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1988

Kategorie:

Altes Testament

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 11

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sprechend auch konkrete Aussagen über eine solche Situation machen
konnte.

So stellt sich dem Vf. die Entstehung des Buches und die Problematik
der Botschaft Michas recht unkompliziert dar. Deshalb kann er
sich auch bei seiner Kommentierung durchweg sehr kurz fassen.
Demgegenüber ist jedoch die ernsthafte Frage zu stellen, ob man so
unbesehen wie er von einem allgemeinen "pattern" chiliastischer
Bewegungen ausgehen und dieses auf einen Propheten wie Micha
übertragen kann. Die Bewegungen des Mittelalters und der Neuzeit
sind ja, sofern sie in den christlichen Bereich gehören, wesentlich
durch die Apokalyptik der nachalUestamentlichen Zeit bestimmt, die
ihrerseits gewiß nicht ohne die Propheten denkbar ist, aber doch weit
über sie hinausgeht. Darüber hinaus verweist der Vf. auf Bewegungen
in Gebieten, die durch die europäische Zivilisation überfremdet
wurden. Diese resultieren jedoch aus einer Gegensätzlichkeit gänzlich
verschiedener Kulturen und Gesellschaftsformen, wie sie für die altorientalische
Staatenwelt der Zeit Michas keinesfalls vorauszusetzen
ist. So besehen ist die Grundthese des Vf. ein Postulat, dessen Richtigkeit
erst genauer beweisen werden mußte. In der von ihm vorgetragenen
Form ist sie anachronistisch. So hätte es, um nur dies zu nennen,
eindringendercr Reflexion bedurft, um zu der Feststellung zu
kommen, daß bereits die Zerstörung des Nordreiches und der Feldzug
Sanheribs zu einer positiven Wertung eines Restes, und zwar im Sinne
eines Ehrentitels, geführt habe und dies nicht erst in exilischer oder
nachexilischer Zeit denkbar sei (S. 54f). In Mi 5,4 nimmt der Vf. auf
Grund seiner Frühdatierung sogar eine höchst problematische Textänderung
vor (aram statt adain). Natürlich ist nicht zu leugnen, daß
das Michabuch einer kritischen Analyse besondere Schwierigkeiten
bereitet. Aber dadurch wird die Notwendigkeit einer solchen nicht
widerlegt. In dieser Hinsicht kann die Kommentierung nicht befriedigen
.

Das bedeutet freilich keinesfalls, daß sie ohne brauchbare Ergebnisse
wäre. Vielen Einzelergebnissen und Beobachtungen kann man
durchaus folgen und sie nicht zuletzt als Korrektiv für eine allzu sicher
gehandhabte Redaktionskritik werten. Hervorzuheben ist aber vor
allem die textkritische Arbeit des Vf. Er setzt sich gründlich sowohl
mit den Textzeugen selbst, darunter mit denen aus Qumran und der
Wüste Juda, als auch mit der einschlägigen Literatur auseinander und
leistet damit einen wichtigen Beitrag zu dieser gerade im Michabuch
recht diffizilen Problematik. Darauf kann hier nicht näher eingegangen
werden. Doch werden die diesbezüglichen Ergebnisse des Vf. bei
der weiteren Erforschung des Buches zu berücksichtigen sein. So ist
der Kommentar als ganzer zweifellos eine Bereicherung für die
wissenschaftliche Diskussion, auch wenn der Grundthese, auf der er
basiert„nicht zugestimmt werden kann.

Jena Joachim Conrad

Ohler. Annemarie: Grundwissen Altes Testament. Bd. 1: Pentateuch.
Bd. 2: Deuteronomistische Literatur. Bd. 3: Propheten - Psalmen -
Weisheit. Stuttgart: Kath. Bibclwerk 1986/ 1987/ 1988. 158. 143,
1 52 S. m. Abb. gr. 8 geb. je DM 39,-.

Das vorliegende Werk möchte breiten Leserkreisen eine fundierte
Einführung in das AT geben. Pädagogisch geschickt werden grundlegende
Ergebnisse der Forschung am AT vorgestellt, so daß es dabei
als „geschichtlich geprägtes Glaubenszeugnis" erkannt werden kann.
(9) So ist denn die Frage nach der Bedeutung des AT für die Christen
nicht abschließendes, sondern bereits Thema der I. Lektion.

Band I behandelt den Pentateuch und führt in diesem Zusammenhang
in die historisch-kritische Exegese des AT ein. Die Väterübcr-
lieferungen sowie Exodus und Sinai sind dabei die Schwerpunkte. Den
Abschluß im Anhang bilden neben den üblichen Registern eine ..Einführung
in die Arbeit mit exegetischer Literatur", in der dafür
wichtige Hilfsmittel genannt und kurz charakterisiert werden, sowie
ein bibelkundlicher Überblick zu Gen und Ex I-1 5 in Tabellenform.

Überhaupt sind Tabellen, Zeichnungen, Karten und Fotos ein unbestreitbarer
Vorteil dieses vorzüglich gestalteten Werkes.

