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Ausgabe:

1988

Spalte:

806-807

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Köckert, Matthias

Titel/Untertitel:

Vätergott und Väterverheissungen 1988

Rezensent:

Gunneweg, Antonius H. J.

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 11

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des Glaubens (nämlich) schließt die Überzeugung, daß Jesus die Offenbarung
und Gnade Gottes ist, notwendig ein. Sie schließt nicht notwendig
die Überzeugung ein, daß er allein diese Offenbarung und Gnade
ist." (148) Die „persönliche und vollkommene Hingabe oder Bindung
an Jesus als Inkarnation der erlösenden Absicht und Gegenwart Gottes"
wird durch solche Relativ ierung nicht geschmälert. (147)

Das Schlußkap. „Erst handeln, dann wissen - die Herausforderung
des inlerreligiösen Dialogs" (153ff) reflektiert die Folgen des neuen
Modells einer Theologie der Religionen, bes. der Christologie, für den
interrcligiösen Dialog sowie umgekehrt den Stellenwert dieses Dialogs
Tür die Theologie überhaupt. Nach der Auffassung K.s werden die
Christen nicht nur ihr persönliches Bekenntnis zu Christus in den
Dialog einbringen, sondern dürfen dabei sehr wohl auch die Absicht
verfolgen, ihre Dialogpartner zu überzeugen. Jedoch werden sie
keinerlei Urteil über die „Finalität und Normativität Jesu" abgeben.
Sic werden vor allem versuchen, vermittels ihrer Vorstellungskraft in
die Positionen der Gesprächspartner einzudringen, um so ein vertieftes
Verständnis der eigenen Position zu gewinnen. Ja, die Praxis des
Dialogs, der Wahrheit nicht mehr als exklusiv garantiert, vielmehr als
relational und viatorisch begreift (vgl. 171 ff), ist hierfür nachgerade
unerläßlich. Genauso unerläßlich ist es endlich für die gegenwärtige
Theologie überhaupt, den interrcligiösen Dialog wenn schon nicht
praktisch, so mindestens gedanklich zu führen. Die „Theologen
müssen heute in Theorie und Praxis anerkennen, daß Theologie nicht
mehr nur von einer einzigen religiösen Tradition aus .studiert' oder
.betrieben' werden kann". (183) M. a. W.: eine „globale Theologie"
ist angezeigt. (Vgl. 183ff)

Das vorl. Buch ist aufgrund seiner unkonventionellen theologischen
Denkweise in jedem Falle anregend, wenngleich nicht in
jedem Falle tiefschürfend, da vieles nur kurz angesprochen und nicht
eingehend erörtert wird. Interessant ist sicher auch der streckenweise
Einblick in die amerikanische Diskussion, bes. für den deutschsprachigen
Leser, der diese Diskussion nicht ohne weiteres verfolgen
kann. Zuzustimmen ist K. m. E. hinsichtlich seiner Argumentationsrichtung
gegen den Anspruch auf Exklusivität, Endgültigkeit oder
auch nur (vorausgesetzte!) Normativität von Christentum/ Christus.
Zu befürworten ist auch, daß er die Problematik einer neuen Theologie
der Religionen auf die christologische Fragestellung konzentriert
und hierfür mutig einen neuen Ansatz zu entwickeln versucht.
Schließlich ist nicht nur sein Plädoyer für den interreligiösen Dialog,
sondern darüber hinaus vor allem für eine „globale Theologie" zu
unterstützen. Freilich muß sich K. wenigstens zwei Fragen gefallen
lassen, die zwar sicher nicht neu sind, dadurch jedoch ihre Penetranz
nur um so mehr beweisen. I. Inwiefern überwindet die theozentrischc
Christologie wirklich den von K. als Gefahr bezeichneten Relativismus
, den bekanntlich seinerzeit bereits E. Troeltsch mit unübertroffener
Schärfe gesehen und schließlich als unumgänglich eingestanden
hat? 2. Inwieweit führt der Ansatz K.s eigentlich über Barth (sie!)
hinaus, der doch schlicht das „persönliche christliche Bekenntnis"
theologisch explizierte und insofern die Kehrseite des Relativismus
darstellt: den Subjektivismus? Oder vermag sich christliche Existenz
nur noch in einer Art Schizophrenie zu vollziehen, indem sie einerseits
im persönlichen Bekenntnis Jesus als den „Einzigen" anerkennt,
ihn andererseits aber im theologischen Nachdenken für einen unter
anderen halten muß? Zwar hofft K... daß der Relativismus im praktizierten
Dialog (womöglich zugunsten des Christentums) überwunden
werden kann (193). aber die von ihm zu diesem Zweck kurz genannten
Kriterien (194) erscheinen allzu vage und zudem bloß statuiert. -
Diese kritischen Bemerkungen nehmen von der geäußerten Zustimmung
nichts zurück, wollen vielmehr dazu verhelfen, den m. E. prinzipiell
richtigen Weg einer theozentrischen Christologie bzw. einer
neuen Theologie der Religionen in seinen Möglichkeiten weiter zu ermessen
. (In Klammern mag noch angemerkt sein, daß die Druck-
fehlerquotc des vorl. Buches, beginnend bereits beim Inhaltsverzeichnis
, für meinen Geschmack ungebührlich hoch ist.)

