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Ausgabe:

1988

Spalte:

837-839

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Die Katakombe "Santi Marcellino e Pietro" 1988

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 1 1

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verstanden habe, geistige Verantwortung und gclebten Glauben überzeugend
miteinander zu verbinden. Inzwischen veröffentlichte Tagebücher
Guardinis zeigen indes, daß G. stark empfunden hat, dem
analysierenden Wissenschaftsbetrieb der ganzen Universität fremd
geblieben zu sein.

Vf. gliedert die Aufsätze in drei Gruppen: Theologie und Spiritualität
, Spiritualität und Frömmigkeit, Spiritualität im Alltag. Warum Vf.
sich für den Begriff Spiritualität einsetzt, zeigt er in einem Aufsatz, in
dem er Kriterien evangelischer Glaubensstrukturen und deren Vertiefung
erörtert: Umgang mit dem Wort Gottes, Nachfolge Christi.
Freude an der Gemeinschaft der Glaubenden. Zeugnis und Dienst an
der Welt, Wachsen und Üben im Glauben. Das Defizit an Konzentrations
- und Meditationserfahrungen im natürlich-anthropologischen
Bereich dürfte für ev. Christen ein grenzüberschreitendes Phänomen
sein. Es wird örtlich sehr verschieden sein, ob und wie solchem Defizit
gewehrt und zur Schriftmeditation geführt wird. Daß im Vorlesungsverzeichnis
einer Hochschule verschiedene Aspekte von Spiritualität
schon in der Themenangabe vorkommen, dürfte kaum zu generalisieren
sein. Unermüdlich zeigt Vf. Recht und Notwendigkeit meditativer
Vollzüge im ev. Glauben auf, es bleibt zu hoffen, daß die kritischen
Einwände, denen er sich bereitwillig stellt, nicht die Tür zur Praxis
verschlossen halten.

Fragen charismatischer Erneuerung gehen andere Aufsätze nach:
Abendmahlsfrömmigkeit findet ihre Behandlung wie die Verbindlichkeit
des Lebens unter einer Regel. Ein grundlegender, mutiger Aufsatz
beschreibt das geistliche Leben des Pfarrers; zu Recht schließt dieser
Aufsatz mit dem Hinweis, daß unausdrückliches geistliches Leben
immer eine Krankheitserscheinung ist.

Es ist dem Vf. zu danken, daß er sich ausführlich Alltagsfragen zuwendet
. Sterben lernen, Vertrauen üben, aus Glauben leben und lieben
. Daß bei dem Aufsatz „Vergebung der Sünden erhalten", der sich
der Beichte widmet, mehr Aufgaben und Fragen (offen) bleiben, ist
wohl kein Zufall. ..Mit Krisen umgehen", „Spannungen aushalten" -
das sind wichtige Lebensproblcme. Es geht offensichtlich nicht nur
der dem Vf. bekannten akademischen Jugend so. daß sie von der
Motivation lebt statt vom Ziel, von Identitätssuche statt von der gestellten
Aufgabe, von der Utopie statt von der Gegebenheit. Das
Schwergewicht dieser Aufsatzsammlung liegt in dem Versuch. Theologie
und Frömmigkeit in ihrem Verhältnis zueinander zu bestimmen
. Führt theologische Arbeit Frömmigkeit in Reflexion, wird
Frömmigkeit als unangemessene Verhaltensweise bei Theologen
empfunden und muß das so bleiben?

Rostock Peter Heidrich

Christliche Kunst und Literatur

Deckers, Johannes Georg, Seeliger, Hans Reinhard, u. Gabriele
Mietke: Die Katakombe „Santi Marcellino e Pietro". Repertorium
der Malereien. Textband: Einleitende Beiträge von J. G. Deckers.
U. M. Fasola. J. Guyon, W. N. Schumacher, H. R. Seeliger. X,
422 S. m. Abb. u. Tabellen. Tafelband A: Stiche und Fotografien.
IV, 67 Schwarzweiß-Taf.. 70 Farbtaf. Tafelband B: Gesamtplan
und Um/cichnungcn der fotogrammetrischen Aufnahmen. 84 lose
Beilagen. Rom: Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana: Münster
/W.: Aschendorff 1987.2'" Roma Sotterranea Cristiana. 4. geb.
DM 630,-. [Titel auch Ilal.].

Die VIT. legen ein Repertorium der Malereien in der Marccllinus-
Petrus-Kalakombe in fotografischer und zeichnerischer Dokumentation
nach modernen Gesichtspunkten vor. Das ist in mehrfacher
Hinsicht bedeutungsvoll. Die römischen Katakomben haben den
allergrößten Teil dessen bewahrt, was an spätantiker Malerei überhaupt
erhalten ist. Von diesen wiederum ist Marcellino e Pietro die
bilderreichste. Bisher aber lagen die Katakombcnmalcrcicn im wesentlichen
nur in dem vielgeschmähten, aber bis heute unentbehrlichen
Werk Wilpertsvon 1903 vor. das aquarellierte Fotos bietet.

