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Ausgabe:

1988

Spalte:

830-831

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Tractatus de quantitate et tractatus de corpore Christi 1988

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Theologische Litcraturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 11

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kategorien zu liegen, was unter Heranziehung der vorhandenen Literatur
aufgrund einer neuen Prüfung der hauptsächlich kritisierten
Passagen geschieht. Vor extremen Positionen, wie sie in jüngerer Zeit
etwa das 1976 in Paris erschienene Büchlein von G. Fau enthält, weiß
sich die Dissertantin zu hüten.

Nach der Abhandlung von „Einleitungsfragen" (S. 17-53), vor
allem in be/ug auf Eusebs Intentionen und Quellcnbehandlung.
beläßt sich der Hauptteil der Dissertation mit den „Schlüsselbegriffen
" (S. 55-186), worunter aber weniger verstanden wird, was Euseb
als solche bezeichnen würde, sondern eher, was zur Entschlüsselung
seines Denkens dienen kann. Es geht um Mythos, Ideologie und Aufklärung
in der eusebianischen Kirchengeschichte, um das hier angewandte
Auswahlkriterium der „Prominenz", um Apologetik und
Polemik und das daraus resultierende Verhältnis zur historischen
Wahrheit, um die Deutung der irdischen Ordnung von Kirchen und
Reich als Abbild einer transzendentalen Wirklichkeit und um das
Interesse des Eusebius an der Idee der Einheit, um dualistische (besser
vielleicht: antagonistische) Darstellungs- und Deutungsweisen des
Euseb, um pädagogische Tendenzen seines Werkes, um Geschichtskonstruktionen
in bezug auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Es ist Tür eine Dissertation eine reiche Palette, die gleichwohl das
eusebianischc Geschichtswerk schwerlich ausschöpfen kann. Auch
fragt man sich, ob sie zum Porträtieren des „Vaters der Kirchen-
gcschichtsschreibung" genügt.

Die eigentliche Misere seiner Beurteilung liegt wohl darin, daß man
ihn allzu gerne mit den Historikern der Moderne vergleichen möchte,
die nur darstellen wollen, „wie es eigentlich gewesen ist", um mit
Ranke zu sprechen. Kirchcngeschichte als theologische Disziplin
kommt dabei zu kurz: ihr darf die Deutung des Geschehens nicht
angekreidet werden. Mißlich für die Beurteilung des Eusebius als
Historiker ist sicher auch die Tatsache, daß er für viele von ihm tradierten
Fakten der Geschichte unsere einzige Quelle ist. Wenn sich
nun die Dinge tatsächlich so abgespielt haben, wie er es schildert, so
wenig das unseren sonstigen Kenntnissen entspricht? Daß auch uns
noch der Schlüssel zu einer adäquaten Beurteilung historischer Persönlichkeiten
fehlt, solange die Kirchcngeschichte noch nicht zu
ihrem Ende gelangt ist, sollte dem Theologen kein fremder Gedanke
sein. Vor einer voreiligen und kaum zielluhrcnden Vereinheitlichung
von Kirchen- und Profangeschichte sollte die alte Diskussion über
Möglichkeiten der Beurteilung kirchenhistorischer Verläufe vom
Ursprung der Kirche und aus der jeweiligen Zeit erneut überdacht
werden, so wenig das letztlich befriedigen kann und nur Ersatzwert
unterirdischen Bedingungen hat.

Die zu besprechende Dissertation über Eusebius von Caesarea als
Kirchenhistoriker endet in einem Kapitel über „Politische Theologie
" (S. 187-220). Von dem Vorwurf, in diesen Rahmen zu passen,
wird der „Vater der Kirchengeschichtsschreibung" nicht befreit. So
sehr damit aber dem Verständnis des Kirchenmannes in der „konstantinischen
Wende" gedient wird, für sein Werk ist auf solche Weise
nicht allzuviel gewonnen. Man kann sagen, daß die Dissertation zur
Entschleierung der Mentalität des Eusebius viel beigetragen hat, die
Rätsel um seine Kirchengeschichte freilich nicht zu lösen vermochte.
Die Dissertantin charakterisiert sie mehrmals als „Erfolgsgeschichte"
der Kirche. Damit ist nichts anderes gesagt, als daß der Bischof von
Caesarea aus der Freude über die schon in seiner Zeit sichtbare
sieghafte Durchsetzung des Christentums im Römcrrcich und darüber
hinaus schreibt und aus diesem Wissen die vergangenen Zeiten darstellt
. Auswahlprinzipien und Beurteilungskategorien erklären sich
von daher. Wissenswert erscheint, was zu jenem Ziel geführt hat,
während über die Gegner sozusagen die Geschichte ihr Urteil gefällt
hat. vielmehr Gott als der Herr der Geschichte. Ob man das (nicht nur
gegen Eusebius) aber „mythologisch" nennen darf? Keine moderne
Geschichtsdarstcllung kommt ohne Kürzungen aus und wird, wenn
nicht gerade dem jetzt so modernen „Alltagsleben" gewidmet, Alltäglichkeiten
eher weglassen, ohne dafür getadelt zu werden. Und wenn
der von seinem Standpunkt überzeugte Theologe Zeitgenossen (Heiden
, Häretiker u. a.) negativ beurteilt, so erscheint das auch nur der zu
Synkretismus und tolerantem Agnostizismus neigenden Moderne verwerflich
. Man legt ein Buch mit Unbehagen aus der Hand, das sehr
apodiktische Urteile zu fällen sich getraut, ein gleiches aber anderen
nicht zu gestatten scheint.