Gerichshain Wolfgang Pfüllcr

Altos Testament

Köckert, Matthias: Vätergott und Väterverheißungen. Eine Auseinandersetzung
mit Albrecht Alt und seinen Erben. Göttingen: Vanden-
hoeck und Ruprecht 1988. 387 S. gr. 81 = FRLANT. 142. Lw.
DM 98,-.

Die umfangreiche Monographie ist die leicht überarbeitete Fassung
einer von Siegfried Wagner betreuten. 1982 fertiggestellten Dissertation
. Wie der Untertitel besagt, beläßt sie sich mit Alts hypothetisch
erschlossener Väterrcligion als einer nomadischen Vorstufe zur späteren
israelitisch-jüdischen Jahwevcrchrung. Statt Auseinandersetzung
hätte es auch heißen können: Widerlegung, denn darum ist es Vf. zu
tun.

Der forschungsgeschichtliche Überblick reicht von Wellhauscn. der
die Patriarchenerzählungen als rein literarische Erzeugnisse und
Rückprojektionen der frühen Königszeit verstand, über A. Alts Versuch
, die Literatur der Quellenschriften auf ihnen vorgegebene, vor-
jahwistische Traditionen zu hinterfragen, bis Westcrmanns modifizierende
Weiterführung von Alts Konzeption im Gegensatz zu J. Hoftij-
zer. der 1956 mit seiner Monographie „Die Verheißungen an die drei
Erzväter" als einer der ersten die literarische Betrachtungsweise
wiederbelebte. Aus dem bisherigen Gang und den Ergebnissen der
Forschungsgeschichte schließt Vf.. daß die Verbindung von Vätcrgotl
und Väterverheißungen für die Hypothese einer besonderen Väterreligion
konstitutiv gewesen sei. Gelänge es also, diese Verbindung zu
erschüttern, müßte der ganze hypothetische Bau in sich zusammenbrechen
. Am Schluß seiner Arbeit meint Vf. als Ergebnis festhalten zu
können: „Weder allmähliches Zusammenwachsen ehedem selbständiger
Numina aus grauer nomadischer Vorzeit noch nachträgliche
Identifikation unterschiedlicher Religionstypen in Ex 3, sondern die
literarische Verbindung disparater Überlieferungen hat hier wie dort
Gestalt gewonnen. In dieser Hinsicht kann gelten, was als religions-
gcschichtlichc Wirklichkeit bestritten werden mußte: Vätergott und
Väterverheißung." (S. 323)

Mit diesem Ausgangspunkt und dieser Zielsetzung ..ist der Gang der
weiteren Untersuchungen vorgezeichnet". (S. 51)

Das 2. Kapitel gilt den Versuchen, einen nomadischen Religionstypus
zu rekonstruieren, zu dem die Väterverheißungen konstitutiv
gehören sollen. Die recht umfangreiche Behandlung (S. 54-161) führt
zu dem - richtigen - Ergebnis, daß die Vätercrzählungen keinen
genuin nomadischen Religionstypus zur Voraussetzung haben
müssen und daß überhaupt „nicht mit einem tiefgreifenden Gegensatz
zwischen Nomaden und Seßhaften zu rechnen" sei (S. 303). Nun ist
diese tatsächlich über Alt und seine Erben hinausführende Einsicht
mittlerweile nicht mehr neu, wie die von Vf. zitierte Literatur ja zeigt.
Und bereits Alt selbst wußte, daß die Texte, auf die er sich bezog, erst
in einer späteren Zeit und nicht unter den Bedingungen des Nomaden-
tums verläßt worden sind. Es fragt sich aber, ob solche Einsichten für
diesen Teil der Argumentation den Altschen Ansatz völlig aus den
Angeln heben oder nur zu dessen Modifikation nötigen.

K. setzt hier bei den vier verschiedenen Gottesbezeichnungen ein.
die im Bereich der Väterüberlieferungen begegnen: „der Gott des
PN", „der Gott meines/deines usw. Vaters", Kombinationen aus
beiden Typen und schließlich Appellativ und PN. Es handle sich,
anders als Alt glauben lassen wollte, um „völlig divergierende Bezeichnungen
". Man wird hier in der Tat genauer als Alt differenzieren
müssen: aber auch so darf man nicht behaupten, es handle sich um
völlig Divergierendes. Denn diesen eigentümlichen Bezeichnungen ist
gar manches gemeinsam: Sie begegnen vornehmlich im Bereich der
Vätertradilioncn und sind sämtlich Genitivkonstruktionen. die anstatt
eines göttlichen Eigennamens stehen. Auch wo sie reine Literatur
sind, bleibt dieses Spezifikum unübersehbar wie die eigentümlichen
Patriarchcnn amen, das Wandermotiv und überhaupt das unverwechselbare
Kolorit dieser Erzählungen. Es fragt sich dann nur. ob
dies alles literarisches Erzeugnis ist oder der Literaturwerdung vorge-