Das vorliegende Werk gliedert sich in mehrere Teile. Den Malereien
ist ein von Deckers erstellter ausführlicher Beschreibungsteil mit
Dokumentation gewidmet, weiterhin eine mit Hilfe der Fotogrammetrie
erarbeitete Kassette mit Zeichnungen, die für jede Malerei die
Lage der einzelnen Darstellungen und ihr Verhältnis zueinander festhalten
, und schließlich ein Tafelband, der die wichtigsten Darstellungen
in Fotos wiedergibt. Damit sind auf bestmögliche Weise die
Schwierigkeiten bewältigt, die die en,gen Gänge und Kammern einer
Dokumentation, die Übersichten schaffen soll, in den Weg legen.

Ein einleitender Teil ist der Katakombe einschließlich ihrer oberirdischen
Anlagen gewidmet. Deckers gibt einen Einblick in Geschichte
. Probleme und Prinzipien der Dokumentation dieser Malereien
(mit einem Beitrag von K. Hängst zur Technologie). Fasola
schildert die Erforschung der Katakombe im Laufe der Jahrhunderte.
Seeliger diskutiert die schriftlichen Quellen zu ihrer Geschichte,
wobei ersieh auch mit den dornigen Problemen der Hagiographie und
der Martyrologien auseinandersetzen muß. Ungleich aufschlußreicher
sind freilich die neuen archäologischen Untersuchungen des
Coemeteriums, die Guyon vorgenommen hat, und von denen er hier
erstmals ein Resume vorlegt. Schumacher ordnet die Basilika der hl.
Marccllinus und Petrus mit dem Mausoleum der Helena (Torre
Pignatarra) in die Reihe der römischen Exedren-Basiliken ein, wobei
sich die Ausführungen immer mehr zu einer Darstellung konstantinischen
Kirchenbaus überhaupt weiten. Ein Eingehen auf die hier dargelegten
Probleme würde den Rahmen der Rezension sprengen.

Guyon hat das Wachstum des Coemeteriums einsichtig gemacht
und viele Details klären können. Die Katakombe ist aus älteren,
begrenzten Kernen gewachsen, die miteinander verschmolzen. Den
unterirdischen Anlagen gesellten sich Grabbauten über dem Boden
zu. Bald nach 313 ließ Konstantin hier die große Basilika bauen. Es
gehört zu den wichtigen Erkenntnissen Guyons. daß einige jüngere
Regionen der Katakombe von der Basilika (oder den sie umgebenden
Höfen) ihren Ausgang nahmen, und daß nachträgliche Verbindungen
nicht nur die Möglichkeit gaben, von der Basilika aus die Märtyrergräber
zu erreichen, sondern auch eine direktere Verbindung zwischen
den Gräbern und der Basilika als Totenkultraum schufen. Daß
durch die Anlage nach oder im Zusammenhang mit der Basilika für
einige Regionen auch ein terminus ante quem non gegeben ist. kann
als weiteres Ergebnis gebucht werden.

Weitere Fragen der Katakombenforschung bleiben weiterhin offen:
So die Frage, wie sich genauer die Anlage der Gangsysteme und die
Belegung mit Gräbern zueinander verhalten, ob in einem sehr kurzen
Zeitraum ein Gangsystem geschaffen bzw. erweitert und dann eine
längere Zeit hindurch belegt wurde, oder ob die Gänge nach Bedarf
sukzessive vorgetrieben wurden. Reekmans hatte sich im Falle der
Lucina-Katakombe fürersteres entschieden. Auch Guyon glaubt, nur
so die Gleichartigkeit (und damit Gleichzeitigkeit) der Malereien an
den verschiedensten Stellen der Katakombe erklären zu können. Freilich
besteht nach den Datierungsvorschlägen von Deckers diese
Gleichzeitigkeit nicht im gleichen Maße wie bei Guyon. Mußte Reekmans
für die schnelle Anlage oder Erweiterung eines Systems ein größeres
Potential an Arbeitskräften (Fossoren) annehmen, so schlägt
Guyon vor, große Teile der Gangsystemc als vorgegebene wasserwirtschaftliche
Anlagen zu interpretieren, die sekundär für Bestattungen
genutzt wurden, wobei diese gleichzeitig an verschiedenen Stellen
vorgenommen werden konnten. Nun ist es gewiß eine wichtige Erkenntnis
der neueren Katakombenforschung, daß mancher alte Katakombenkern
eine ehemalige wasserwirtschaftliche Anlage ist. Und
Guyon hat zeigen können, daß manche Eigentümlichkeit der Region
Y in Marcellino e Pietro darin ihren Grund hat. daß ältere
Kanäle in das Coemeterium einbezogen wurden. Doch scheint die
hypothetische Ausweitung dieses Erklärungsmusters über das Ziel
hinauszuschießen. Hier müßten Indizien beigebracht werden, die
diese Ansicht stützen.

Abweichende Vorstellungen ergeben sich bei Guyon und Deckers
in bezug auf die Datierung. Das leidige Problem, daß die kunst-