Das Ergebnis ihrer Dissertation hat die Dissertantin am Schluß in
29 Thesen zusammengefaßt (S. 221 -228). Sie könnten einer weiteren
notwendigen Diskussion über Euseb und sein Werk oder auch grundsätzlich
über Kirchengcschichtsschreibungdienen.

Tübingen Harald Zimmermann

Kirchengeschichte: Mittelalter

Ockham, Guillelmus de: Tractatus de quantite et Tractatus de corpore
Christi, ed. C. A. Grassi. St. Bonaventure, NY: St. Bonaventure
University, The Franciscan Institute 1986. 30*, 253 S. 4" = Guillelmus
de Ockham: Opera philosophica et theologica. Opera theolo-
gica. X.

Diese beiden Ockhamschriften edierte T. Bruce Birch 1930 unter
dem Titel „De sacramento altaris". Er folgte im ersten Teil dem
Straßburger Druck von 1491 und verwendete für den zweiten eine
Oxforder Handschrift, die er stellenweise mit Hilfe von Drucken und
Handschriften korrigierte. Das Ergebnis war so mangelhall, daß
Gabriel Norbert Bucscher und Erwin Iserloh sich genötigt sahen, für
ihre Untersuchungen der Abendmahlslehre Ockhams auf Handschriften
zurückzugreifen. Außerdem entstand eine Diskussion, ob es sich
ursprünglich nicht um zwei Schriften gehandelt habe, welche Bezeichnungen
sie trugen, in welcher Reihenfolge und zu welchem Zeitpunkt
sie entstanden.

Die nun vorliegende Edition konnte für den ersten Teil acht und für
den zweiten Teil neun Handschriften heranziehen. Dabei ergab sich,
daß die zwischen 1469 und 1479 entstandene Gießener Handschrift
aus dem Besitz von Gabriel Biel dem Straßburgcr und damit allen weiteren
frühen Drucken zugrunde lag und daß sie allein im ersten Teil
600 ihr eigentümliche Varianten hat. Es ist einleuchtend, daß unter
diesen Umständen sich der nun vorliegende kritische Text von dem
Birchs wesentlich unterscheidet.

Die Behauptung von Leon Baudry im Jahre 1936. es habe sich
ursprünglich um zwei Traktate gehandelt, konnte bestätigt werden.
Gleichzeitig wurde über ihre Benennung eine überzeugende Entscheidunggetroffen
.

Bartholomaeus von Pisa schrieb von zwei „Tractatus de corpore
Christi" Ockhams. Philotheus Bochner nannte sie im Gefolge von
Adam Wodham „Primus tractatus de quantitate" und „Secundus
tractatus de quantitate". Unter Rückgriff auf die Überlieferung und
einzelne Handschriften bezeichnete er aber auch den ersten Traktat
als „Tractatus de corpore Christi" und den zweiten als „Tractatus de
sacramento altaris". Birch hatte den letzteren Titel als Gesamttitel für
beide Traktate verwendet und dem zweiten Teil die Überschrift
„Tractatus de corpore Christi" gegeben. Die Verwirrung war vollkommen
. Wer diesen Titeln in der Ockhamliteratur begegnet, muß
sich sehr aufmerksam vergewissern, was damit bezeichnet werden
soll.

Das Heranziehen der gesamten handschriftlichen Überlieferung
und die Berücksichtigung des Inhaltes der beiden Traktate hat nun
dazu geführt, daß der erste den Titel „De quantitate". der zweite „De
corpore Christi" erhalten hat, wofür sich C. Kenneth Brampton schon
1964 ausgesprochen hatte.

Baudrys Vermutung. „De quantitate" sei nach „De corpore
Christi" entstanden, wurde nicht bestätigt, sondern das Gegenteil
erhärtet. Die Entstehung der beiden Traktate wurde um 1319/20 und
nach dem 18. Juli 1323 (Heiligsprechung des Thomas von Aquino)
angesetzt. Da die beiden Traktate selbst kein Dat um enthalten, müssen
Schlüsse aus ihrem Inhalt gezogen werden. Der Hg. hat in seinen