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Ausgabe:

1988

Spalte:

852-854

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Berg, Carsten

Titel/Untertitel:

Gottesdienst mit Kindern 1988

Rezensent:

Schlemmer, Christoph

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 11

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kcnwalder und nur einer Predigt aus der Spätzeit am besten bezeugt."
Außerdem existieren „aus der Finkenwaldcr Zeit noch 3 1 Predigtentwürfe
, die BonhoetTer nach der Besprechung einer Kandidatenpredigt
dem Seminar vortrug" (10).

Dieser wie der eingangs genannte nüchterne Sachverhalt, den Wendel
ebenfalls erstmals vor Augen führt, macht zweierlei deutlich:

1. Die „Feststellung" von A. Schönherr (Mündige Welt [, 86), „daß
die zum Verständnis des Begriffs der .Predigt in der mündig gewordenen
Welt' naheliegende Rückfrage nach Bonhoeffers eigener Predigt-
weise .kaum möglich' sei, da diese Predigten ,in einer Zeit gehalten'
worden seien, in der die Gedanken der letzten Zeit ,noch nicht bestimmend
' gewesen seien" (10), ist in ihrem relativen Recht doch vor
allem eine Herausforderung an die Forschung: Hat der Homilet und
Homiletiker BonhoetTer nichts zur Beantwortung dieser „Rückfrage"
an ihn selbst zu sagen? 2. Der „Versuch" von E. Bethge (GS IV, 1961,
1 I), „die Predigt zum .Richtpunkt im Bild Bonhoeffers' zu erheben"
(II), ist wohl auch aufgrund des unentwegt diskutierten „Periodenproblems
" (12-17) nicht durch eine Erforschung der wirklichen Predigten
(!) Bonhoeffers erprobt worden. Durch das gesamte Buch von
Wendel muß nunmehr als bestätigt gelten, was der Autor zunächst
thetisch voranstellt, daß nämlich die Predigten sich in nahezu keiner
Hinsicht einem ..Periodenschema" unterwerfen lassen, das „vorherbestimmt
", d. h. von Bethge und der ihm folgenden Literatur „bereits
gewonnen war, als die Predigten (? Bl.) zum .Richtpunkt' dieser Perioden
erklärt wurden" (16).

Aus dem hier notwendig gerafft vorangestellten Befund sind die von
Wendel sachgemäß und bescheiden als „Studien zur Homiletik" betitelten
Untersuchungen entstanden. Und in der auf weite Strecken
ebenso minutiösen wie spannenden Ausarbeitung des Materials samt
der kritischen Durchmusterung der daraus bisher gewonnenen, theologisch
vielfach (zu) weitgreifenden Schlüsse liegt wohl ihr erster wichtiger
Ertrag für die Bonhoeffer-Forschung. Aber auch die Aneignung
Bonhoeffers heute empfängt auf diese Weise aus der ursprünglich als
Bonner Dissertation erstellten Arbeit erhebliche, vielfach sehr kritische
Impulse. Ein doppelter Wert also, der das Buch bei der vielerorts
noch immer steigenden Bedeutung Bonhoeffers bald unentbehrlich
machen dürfte.

Die drei Begriffe des Untertitels („Predigt - Hermeneutik -
Sprache") werden von Wendel in den drei Hauptteilen entfaltet. Teil I
(5-67) erhebt an den Predigten „ihr Hauptproblem", nämlich das
Verhältnis „zwischen Christusgegenwart und situationsbedingter
Gegenwart" (33-42; bes. 51-66). Der theologisch wohl gewichtigste
II. Teil (68-163) hat sein Zentrum in dem „theologischen Problem:
Schriftauslegung als Vergegenwärtigung" (135-146), während Teil III
(164-223) „Ansätze zur Erkenntnis und zum Gebrauch der religiösen
Funktion der Sprache" nachzeichnet. Die vier Anlagen (224-242)
bieten höchst willkommene Einzelstudien zum „Begriff der Grenze
bzw. Schranke", zum „Begriff .Kampf", zum „Volkstrauertag in der
Kirche" sowie zu „Bonhoeffers Predigt über Mt 24,6ITund der .Fa'll
Dehn'". Sie gehören auf integrale Weise als vertiefende Stützen zur
Ausarbeitung der Hauptthese des Vf. hinzu. Denn in allen drei Teilen
zeigt sich, daß bei Bonhoeffer selbst - trotz seiner „grundsätzlichen
Bedenken, wenn die Frage nach der Vergegenwärtigung der christlichen
Botschaft als Zentralfrage der Theologie erscheint" (140) -
„letzten Endes alles auf diese Frage hinausläuft" (ebd.: vgl. schon 63:
„Wo Christus im Wort des Neuen Testamentes zu Wort kommt, dort
ist Vergegenwärtigung."). Die christologische Antwort ist es. mit der
Bonhoeffer durch „theologische Auslegung" (83f. 143) das ihm aus
E. Grisebachs ,,Gegenwarts"-Denken (1928; vgl. etwa zu Communio
Sanctorum 54, Anm.213) zugewachsene Problem überwindet; sie
eben führt aber auf neuartige Weise im Kirchen Verständnis (61; 83) zu
einer „Sachbezogenheit" von Auslegung und Predigt (62ff), die den
Ernst des „Gegenwarts"-Bezuges allererst durchzuhalten vermag.

