zur Psychoanalyse
(in: J. Stork, Hg., Das Vaterbild in Kontinuität und Wandlung. 1986.
S. 45-72). Neben dem Freudschen Triangulationsmodell diskutiert er ein in der
Tat nicht-sexuelles, die "Madonna constellation" von Kind, Mutter und jüngeren
) Geschwister auf dem Arm der Mutter. Von daher könnte sich Lacans Verknüpfung
von Vater und Symbol relativieren.

40 Geschlcchtlichkeit in der Gotteslehre, WzM 37, 1985, 295-298. - Treten
wir aus dem narzißtischen Kernbereich in die triangulierte Realität hinaus, so
treten Gott und Welt auseinander - in Hoffnung darauf, daß Gott wieder alles in
allem werde.

41 Es scheint hier also eine Sicht der Mutter als Maske des Vaters im Hintergrund
zu stehen. Der Sinn dieser Kombination ist eine Sicht der Mutter nicht
mehr als nur Natur-, sondern als Kulturphänomcn. (Vgl. meinen in der vorigen
Anm. angegebenen Aufsatz.)

42 Seil, wie jedes Übergangsobjekt.

Dietrich von Freiberg

Seine Philosophie im Grundriß
Von Burkhard Mojsisch, Bochum

Der historische Zustand der Philosophie um die Wende vom 13.
zum 14. Jahrhundert wies eine merkwürdige Ambivalenz auf: Einerseits
wurde das Wissen der klassischen und der Spätantike gerade erst
bekannt', so daß sich die Denker des Mittelalters schon bei der bloßen
Rezeption dieses Wissens schwertaten; andererseits mußte bereits in
dieser Umbruchzeit gegen Entstellungen des originär antiken Denkens
und gegen eine damit verbundene Verfremdung philosophischen
Wissens, d. h. gegen eine bloße Instrumentalisierung der Philosophie
für einseitig theologische Zwecke und eine daher nur begrenzte Anerkennung
ihrer Autonomie, vorgegangen werden.

Dietrich von Freiberg2, einem der ohne Zweifel originellsten Denker
des Mittelalters überhaupt, fiel die Aufgabe zu, die ihm überkommenen
reichen Theorien nicht nur ihres Eigenwertes nicht zu berauben
, sondern sie auch gegen bereits erfolgte, aber sie entstellende
Interpretationsversuche zu verteidigen.

Dietrich vergaß jedoch nie sich selbst: Mögen im Idealfall Autorität
und vernünftige Argumentation auch zusammenstimmen3 - ausschlaggebend
ist schließlich allein die Vernunft (ratio)4; mögen die
überkommenen Theorien auch den Anlaß zum Nachdenken bieten -
das Nachdenken selbst muß eigene Wege gehen, und zwar, so erklärt
Dietrich, auf die Weise forschenden Suchens (perscrutatorio modo)5
oder einer Nachlese von Vergessenem6. Hier mischen sich die beiden
Motive bescheidenen Forschertums und unverkennbaren Strebens
nach Neuem: Das Nachdenken soll sich auf bisher Unberücksichtigtes
oder suchend auf bisher Ungedachtes richten. Die Novität eines

Gedankens mußte sich bei Dietrich jedoch stets an der Vernunftmethode
messen lassen, wobei er antidogmatisch einer Einsicht Folge
leistete: Vernünftig ist das, was gedacht werden kann, nicht das, was
gedacht werden darf. Das heißt: Dietrich suchte stets das zu ergründen
, was ihm ein offenes, bisweilen auch schwieriges Problem zu sein
schien, ohne auf die Interessen seines Ordens Rücksicht zu nehmen.
Albert der Große und Thomas von Aquin billigten der Theologie
einen Primat gegenüber der Philosophie zu, so daß der philosophischen
Argumentation im Bereich der Theologie höchstens eine dienende
Funktion zukam; Dietrich hingegen erweiterte den Zuständigkeitsbereich
der Philosophie: Zumindest unter methodologischer
Perspektive besitzt die Philosophie eine generelle Begründungsfunktion
, so daß selbst Inhalte der Theologie nur einsehbar sind, wenn sie
nicht im Widerstreit zur philosophischen Einsicht stehen.

Allein die Resultate aber, die Dietrich mit dieser seiner Vernunftmethode
erzielt hat, geben zu erkennen, wie fruchtbar dieses Verfahren
für die Inhalte des Philosophierens war, Resultate, die auf so
bedeutende Denker wie Eckhart von Hochheim und Bcrthold von
Moosburg ihre Wirkung nicht verfehlten.

*

Dietrichs Philosophie bewegt sich innerhalb zweier Ordnungen,
närnlich der Ordnung des realen Kosmos und der Erkenntnisordnung.
Die erste Ordnung, die des realen Kosmos, weist vier reale Seinsbereiche
auf: Der erste Seinsbereich ist der der Gottheit", die von