Die vier Abschnitte des 1. Bandes (Einleitung- Überlieferungen der Väterzeit
- Quellenschriften des Pentateuch - Exodus und Sinai) sind in 15 Lektionen
gegliedert: (I) Wozu brauchen Christen das Alte Testament?. (2) Der Kanon
der alltestamentlichcn Schriften. (3) Die Textüberliefcrung, (4) Einführung in
die Gattungskritik: eine Analyse der Turmbaugeschichte, (5) Hauptgattungen
der Väterüberlicferung: Stammvatersage und P'amiliensagc, (6) Einführung in
die Gattungsgeschichte: Analyse von Jakobs Kampfam Jabbok, (7) Einführung
in die Uberlieferungskritik: die Väterübcrlicferungcn. (8) Israel und Kanaan:
Religionsgcschichtliche und soziologische Fragen an die Vätcrüberlieferung.

(9) Einführung in die Redaktionskritik am Beispiel der Sintfluterzählung,

(10) Die älteste Quellenschrift im Pentateuch: der Jahwist. (11) Weitere Redaktionsschichten
im Pentateuch, (12) Zur Geschichte der historisch-kritischen Erforschung
des Pentateuch, (13) Der Auszug aus Ägypten. (14) Das Zehnwort
vom Sinai. Eine Einführung in sprachliche Gattungen der Gcsetzesüberlicfe-
rung, (15) Die Sinaiperikopc.

Dem Charakter einer Einführung entspricht es. daß die wissenschaftliche
Auseinandersetzung in der eigentlichen Darstellung keine
große Rolle spielen kann, sie wird aber signalisiert, z. B., wenn S. 81
gefragt wird: „War der Jahwist eine Autorenpersönlichkeit der
Salomozcit?" Dabei spricht sich die Vlh. gegen einen Jahwistcn als
einzelnen Sammler aus. Die Litcraturangaben zu jeder Lektion geben
dem Leser die Möglichkeit zu weiterer Information.

In gleicher Weise wie der 1. Band ist auch der 2. gestaltet worden.
Diesmal sind es 12 Lektionen, die Dtn und DtrG vorstellen. Am Ende
steht neben Registern eine detaillierte Anleitung zur Anfertigung
einer atl. Hausarbeit. Die Vfn. versteht Dtn als Mitte des AT (Ab-
schn. II). Dabei charakterisiert sie es als eine Fortschreibung des Bundesbuches
auf unterschiedlichste Weise, dessen Grundbestand der
Reform Josias zugrundegclcgen habe.

Im einzelnen beinhalten die Lektionen: (I)Das Buch Josua und die Landnahme
, (2) Das doppelte Gesicht des Richlerbuches, (3) Die Einheitsforderung
des Deuteronomiums. (4) Der Ort des Dculeronomiums, (5) Das Fortwirken
des Deuteronomiums: Die Dcuteronomisten. (6) Auseinandersetzungen um
das Königtum, (7) Sau!. (8) David, (9) Geschichtsschreibung in Israel, (10) Die
Salomozeit. (II) Prophetische Überlieferungen in DtrG, (l2)Dic Deutcrono-
misten. Erben der Propheten.

Der 3. Band gleicht in Stil und Gestaltung den Vorgängern und behandelt
in 12 Lektionen die Bereiche Propheten, Psalmen und Weisheit
. Das im Nachwort durch die Autorin selbst vermerkte Fehlen der
Apokalyptik kann nur mit Bedauern unterstrichen werden, denn die
Weisheit allein kann kaum als Brücke zum NT verstanden werden
(139). auch wenn man mit der Vfn. die Wcisheitslehrer als die eigentlichen
Tradentcn des AT auffassen will. Was in den einzelnen Abschnitten
jedoch an Fachwissen anschaulich (!) vermittelt wird, verdient
allen Respekt. Als Beispiel sei die Hinfiihrung zu den Propheten
in Lekt. I erwähnt. Allerdings lassen sich Vereinfachungen nicht vermeiden
, z. B. wenn festgestellt wird: ..Psalmen waren Gebetsformulare
." (72) Die Betonung des Formularcharakters läßt die Psalmen als
Ausdruck individueller Frömmigkeit nicht zur Geltung kommen.
Von besonderem, auch praktischem Interesse sind sicher die Ausführungen
zur Messiashoffnung (41-45). wenn sie auch nicht in jedem
Falle unwidersprochen bleiben dürften.

Im Rückblick auf die drei Bände gebührt der Vfn. Dank für ein
Werk, das jedem, der in das AT einzuführen hat oder der im Selbststudium
die wissenschaftliche Auslegung des AT kennenlernen
möchte, eine Fülle von Anregungen und Hilfen bietet.

Berlin Volkmar Hirlh

Bächli. Otto: Das Alte Testament in der Passions- und Ostcrzcit 1931. Zu
Karl Barths Andachten. Ein Beitrag zur Hermeneutik (ThZ44. 1988.
54-78).

Brut'Kgemann. Walter: Jeremiah. Intens Criticism/ Thin Interpretation
(Interp. 42, 1988.268-280).

Kaiser. Otto: Beobachtungen zur sogenannten Thronnaehfolgecrzählung
Davids(F.phcmcridcs Theologicae Lovanicnscs 64, 1988.5-20).