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1988

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Systematische Theologie: Dogmatik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 10

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theologischer Lehraussagen (319). Auf die Beliebtheit und Problematik
solcher Übersichten braucht nicht hingewiesen zu werden; bei
sinnvoller Benutzung können sie eine sehr gute Orienticrungshilfc
abgeben.

Bei der Zahl der Stichwörter kann man zum Inhalt nur Stichproben
vornehmen. Es gibt aber Dinge, die schon beim Durchblattern autlallen
, so wenn in dem Artikel ..Hierarchie der Wahrheiten" aus dem
Malta-Dokument ..Das Evangelium und die Kirchen" von 1972 die
falsche Bezeichnung ..Mitte des Evangeliums" - absichtlich oder
zufällig - falsch zitiert, aber in der Sache richtig korrigiert wird mit
..Mitte der Schrift" (259).

Durchweg zeigt sich, zumal bei klassischen Kontroverspunkten,
wie die Autoren bemüht sind, auf der biblischen Grundlage die Positionen
des Lehramtes für die zwischenkirchliche Verständigung zu
erschließen. So wird z. B zum Stichwort ..Buße" auf die Gefahr hingewiesen
, daß das lateinische Wort „poenitentia" ..den Sühne- und
Wiedergutmachungscharakter der B. nicht selten über Gebühr zum
Tragen" bringe, während es auf reformatorischer Seite schwer werde.
..die B. als eine aktive Absage an die Sünde zu begreifen . . ." (500-
Die biblische Grundlage führt hier wie auch bei anderen damit zusammenhängenden
Artikeln wie z. B. ..Reue" zu einer Möglichkeit theologischer
Besinnung und Verständigung. Ähnliches gilt von dem bemerkenswerten
Beitrag zum Thema ..Gesetz und Evangelium", in dem.
auch mit Hilfe einer Tabelle, an zentralen Begriffen eine Ubersicht bis
zu den von Karl Barth ausgelösten Kontroversen geboten wird.

Bemerkenswert sind auch die verschiedenen Artikel zum Themenkreis
der Mariologie. die als Beispiel lür die klare Umsichtigkeit des
Werks gelten können. So beginnt das Stichwort ..Erbsündenfreiheit/
Unbefleckte Empfängnis Marias" mit der Feststellung: ..Die biblische
Begründung für diese Glaubensüberzeugung kann nicht mi unmittelbare
Schriftzeugnisse verweisen . . ."(123).

Differenzen werden nicht übergangen, sondern klar festgestellt, aber
auch die Gegenposition wird, soweit das in der Kürze möglich ist.
kenntnisreich gut belegt und klar beschrieben. Auch Probleme, die
inner- und zwischenkirchlich sehr heikel sind, wie ..Zölibat" und
..Frau in der Kirche", sind vorbildlich in ihrer klaren Besonnenheit,
die Nachdenken und Gespräch auch in Gegensätzen ermöglicht.

Auf Schritt und Tritt zeigen sich die Früchte zwischenkirchlicher
theologischer Zusammenarbeit, und das sei deshalb besonders hervorgehoben
, weil gerade bei Kompendien dieser Art die Gefahr entsteht,
daß notwendige Konzentration zu einer unvermeidlichen Abgrenzung
führt.

Wer mit Dogmatik zu tun hat. weiß als Lernender wie als Lehrender,
daß didaktische Schwierigkeiten oft die Sachfragen erdrücken und verdrängen
. Es ließe sich manches aufzählen, was in diesem Band nicht
oder nur am Rande vorkommt, wie z. B. die Verbindung von Dogmatik
und Gottesdienst oder auch der Themenkreis der Ethik. Aber in jeder
Hinsicht steht mit guten Gründen die Übersichtlichkeit vor der Vollständigkeit
, die von einem solchen Werk nicht erwartet, wohl aber erschlossen
werden kann. So ist es insgesamt ein Lexikon, das sicher nicht
nur für römisch-katholische, sondern ebenso für evangelische Theologen
und für deren Begegnung sehr gute Dienste leisten kann.

Erlangen Reinhard Slcnczka

l.apidc. Pinchas: Glauben, wissen oder zweifeln? Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1988. 96 S. 8" = GTB Siebenstern. 1420. Kart.
DM 12.80.

Noller, Gerhard: Sclbstvcrwirklichung oder Gottes Wirklichkeit? Anmerkungen
zur Überwindung des Subjekt-/Objcktschcmas (EvTh 48. 1988.
233-246).

Peters. Albrecht: Rechtfertigung und Recht (ZEvKr 32.1987.480-509).
Ramaroson. Leonard: La justification par la foi du Christ Jesus (ScEs 39.
1987.81-92).

Sauter. Gerhard: Begriff und Aufgabe der Eschatologie. Theologisehe um'
philosophische Überlegungen (NZSTh 30.1988.191-208).

Stock. Konrad: Pneumalologie und ethische Theorie (NZSTh 30. 1988
163-178).

