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Ausgabe:

1988

Spalte:

843-846

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Rohls, Jan

Titel/Untertitel:

Theologie und Metaphysik 1988

Rezensent:

Schroeder, Richard

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 11

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„Der Schöpfergott") möchte Vf. nicht als eine Diskussion, sondern als
eine „kleine Demonstration" (380) verstanden wissen. Nicht überraschend
argumentiert er: „Auschwitz und der Hunger in der Welt
sind die beiden Sachverhalte, die in unserer Zeit wohl am eindringlichsten
gegen den fürsorglichen Vatergott zeugen ..." (385), vielleicht
aber auch gegen die behauptete moralische Integrität des Menschen
oder für ein richtendes Handeln Gottes im Sinne von
Rom 1,28 ff? Daß für G. auch eine Schcfpfungstheologie angesichts der
Evolutionstheorie nicht in Frage kommt, erstaunt nicht, wohl aber,
daß er präzis das philosophische Paradoxon der Selektionshypothese
als ..Zweckmäßigkeit ohne Zweck" (401) formuliert, ohne daß dabei
an die Argumentation des teleologischen Gottesbeweises erinnert
werden soll.

Mit kritischen Einwänden zum „Glauben" befaßt sich der 7. Abschnitt
. „Das Glauben ist zum Problem geworden, zu einem großen
Problem, sofern es überhaupt noch ein Problem ist." (403) Also,
sofern es ein Problem ist, ist die „Begründung des Glaubensgegenstandes
" (403), sind „handgreifliche Widersprüche" (405) und die
defensive Struktur des Glaubens heute (407) zu nennen. An dessen
Stelle möchte G. ein „säkularistisches Denken" gesetzt wissen. „Dieses
rechnet nur mit einem einzigen, in sich zusammenhängenden Sein,
das ein zulällig-nolwendiges Geschehen darstellt." (408) Kein Wort
mehr davon, daß der Theismus als „metaphysische Denkmöglichkeit
. . . immerhin diskutabel ist" (ders.. Philosophische Kritik der
Religion, in: Weltanschauung und Religion in gegenwartskritischer
Betrachtung, 1961, S. 30). Aber gerade die „Denkmöglichkeit" sollte
dem „intellektuellen Gewissen" zumindest offen bleiben. Der Exkurs
„Zur christlichen Eühik" ist noch kürzer (Widerstand gegen das Böse,
Scxualethik, Nächstenliebe, Friedensethik).

So fragt sich der Leser dieses Buches, wozu es eigentlich geschrieben
wurde, wenn bereits alles erledigt ist. Die „Persönlich-sachliche
Schlußbetrachtung" läßt den Verdacht entstehen, daß es sich um eine
Endabrechnung mit dem Christentum handeln soll, und zwar von
innen heraus, aus dem Zentrum christlichen Glaubens und Lehrens.
Gewiß würde G. sich „gern der Sicht des Glaubens" öffnen (423), aber
da dieser Weg verschlossen sei, bleibt nur ein gewisser Stoizismus,
den er selbst „vernunftgemäßen Realidealismus" (427) nennt. Was
immer sich dahinter verbergen mag - die Frage läßt sich nicht umgehen
, ob G. mit seinen Kriterien, mit seiner fehlenden zeitgeschichtlichen
Differenzierung theologischer Positionen, angesichts der nicht
einmal angedeuteten konfessionellen bzw. ökumenischen, bibeltheologischen
, religionsphilosophischen oder fundamentaltheologischcn
Reflexionen in der heutigen pluralcn Erscheinungsform des Christentums
dem christlichen Glauben und den theologischen Entwicklungen
überhaupt gerecht zu werden vermag.

Dieses Werk hinterläßt im Betrachter ein gehöriges Maß an Bewunderung
ob der Fülle der verarbeiteten Literatur und ein entsprechendes
Quantum an Dankbarkeit für viele erfrischende Einsichten und
für den Mut, diese Thematik mit solchem Aufwand und Engagement
bearbeitet zu haben.

Leipzig Rall'Marschner

Systematische Theologie: Dogmatik

Röhls, Jan: Theologie und Metaphysik. Der ontologische Gottesbeweis
und seine Kritiker. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1987.654 S. 8'. Kart. DM 98,-.

Diese theologische Habilitationsschrift (München 1982) ist ein sehr
breiter Bericht über Meinungen zum ontologischen Gottesbeweis und
seinem Umfeld, eine doxographische Erzählung, die Hochachtung
vor der Belesenheit des Vf. abnötigt. Dieser Bericht wird nach einer
sehr kurzen Einleitung (S. 10-12) in fünf Abschnitten gegeben, die
von den antiken Voraussetzungen (S. 13-34) über die mittelalterliche
Scholastik (S. 35-173), die neuzeitliche Metaphysik (S. 173-300) und

den Deutsehen Idealismus (S. 301-458) zu Entwürfen der Moderne
(S. 459-638) führen. Literaturverzeichnis und Personenregister
schließen das Werk ab, auf eine Zusammenfassung hat Vf. verzichtet
.

