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Ausgabe:

1988

Spalte:

807-810

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Eaton, John H.

Titel/Untertitel:

Kingship and the Psalms 1988

Rezensent:

Kaiser, Otto

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. I 1

808

geben. K. bemerkt in diesem Zusammenhang, daß mit dem Argument
der Traditionsgebundenheit der Schriftsteller alles und jedes als vorliterarisch
betrachtet werden könne. Dazu ist allerdings zu sagen, daß
die entgegengesetzte Meinung, die mit der literarischen Tätigkeit
traditionsunabhängiger Schriftsteller und Redaktoren rechnet, die
recht eigentlich erst in exilisch-nachexilischer Zeit ihre volle Produktivkraft
entfalteten, nicht weniger hypothetisch ist. Der Kürze halber
und zur Vermeidung von Wiederholungen sei hier verwiesen auf die
kritischen Anmerkungen des Rez. zu den auch von K. häufig zitierten
und in dieser Hinsicht ja tatsächlich exemplarischen Arbeiten von J.
van Seters in ThR 48, 1983,246ff.

Wie schwierig es ist, mit reiner Literarkritik den komplizierten
Befunden gerecht zu werden, zeigt die Behandlung der „Kardinal-
steile" Gen 31,53 (S. 59 und 3080: Angesichts des Vorkommens
Abrahams in einer Jakobüberlieferung wird man mit K. den Passus
zwar nicht für Primärüberlieferung halten, aber die pluralischc Verbform
stößt sich deshalb nicht weniger hart mit dem Singular „ihres
Vaters", der offenbar sekundär die polytheistische Anstößigkeit beseitigen
soll. Literatur ohne Vorgaben liegt hier sowenig vor wie überhaupt
bei der nachträglich genealogisch verknüpften Trias der
Väter.

Das 3. Kapitel ist dem Verheißungsthema gewidmet und geht vor
allem auf Gen 12,1-3 und Gen 15 ein. Die Behandlung, deren Umfang
doppelt so breit ist als die gewiß auch nicht gerade knappe
Kommenticrung durch Westermann, kommt zu dem Ergebnis, daß
das Verheißungsmotiv nicht einer genuin vorjahwistischen, nomadischen
Väterreligion entstammt, sondern auf literarischer Komposition
beruht. Auch hier zeigt sich, daß der methodische Ansatz beim
vorliegenden Endstadium der Texte das erarbeitete Resultat bedingt.
Und tatsächlich, auf das Endstadium hin gesehen sind K.s Ergebnisse
nicht schlicht falsch, wenn auch nach manchen anderen vergleichbaren
Untersuchungen der Verheißungstexte nicht überaus originell.
Wer wollte heutcGen l5odergarGen 12,1-3 für unmittelbare Zeugnisse
einer nomadischen Vätertradition halten? Daß aber solche
Texte mit ihrer Verheißung der Volksmehrung „wie die Sterne am
Himmel" oder der Segensmittlerschaft Israels für alle Geschlechter
auf Erden eine Ansetzung just in exilisch-nachexilischer Zeit nahelegen
, ist doch sehr problematisch und läßt sich durch Verweis auf
Stellen wie Jes51,lf; 41,8f schon wegen Jes 6.3,7-64,1 1 (bloß
„Kontrasterfahrung"? S. 295) nicht wahrscheinlich machen. Überhaupt
sollte Ansetzung in exilisch-nachexilischer Zeit - heute recht
beliebt - durch den Erweis der Kongruenz mit aus eindeutig nach-
exilischen Texten bekannten Phänomenen (Fragestellungen, Nöte,
Hoffnungen, theologische Strömungen und Konzeptionen usw.) erhärtet
und so die Beliebtheit der Bcliebigheit entzogen werden. Dies
ist dann besonders dringend erforderlich, wenn es sich um Überlieferungen
handelt, die von der Tradition selbst - und entsprechend von
den Gelehrten - viel früher angesetzt werden. Dieses Desiderat führt
freilich über die hier besprochene Arbeit hinaus, trifft sich aber mit
K.s Bemerkung in seinem Vorwort, das Resultat seiner langjährigen
Bemühungen erfülle ihn nicht mit Befriedigung, „denn Destruktion
kann allenfalls nur eine Seite der Kritik sein, die um so dringender
klare Alternativen fordert." Aber warum gleich eine klare Alternative
? Wissenschaftlicher Fortschritt im Bereich der Geisteswissenschaften
beruhte immer noch auf fortschreitender Verbesserung des
methodischen Instrumentariums und nicht auf einem klaren Entweder
-Oder, das eine Einseitigkeit durch die andere ersetzt.

Bonn Antonius H. Günne weg

Eaton. John H.: Kingship and the Psalms. 2nd ed. Sheffield: JSOT
Press 1986. XII, 247 S. 8" = The Biblical Seminar. Kart. £ 6.95.