Systematische Theologie: Ethik

Rauchfleisch. Udo: Psychoanalyse und theologische Kthik. Neue
Impulse zum Dialog. Freiburg/Schweiz: Universitätsverlag; Freiburg
-Wien: Herder 1986. 149 S. 8' = Studien zur theologischen
Ethik. 18.sfr24.80.

Viele Ethiker beanspruchen für ihre Disziplin den Charakter einer
..Wirklichkeitswissenschaft". Aber was stellt sich ihnen als das Wirkliche
dar? In den meisten Fällen sind die Rückgriffe auf die sog.
Human Wissenschaften theorielos. Erfahren die Rezipienten einer
Ethik eigentlich, warum Gehlens Anthropologie oder neuerdings
Luhmanns Systemtheorie zum Hauptberater der Ethik wird? Die Psychoanalyse
ist in der Ethik weniger beachtet worden: ihre Erkenntnisse
wurden v. a. in der Sexualethik rezipiert. Deshalb verdient der
Versuch des Baseler Psychoanalytikers Udo Rauchfleisch. Beziehungen
zur Ethik zu suchen, besondere Aufmerksamkeit. Seine ..neuen
Impulse zum Dialog" (so der Untertitel) verdanken sich einer Vorlesung
an der Universität in Frciburg/Schweiz. die er zusammen mit
A. Holdercggcr. der durch seine humanwissenschaftlichen und ethischen
Untersuchungen des Suizids bekannt wurde, abhielt. Leider ist
Holdereggers Beitrag nicht veröffentlicht worden; deshalb läßt sich
nicht feststellen, ob (oder wie) ein Dialog zwischen Psychoanalyse und
Moraltheologie zustande kam.

Rauchfleisch sucht die Beziehung zur Ethik in einem Menschenbild
, das bei der Korrektur des Freudschen Instanzenmodells ansetzt
Dem Ich. bedrängt von Es und Übcr-lch. werden mit Hilfe der Ansätze
der Freud-Tochter und H. Hartmanns stärkere Kompetenzen
zugewiesen (S. 14. 22); das autoritäre Übcr-lch wird mit Zulliger von
der Liebe her abgeleitet (23). Vielleicht nicht immer überzeugend wird
die Ciestaltung des Tricblebcns einbezogen, denn der Vf. schließt
seinen grundsätzlichen Erwägungen Überlegungen zum ..Umgang mit
Sexualität aus psychoanalytischer Sicht" an (29IT). Dabei geht es im
wesentlichen um die Sexualität des heranwachsenden und des jungen
erwachsenen Menschen. Was „ganzheitliche, integrale Sexualität"
(Böcklc) (37) bedeutet, wird nur in allgemeinen Umrissen deutlich-
Immerhin ist die Bemühung um ein freiheitliches Urteil anzuerkennen
. Um des Ansatzes willen wäre eine breitere Entfaltung der auf ein
reifes Ich bezogenen Gestaltung des Trieblebens zu wünschen gewesen
. Der Vf. zielt auf eine bestimmte Werthierarchie (76) und die
Sclbstverantwortung des Ncurotikcrs (78). Der Mensch soll im echten
Sinn schuldfähig werden (90).

Dankenswert ist es. daß der Vf. seine ..Überlegungen zum Problem
des echten Glaubcnsvollzugs" (97IT) vorträgt. In Symbolen sollen die
..stets lebendigen Urerfahrungen des Menschen" zum Ausdruck kommen
(104f): sie sollen progressiv-dynamische Ich-Leistungen herausstellen
(110). Dieses Thema rechtfertigt eine eigene Monographie-
Allzusehr werden wir zur Zeit von Symbolik (aber auch Mythen)
überrollt, die sich die Frage nach den Gefahren der Regression g8f
nicht mehr stellt. Als ob Ricocur und Lorenzer aus den besten Freudschen
Traditionen hier nicht wichtige Kriterien aufgeboten hätten-
Leider kommen deren Anliegen kaum zu Wort. Immerhin bleibt der
Vf. auf dieser Seite und deutet das Kriterium der Autonomie-
Leistungen des Cilaubens an (116); er vergräbt sich also nicht in den
Wust der aus dem Lager von C. G. Jung und eines angeblichen Feminismus
aufgehäuften Archaismen. Allerdings verrät des Vf. Zustimmung
zu Tilliehs Symboltheorie (I 100. daß hier keine durchschlagende
Klarheit geschaffen wurde.

Der von Rauchfleisch vorgelegte Versuch ist ein hilfreicher Ansatz-
Die theologische Ethik sollte mehr an solchen Angeboten erhalten-
diese sollten sich allerdings auf ganze Biographien vom Kleinkind WS
zum Alter erstrecken und der Gestaltung eines gelingenden Lebens
nicht nur bei (etwas restriktiv verstandener) Sexualität, bei Schuld und
Glaubensvollzug nachgehen.

Bochum Christofer Frey