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Ausgabe:

1988

Spalte:

840-843

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Groos, Helmut

Titel/Untertitel:

Christlicher Glaube und intellektuelles Gewissen 1988

Rezensent:

Marschner, Ralf

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Theologische Litcraturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 11

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geschichtliche Erforschung der Malereien von der archäologischen
Untersuchung der Katakombe Datierungskriterien erhofft, die Archäologie
sich aber zur absoluten Fixierung einer relativen Chronologie
an den Stil der Malereien hält, besteht auch hier. Im ganzen sind
Guyons Indizien nicht so zwingend, daß sie die Datierungen von
Deckers umstoßen könnten. Ihnen stimme ich um so freudiger zu, als
sich eine große Übereinstimmung - auch dort, wo sie nicht ausgewiesen
ist - mit den Datierungen ergibt, die ich bereits vor über 20 Jahren
vorgeschlagen habe (Studien zur frühchristlichen Grabeskunst,
Habil.-Schr. Greifswald 1966). Danach gehören die Malereien zum
allergrößten Teil der mittel- (bis spät-) konstantinischefi Zeit an. Differenzen
ergeben sich in der Frage, was noch der tetrarchisch-früh-
konstantinischen Zeit zugesprochen werden kann. So werden Deckers
Nr. 19. 21. 22. 24 in mittelkonstantinische Zeit gesetzt. Doch bleibt
zu fragen, ob es sich bei der hier begegnenden freien geometrischen
Ornamentik nicht um die Ausläufer des rot-grünen Linearstils
handelt.

Es kann nur der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, daß auch die
anderen römischen Coemeterien in gleichen Dokumentationen erläßt
werden.

Druckfehler: S. 125 Z.2 lies: Illesiecle; S. 351 Mitte lies: Guyon im vorl. Bd.:
2. Hälfte4. Jh.

Grcifswald Hans Georg Thümmel

Badstübner, Ernst, u. Sybille Badstübner-Gröger: Kirchen in Berlin.

Von St. Nikolai bis zum Gemeindezentrum .Am Fennpfuhl'. Mit
Aufnahmen von M. Dettloff. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1987.
224 S. m. zahlr. Abb. i. Text u. auf Taf. schw./weiß u. färb. 4°. Lw.
M 42,-.

Zu den vielen Berlin-Publikationen, die 1987 erschienen, gehört
auch die hier anzuzeigende. Doch ist es mehr als ein attraktiv gestalteter
Bildband (zumal gerade der Bildteil Wünsche offen läßt). Die
Autoren bieten einen sehr guten und im wesentlichen exakten Uberblick
über die Kirchbauentwicklung Berlins vom Mittelalter bis zur
Gegenwart. Und das bedeutet gleichzeitig eine sehr instruktive Darstellung
über die Stadtentwicklung überhaupt. Wann, wo, warum die
mittelalterlichen Kirchen errichtet oder umgebaut wurden, an
welcher Stelle in welchem Jahrhundert neue Kirchen gebaut wurden,
warum heute manche wieder verschwunden sind, das hängt mit den
inneren und äußeren Geschicken der Stadt im Verlauf von 750 Jahren
zusammen. Kirchbau ist mit der Geschichte der Kirche verbunden,
Kirchengeschichte ist ein großer Teil der Geschichte überhaupt, diese
Erkenntnis wird dem Leser ganz unprätentiös vermittelt. Dazu
kommen noch viele wichtige Einzelheiten, von denen einige hier erwähnt
werden sollen. E. Badstübner beginnt (nach dem Geleitwort des
Bischofs der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Gottfried
Forck) mit einer knappen Einführung in die Stadtlandschaft Berlins.
Diese Einbettung der Großstadt in das Territorium ist sehr hilfreich
bei der Erfassung der frühen Stadtgestalt. Die Komplexität des historischen
Prozesses wird so einsehbar und ebenso Gestalt und Ausstattung
der ersten Kirchenbauten. Einige interessante Einzelheiten erscheinen
in dem Zusammenhang nachdenkenswert, z. B. der Hinweis
auf Wohnturmanlagen bei dem massiven Turmteil von St. Nikolai
(S.-14), die Beschreibung der franziskanischen Klosterkirche (S. 16)
oder die Hypothesen zur frühen Halle von St. Nikolai II und St.
Petri II. Ob letztere sehr viel weiter helfen, ist eine andere Frage. Das
Herz des Autors schlägt besonders bei den ma. Architekturbeispielen,
und das ist gut für den Leser zu wissen. Zumal die Erneucrungsbauten
nach 1380 mit ihren Bezügen zur Parler-Schule äußerst interessante
und qualitätvolle Objekte im märkischen Sand sind.