Die Arbeit ist also eine chronologische Zusammenstellung von
Referaten, die sicher auch dem Kenner dieser Geschichte Unbekanntes
präsentiert. Doch solche Funde haben ihren Preis. Die Arbeit verheimlicht
nämlich ihre Pointe. Im Vorwort bezeichnet Vf. seine
Arbeit an dieser Arbeit als „Wanderung durch das Labyrinth des
metaphysischen Wolkenkuckucksheims" (S. 9). So hat bekanntlich
Aristophanes den Ort bezeichnet, an dem er Sokrates seinen Unfug
treiben läßt. Auf dem Vorsatzblatt wird ausCalvino „Der Rittet», den
es nicht gab" zitiert, und das Buch endet mit einem Zitat aus Eco;. JDer
Name der Rose". Also alles nur ein Scherz? Das wollen wir nicht
unterstellen.

Die Einleitung spricht Ernsteres an. „Der ontologische Gottesbeweis
in seiner klassischen Gestalt ist . . . der markanteste Ausdruck
eines theologischen Rationalismus" (S. II), den Vf. im Gegensatz
sieht zur „antirationalistische(n) Position Barths", mit der „die theologische
Kritik der Metaphysik ihren Höhepunkt" erreicht. „Die
Metaphysik wird aus der Theologie ausgeschieden, letztere wird zur
rein thetischen Offcnbarungstheologic" (S. 10). Diese Position Barths
sieht Vf. bedingt durch den „Antirationalismus des ausgehenden
neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts" (das.), ausdrücklich
nennt er hier Heidegger und Adorno, die aber beide zweifellos
solche Einordnung zurückgewiesen hätten (zu Heidegger cf. Sein
und Zeit. 1927, S. 136).

Dann wäre als Absicht dieser Arbeit eine Widerlegung des theologischen
und philosophischen „Antirationalismus" zu erwarten und
eine Restitution der rationalen Metaphysik. Doch eine solche Absicht
lassen die Referate gar nicht deutlich erkennen.

Nach Ausweis der Einleitung ist die Zielsetzung der Arbeit viel
bescheidener. Henrich (Der ontologische Gottesbeweis, Tübingen.
1960) hatte gezeigt, daß das ontologische Argument, das ja mit Des-
carteseine Auferstehung erlebt, bei Leibniz dilferenziert wird in einen
Beweis für das cns perfeclissimum und einen für das cns neecssarium.
Vf. will zeigen, „daß die Unterscheidung beider Argumente bis in die
Scholastik zurückreicht" (S. 12). Henrich hatte seine Darstellung bis
zum Deutschen Idealismus geführt, Vf. will die seine darüber hinausführen
(das.).

Seine ausführlichen Referate zum Mittelalter belegen aber genauer
besehen nur, daß es dort zu einer klareren Unterscheidung der beiden
Gesichtspunkte im Beweis kommt.

Der über den Deutschen Idealismus hinausführende Abschnitt
„Entwürfe der Moderne" referiert zunächst Vertreter des „Antirationalismus
" von Kierkegaard über Schopenhauer. Dilthey, Scheler.
Jaspers, Heidegger bis Adorno, denen die These gemeinsam sei. „daß
die faktische Existenz nicht aus der Essenz deduzierbar sei. Diese
These aber impliziert die strikte Ablehnung des von Hegels Rationalismus
wieder restituierten ontologischen Arguments" (S. 459). Das
ist wohl wahr, geht doch aber weder über den alten empiristischen
Einwand: „Existenz ist keine Eigenschaft" hinaus noch hinreichend
auf die extreme Verschiedenheit der hier versammelten Positionen
ein. Auch die logischen Analysen der Existenzurteile (Brentano. Russell
, Frege S. 538-573) und besonders die modal logischen Untersuchungen
(S. 574-61 I) führen nicht zu einer Restitution des ontologischen
Arguments- mit Ausnahme Hartshornes-.sondern entweder
zu seiner Ablehnung (Russell S. 558. Findlay S. 577) oder zu einer
Hypothetisierung des Arguments (z. B. Brentano: „wenn es möglich
ist, daß Gott, der zuvor als ens neecssarium bestimmt wurde, existiert,
dann ist es unmöglich, daß er nicht existiert" S. 549; cf. zu Scholz
S. 565; zu Malcom S. 586). Sollen wir sie auch zu den Antirationali-
sten zählen? Hartshornes Erneuerung des ontologischen Arguments
aber setzt im Anschluß an die Prozeßphilosophie Whitcheads ein
neues Gottesverständnis voraus, das ähnlich wie bereits Sendling in
(iott die notwendige „primordial nature" seiner abstrakten Existenz