Es sind wesentlich solche Durchblicke, mittels deren Wcndels Buch
den sich entwickelnden theologischen Standort wie die gcisles-
geschichtlichen Hintergründe Bonhoeffers in teilweise neuer Beleuchtung
hervortreten lassen. Vielfach hat der Autor in exkursartigen großen
Anmerkungen überraschendes, ja aufregendes Belegmaterial zu
vielen, nicht nur homiletischen Fragen bereitgestellt (z. B. 45.
Anm. 180; 49, 196; 69f, 4; 85, 38; 96, 74; 158,316; 185, 107). Dazu
zählt etwa der schlüssige Nachweis, welche wichtige Rolle für den
Homileten Bonhoeffer die damals schon oft geschmähte sog. liberale
Predigtlehre spielte (Niebergall 23f, 30, 32, 207; Geyer/Rittelmeyer
31 f; ferner 48, Anm. 1890- Erklärt sich daraus wiederum, daß Wendel
bei seiner lückenlosen Quellendurchsicht gerade die unter den
Homiletikern nicht bei Bonhoeffer auffindet, die während der zwanziger
und der dreißiger Jahre die „liberale" Homiletik zu überwinden
begannen? Weder K. Fezer (Das Wort Gottes und die Predigt. 1925)
noch W. Trillhaas (Evangelische Prcdigtlehre, 1935) oder H. Schreiner
(Die Verkündigung des Wortes Gottes, 1936) scheint Bonhoeffer
gekannt zu haben: von H. Vogel (Gottes Wort in Menschenmund.
1933) erwähnt Wendel die „Psalmen, nachgedichtet" (1937; vgl. 92),
aber H. Asmussens „Ordnung des Gottesdienstes" (= Gottesdienstlehre
III. 1936) wurde in Finkenwalde „ausprobiert" (130.
Anm. 207). Hier sind zumal für homiletisches Nachdenken, und zwar
nicht erst oder keineswegs nur mit dem sog. „späten" Bonhoeffer
Fragestellungen angelegt, die aus Wendcls „Studien" vor allem von
der Praktischen Theologie aufgenommen werden sollten.

Insgesamt verdient es Dank, ja Bewunderung, daß und mit welchem
Ertrag sich der Autor dem schwer aufzuschließenden, oft disparaten
und vieles unbeantwortet lassenden (59. 67, 109, 167, 170. 207)
Gesamtwerk Bonhoeffers in homiletischer Absicht zugewendet hat.
Man kann die Schwierigkeiten auch daran ermessen, daß Wendel
häufig genötigt ist, dieselben Belegstellen in verschiedenen Zusammenhängen
zu wiederholen (z. B. 20/212; 44/205; 64/139; 73/109;
82/101, Anm. 90; 86/214; 104/107; 151/214); hier und öfter wäre
durch Datierung eine Hilfe zur rascheren Identifikation der Texte zu
erreichen.

Der Rez. wünscht dem Buch viele Leser - nicht nur in der ganzen
Breite der Bonhoeffer-Forschung, auch des Auslandes, sondern vor
allem unter denen, die als Homileten der „Vergegenwärtigung" des
Wortes Gottes im Christuszeugnis zu dienen haben.

(Wenn es zu einer 2. Aufl. kommen sollte, wären folgende errata zu korrigieren
: XII (Anl. 1.2.); 8. Zeile 5 v. u.; 15, 7; 55, 1; 88, 3 v. u.; 90, 16 v. u.: 102.
Anm. 96; 109. 8 v. u.; 129. 4; 166, Anm. 17; 171, 5; 200, Anm. 164; 240. 9
v. u.;253, 18).

Berlin (West) PcterC. Bloth

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Berg, Carsten: Gottesdienst mit Kindern. Von der Sonntagsschule
zum Kindergottesdienst. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn 1987. 242 S. 8" = Eine Veröffentlichung des Comenius-
Instituts Münster. Kart. DM 28,-.

Vorliegende Arbeit ist eine überarbeitete Fassung einer 1985 in
Hamburg vorgelegten Dissertation, in der die Praxisreflexion gegenüber
der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung verstärkt Raum
erhalten hat.

Ziel der Arbeit ist es, einen Beitrag zur praktisch-theologischen
Theoriebildung des Kindcrgottcsdicnstcs zu liefern. Vf. fragt nach
dem Ort des Kindergottesdienstes innerhalb der Praktischen Theologie
, verschiedene Konzeptionen der Sonntagsschul- und Kindergot-
tesdienstarbeit werden vorgestellt und kritisch beleuchtet.

Geschichtlicher Ausgangspunkt des Kindergottesdienstes sei das
„diakonisch-clementarpädagogische Konzept der Sonntagsschule"
(S. 21) mit den beiden Vorläufern der „christlichen Kleinkinderschulen
" und „Fortbildungssonntagsschulen". R. Raikcs Anstoß trug
über Rautenberg in Hamburg erste - räumlich begrenzte - Früchte.