Die Kirchengeschichte Berlins erlebte aber auch große Bewegungen
im 16. und 17. Jh. Einige der Sachzeugen aus dieser Zeit sind noch
erhalten. Sie zeigen, wie Humanismus und Renaissance die stilistischen
Voraussetzungen schufen für die neue lehrhaft-abstrakte Bildkunst
des Protestantismus, wie wir ihr vor allem in den Epitaphien

begegnen. Wie weit da noch konfessionelle Polemik etwa aus der Zeit
des Kurfürsten Johann Sigismund (S. 33)ablesbar ist, muß von Fall zu
Fall entschieden werden. Der Einfluß niederländischer Traditionen
im 17. Jh. ist dagegen unübersehbar. Leider sind die wichtigsten Bauten
aus dieser Zeit Opfer der Kriegszerstörungen geworden. Interessant
ist der S. 57 erwähnte Gedanke, daß das schwierige Bildprogramm
der Schlütcrkanzel in der Marienkirche mit dem Spener-
schen Pietismus zusammenhängen könne. Die Ikonologic des 18. Jh.
ist bisher nicht sehr ausführlich erforscht worden, könnte aber eine
ganze Reihe kirchengeschichtlicher Erkenntnisse vermitteln. Das
bezieht sich auch auf die Zentralbauten und die Quersaalkirchen.

Der größte und heute noch erhaltene Bestand Berliner Kirchen
stammt aus dem 19. Jh. und ist stilistisch überwiegend dem Historismus
zuzuordnen bis auf die wenigen Schinkel-Kirchen, die nach
anderen Kriterien zu beurteilen sind. Zu den Bauten des Historismus
hatte man lange Zeit ein sehr kritisch-ablehnendes Verhältnis und billigte
ihnen keine eigenen Werte zu. Die Autoren widmen ihnen den
von der Sache her gebotenen großen Raum und würdigen in sehr ausgewogener
Weise die Qualitäten und Eigenständigkeiten dieser Kirchen
, die zugleich Ausdruck der sozialen, gesellschaftlichen und kommunalen
Entwicklung Berlins zur Großstadt im Industriezeitaltei
sind. - Natürlich erfahren auch die Bauten des 20. Jh. ihre Darstellung
.

Alles in allem liegt mit diesem Band ein sehr gelungenes Buch über
den Berliner Kirchenbau vor. Einiges möchte die Rcz. aber doch noch
anmerken: Läßt sich die Monumentalität der frühen Kirchenbauten
allein mit der Darstellung von Herrschaft im eroberten Gebiet erklären
? (S. 13). Meist hat die architektonische Gestalt doch sehr komplexe
Zusammenhänge im Hintergrund. In der Reformationszeit fällt
die Beschreibung der liturgischen Veränderungen etwas zu knapp aus,
eventuell weil sie in ihren Anfängen etwas unterschätzt wird (S. 29).
Der Sohn des Kurfürsten Johann Sigismund ist übrigens George
Wilhelm, dessen allzu unentschlossene Haltung der Mark Brandenburg
während des Dreißigjährigen Krieges sehr geschadet hat (S. 33).
Während bei den ma. Bauten teilweise sehr ausführlich beschrieben
und diskutiert wird, wird an anderen Stellen, wo es die Sache ebenfalls
erfordert, etwas zu knapp ausgeführt, was sich z. B. auf den Neubau
der St. Hcdwigskathedrale bezieht. Auch der Zusammenhang von
Absolutismus. Aufklärung und Antike-Rezeption hätte vielleicht
etwas gründlicher dargelegt werden sollen. Das Gleiche gilt für die
Bildprogramme am Deutschen und Französischen Dom (S. 183), die
unbedingt hätten erläutert werden müssen. Auch bei der Offenbarungskirche
, die dem Notkirchenprogramm Otto Bartnings ihre
Gestalt verdankt, hätten ein paar mehr Hinweise gut getan. - Noch
zwei Kleinigkeiten fielen auf: Die Glasfenster in der Kirche zum
Vaterhaus stammen doch wohl von Christof Grüger (und nicht von
Christoph Crüger)? Und: Wilhelm Berger war der Schwager, nicht der
Schwiegersohn Schinkels.

Berlin Gcrlinde Wicderanders

Systematische Theologie: Allgemeines

Groos, Helmut: Christlicher Glaube und intellektuelles Gewissen.

Christentumskritik am Ende des zweiten Jahrtausends. Tübingen:
Mohr 1987. VI, 448 S.gr.8" Lw. DM 78,-.

„Der christliche Glaube war und ist ein Gegenstand, der Anspruch
daraufhat, einmal jenseits von Verkündigung einerseits und Polemik
andererseits rein an sich, unter den Gesichtspunkten von Wert und
Wahrheit überdacht zu werden, was auch immer dabei herauskommen
mag." (II) Dem kann man nur zustimmen. Und das Werk,
das G. mit diesem Buch geschaffen hat, zeugt von enormen Fleiß und
beharrlichem Fragen nach der Substanz christlichen Glaubens. Dennoch
ist es kein theologisches Konzept, das das Interesse des Vf. leitet,
auch wenn es theologisch von höchstem Wert ist.