Zehn Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage innerhalb der
Studies in Biblical Theology legt John H. Eaton noch einmal sein
energisches Plädoyer für eine königsideologische Interpretation der

biblischen Individualpsalmen vor. Nach seiner Übersetzung beziehen
sich über die elf von Gunkel zu den Königsliedcrn gerechneten
Psalmen hinaus weitere 55 entweder auf das mit Jcrusalcmer Herbstoder
Neujahrsfest verbundene königliche Ritual oder besondere
Situationen im Leben des Königs. Der Text der Neuauflage ist durchgesehen
und vor allem um einen Nachtrag erweitert, in dem Eaton
über die zwischen den beiden Editionen liegende Dekade der
Psalmcnforschung referiert (S. 221 -240).

Das Werk selbst gliedert sich, abgesehen von diesem Anhang wie
den Nachweisen und Registern in fünf Kapitel. Das I. (S. 1-26)
entfaltet das Problem der Königspsalmen auf dem Hintergrund der
Forschungsgeschichte seit Hermann Gunkel. Dabei werden abschließend
zwölf Argumente zugunsten der königlichen Deutung der
Individualpsalmen zusammengestellt, die man vereinfachend dahingehend
zusammenfassen kann, daß dieses Verständnis der biblischen
Tradition entspricht, so daß die Bewcislast für eine abweichende
Deutung bei deren Vertretern liegt, während das Gelingen einer in
sich konsistenten königlichen Interpretation eines Psalms die Voraussetzung
rechtfertigt. Dabei spielen sachlich vor allem das von S.
Mowinckel rekonstruierte Thronbesteigungsfest Jahwes und Harris
Birkelands Deutung der Feinde des Beters in den Individualpsalmen
als tatsächlicher Nationalfeinde eine basale Rolle. Die von Gunkel
beobachteten und von Birkeland vermehrten Nachweise königlicher
Motive in den Psalmen werden von Eaton erneut ergänzt und dem
oben Ausgeführten gemäß nicht als ein in der privaten oder nachkultischen
Psalmendichtung verarbeitetes Erbe, sondern als Indizien
für das tatsächliche Vorliegen eines Königsgebets betrachtet.

Das 2. Kapitel (S. 27-86) dient auf dieser Grundlage dem Nachweis
, daß es mehr als die elf von Gunkel schließlich als solche zugestandenen
Königspsalmcn gibt. Als deutlich zu dieser Gruppe gehörig
werden die Ps 3: 4; 9/10; 17; 22; 23: 27; 28; 35; 40; 41; 57; 59; 61:
62; 63; 66; 69; 70; 71; 75; 89; 91; 92; 94: 108 (cf. 44: 60: 74; 80: 83:
84); I 18; 138; 140 und 143 angesprochen, als weniger deutlich die
Ps5; II; 16:31; 36; 42/43; 51; 52; 54; 55; 56; 73; 77; 86; 102: 109;
1 16; 120; 121; 139; 141 und 142. Dagegen werden die im Laufe der
Diskussion gelegentlich bereits als Königslieder betrachteten Ps 1: 6:
8;12;13;14;15:I9;25;26;32;37:38:49;64;78:88;103;104;106:
119: 122; 123: 129: 130; 131 und 145 angesichts der gegenwärtigen
Situation der Psalmenforschung nicht berücksichtigt, obwohl sie nach
Eatons Überzeugung kaum Anzeichen für eine private Psalmendichtung
bieten.

Das 3. Kapitel (S. 87-1.34) handelt von den königlichen Riten.
Nach einem Rundblick auf die Neujahrs- und Thronbesteigungsriten
in Mesopotamien, Ägypten, bei den Hcthithern und Kanaanäern
(S. 87-102) folgt zunächst eine Darstellung des israelitischen Herbstfestes
im Anschluß an S. Mowinckel unter besonderer Berücksichtigung
seiner Verbindungen mit dem Königtum. Um dem Weiteren
eine feste Grundlage zu geben, setzt Eaton dann mit einer Untersuchung
der von Gunkel als solche anerkannten Königspsalmen Ps 2:
18; 20; 21: 45: 72; 89; 101; I 10; 132 und 144 ein. Davon spricht er
zunächst die Ps 2; 21; 72; 101 und I 10 als zur Thronbesteigung oder
deren Wiederholung gehörende Dichtungen an. Ihnen ordnet er dann
auch Ps 20 und 132 zu. Nachdem er Ps 144 als eine in sich geschlossene
Einheit gedeutet und auf ein rituelles Königsordal bezogen
hat, verbindet er auch Ps 118 und weiterhin die Ps 22: 23; 36: 51: 75:
91; 92 und 121. möglicherweise aber auch Ps 102 mit dem Königsritual
des Herbstfestes. So ergibt sich rückblickend, daß A. R. Johnsons
Rekonstruktion der königlichen Riten ihre grundsätzliche Bestätigunggefunden
hat. Die dramatische Feier des Königtums Jahwes am
Herbstfest schloß eine dramatische Darstellung des davidischen
Amtes ein, die sich aufgrund der Psalmen in ihren Grundzügen nachzeichnen
läßt: In einem symbolischen Kampf wurde der König von
den Feinden aus allen Himmelsrichtungen bedroht und in den Bereich
des Todes gebracht. Hier bewährte der König in seinen Klagen
seine Treue zu Jahwe, so daß der ihm sein Gebet beantwortete und ihn
erhöhte (S. 133).