Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1988

Spalte:

803-805

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Knitter, Paul F.

Titel/Untertitel:

Ein Gott - viele Religionen 1988

Rezensent:

Pfüller, Wolfgang

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

803

Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 11

804

den Propheten gemacht werden, wurde für den „Propheten wie
Mose" bis zum 4. Jh. n. Chr. ein neuer Terminus technicus geprägt,
der keine genaue Identität des Erwarteten ausdrückte, ihn aber in jedem
Fall als einen „Wiederkehrenden", d. h. Taheb, charakterisiert.
Er gehört damit in dieselbe aramäische Sprachperiode der Samari-
taner, zu der auch Märqe gehört. In den immer wieder gemachten
Identifikationsversuehen werden von den Samaritanern neben Mose
selbst auch Henoch und Josua genannt.

Die älteste Aufgabe dieses Propheten ist es, die Wahrheit zu offenbaren
. Wie sein Prototyp Mose trägt er auch die Züge eines
Herrschers, die aber erst seit dem Mittelalter systematisch entwickelt
und mit einer kosmischen Eschatologie verbunden werden. Dadurch
erschien der Taheb sogar als königliche Gestalt und näherte sich dadurch
dem jüdischen Messias.

Religionsgeschichtlich interessant ist der Umstand, daß in der Gestalt
des Taheb eine sehr alte Vorstellung erhalten geblieben ist. Die
Samaritaner haben hier eine aus dem vorrabbinischen Judentum
stammende Erwartung konserviert und können somit als letzte
Zeugen der jüdischen Religionsparteien vor der Zerstörung des Zweiten
Tempels gelten. Diese Tatsache macht die vorliegende Studie
auch für außerhalb der Samaritanistik liegende Forschungsbereiche
relevant. Sie ist interessant einerseits für den Religionsgeschichtlcr,
Judaisten und Theologen, der sich über einen bisher vernachlässigten
Forschungsgegenstand vor dem soliden Hintergrund von Textanalysc
und -kritik des gesamten zugänglichen Materials informieren möchte,
andererseits aber auch für den philologisch orientierten Hebraisten
und Semitisten, der anhand der repräsentativen Auswahl sprachlich
und inhaltlich interessanten, normalerweise schwer zugänglichen
Textmaterials in die Lage versetzt wird, sich einen Eindruck von den
Besonderheiten der hebräisch aramäischen Mischsprache der Samaritaner
zu verschaffen.

Berlin (West) Sylvia Powels

Knitter, Paul F.: Ein Gott - viele Religionen. Gegen den Absolutheits-
anspruch des Christentums. Ins Deutsche übertr. von J. Wimmer.
München: Kösel 1988.220 S. 8". geb. DM 34,-.

Der Untertitel der deutschen Ausgabe des vorzustellenden Buches
(amerik. Originalausgabe 1985 unter dem Titel "No Other Name? A
Critical Survey of Christian Atlitudes Toward the World Religions")
ist eher irreführend. Geht es doch P. F. Knitter, derzeit Prof. für die
Theologie der Religionen in Cincinnati (USA), viel weniger um eine
neuerliche Destruktion christlichen Absolutheitsanspruchs, als vielmehr
um ein Plädoyer für eine neue Theologie der Religionen und
d. h. vor allem eine erneuerte Christologie, ja für eine neue Verfahrensweise
der Theologie überhaupt.

Man könnte ein wenig zugespitzt sagen: K. geht davon aus, daß der
Absolutheitsanspruch des Christentums eigentlich obsolet ist. Dies
belegt bes. das 1. Kap. seines Buches (I7ff), das die Probleme exponiert
. „Die neue Wahrnehmung des religiösen Pluralismus treibt
unser kulturelles Bewußtsein der einfachen, aber tiefgründigen Einsicht
entgegen, daß es den einen und einzigen Weg nicht gibt." (24)
Diesem unbestreitbaren Faktum des religiösen Pluralismus gegenüber
hält K. freilich Tür ebenso bedeutsam die Tendenz zur „Einheit in der
Vielheit" oder umgekehrt einer „Pluralität, die Unität konstituiert"
(30). Der „einheitliche Pluralismus der Religionen" (original "unitive
pluralism") zielt auf deren Zusammengehen, bes. auf den intcr-
religiösen Dialog. Dabei lautet seine grundlegende Voraussetzung:
„alle Religionen sind gleichermaßen gültig oder können es sein". (42)
K. sieht sehr genau, welche Schwierigkeit sich von dieser Konstellation
her für den traditionellen Anspruch des Christentums ergibt: Der
„zentrale christliche Glaubenssatz der Einzigartigkeit Christi" scheint
aufgegeben werden zu müssen. (42) Gleichwohl erachtet er die gegebene
Konstellation nicht nur als unumgänglich, sondern geradezu
als einen „neuen Kairos für das Christentum", der ihm „die Chance

zu echtem Wachstum und genuiner Weiterentwicklung sowie zu
einem neuen Verständnis der Botschaft des Evangeliums" eröffnet.
(440

Das 2. Kap. „Kulturelle und christliche Einstellungen zu den Weltreligionen
. Ein Überblick" (48ff) unterstützt in seinem Ergebnis vor
allem die schon aufgeführte These, wonach jeglicher Anspruch des
Christentums auf Exklusivität, Endgültigkeit oder auch nur Normativität
unhaltbar ist. Dabei werden die „christlichen Einstellungen"
etwas schematisch und kurz unter den Stichworten „Exklusivismus"
(Repräsentant K. Barth), „modifizierter Exklusivismus" (Tendenz:
Offenbarung in den nichtchristlichen Religionen: ja, Erlösung: nein)
und „Inklusivismus" (Prototyp K. Rahner) erörtert. (58-66) Interessant
und von grundlegender Bedeutung für K.s weitere Argumentation
sind die „Einsichten" und „Gefahrenmomente", die er nach
kurzer Darlegung der „kulturell gängigen Einstellungen gegenüber der
Welt der vielen Religionen" festhält. Auf der einen Seite kann sich s.
E. auch das Christentum der Erfahrung der Geschichtlichkeit und
historischen Relativität aller Religionen wie auch ihrer grundlegenden
Gemeinsamkeit nicht entziehen. Auf der anderen Seite aber ist
einer Nivellierung der Religionen ebenso zu wehren wie einem ver-
gleichgültigenden Relativismus. (560

Damit ist K. beim eigentlichen, konstruktiven Anliegen seines
Buches. Hierzu bahnt er sich im 3. Kap. „Das theozentrische Modell:
Viele Wege zur Mitte" (67 ff) gleichsam den Weg. Er erläutert Ansätze
für eine „pluralistische Theologie der Religionen" (J. Hick. R. Panikkar
, S. Samartha, Gesichtspunkte aus dem jüdisch-christlichen
Dialog und der Befrciungs- bzw. Politischen Theologie). Aul Näheres
kann ich hier nicht eingehen. Gesagt werden muß jedoch, daß K. das
„theozentrische Modell" einer Theologie der Religionen und d. h. vor
allem der Christologie auf dem richtigen Wege sieht. Er bejaht mithin
die vornehmlich von J. Hick propagierte „kopernikanische Wende"
in der Theologie der Religionen, die Christentum/ Christus aus dem
und Gott ins Zentrum gerückt hat (vgl. 100). Demzufolge dient das 4.
Kap. „Wie ist Jesus einzigartig? Auf dem Weg zu einer theozen-
trischen Christologie" (101 ff) dazu, „Gründe für die Validität einer
theozentrischen Christologie" anzuführen (100), wodurch diese „als
stichhaltige Neuinterpretation der christlichen Tradition und Erfahrung
ausgearbeitet und verteidigt" werden soll (102). Dabei verfolgt K.
sein Ziel zunächst vermittels einer Reinterpretation der neutesta-
mentlichen Tradition. Offensichtlich ist für ihn, daß Jesu Intention
theozentrisch war. Aber auch die neutestamentliche Christologie
zeichnete sich s. E. von allem Anfang an dadurch aus, daß sie im
Dialog mit der religiösen Umwelt entworfen wurde, vielgestaltig war
und sich in Entwicklung befand. Wenn sie allerdings unbestreitbar
„Einzigkeit und Ausschließlichkeit" für Jesus reklamierte, so ist dies
von ihrem „historisch-kulturellen Kontext" her durchaus verständlich
. Gleichwohl betrifft es „mehr das vom Neuen Testament benutzte
Medium ... als seine zentrale message", (120) Die „exklusivi-
stische christologische Sprache" des NT ist Ausdruck persönlichen
Bekenntnisses, nicht dogmatischer Reflexion. - Sodann bemüht sich
K„ in zeitgenössischen christologisehen Ansätzen Impulse und Linien
aufzuzeigen, die in die Richtung einer theozentrischen Christologie
weisen. Eine wichtige Rolle spielt hier neben der „transzendentalen
Christologie" K. Rahners sowie der „Prozeß-Christologie" vor allem
die „Befreiungs-Christologie". Des weiteren versucht K., die Aussage
über die Auferstehung Jesu mit seinem christologischen Ansatz zu
vermitteln. Fazit: Auch das „Verstehensmodell" der Auferstehung
legitimiert nicht die Einzigartigkeit und Ausschließlichkeit Jesu, denn
- um nur einen bes. pointierten Satz zu zitieren - auch andere „Reli-
gionsbegründer leben in verwandelter, geistiger, aber realer Weise
weiter" (146). Wird Jesus indes in der Weise zu einer Heilsgestalt
unter anderen, wird seine Bedeutung derart relativiert, daß er weder
als normative noch gleich gar als einzige oder ausschließliche Offenbarung
Gottes gelten kann, dann stellt sich schließlich die Frage, ob
daraufhin überhaupt noch eine christliche Identität- möglich ist. K.
meint diese Frage ohne weiteres bejahen zu können. „Die Erfahrung