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Ausgabe:

1988

Spalte:

774-775

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Lexikon der katholischen Dogmatik 1988

Rezensent:

Slenczka, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 10

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weiterfragen. So ist es erklärlich, dafi beispielsweise heute eine ..evolutionäre
Erkenntnistheorie" entworfen wurde. Aber gegen den Vf. muß
eingewandt werden, daß auch diese Theorie genauso wie die vom
gekrümmten Raum unter bestimmten Denkvoraussetzungen entstanden
ist. Der Vf. gibt sich über diese Voraussetzungen keine Rechenschart
, sondern er übernimmt die Ergebnisse der modernen Naturwissenschaft
unkritisch. Es ist wohl möglich, ein Apriori. nachdem es
konkret benannt worden ist. auch zu erklären, aber diese Erklärung
steht ihrerseits wieder unter einem Apriori. Um das Apriori als
solches benennen zu können, müßte man wie Kant den archimedischen
Punkt außerhalb seiner selbst in der Zugehörigkeit zur allerhöchsten
Vernunft haben.

Das große Rätsel der kantischen Erkenntnistheorie liegt nach der
Darstellung des Vf. in der Definition des Dinges an sich. Es gibt zwar
den Anstoß für die Erkenntnis des Menschen, bleibt dabei aber gänzlich
unerkennbar hinter ihr. Wie entsteht dann aber die empirische
Mannigfaltigkeit der Erkenntnis? Diese Frage wäre leicht beantwortbar
, wenn .man davon ausginge, daß das Ding an sich eine in sich
strukturierte Außenwelt ist. die viele unterschiedliche Wirkungen auf
unsere Sinne ausübt. Aber so hat es Kant nicht gemeint. Das Ding an
sich gibt bei Kant nur den Anstoß dazu, daß im Menschen selbst eine
seinen Erkenntnisformen entsprechende Erkenntnis entsteht. Im
Menschen ist daher die Mannigfaltigkeit seiner Erkenntnis begründet
und nicht in einer Außenwelt. Kant schlägt hier einen neuen Weg ein.
den der Vf. nicht mitzugehen vermag. Für ihn ist es offenkundig, daß
°ci Kant der Übergang vom Ding an sich zur empirischen Erkenntnis
mißlungen ist: Wo das Ding an sich nicht erkennbar sei. habe die
empirische Erkenntnis keinen festen Grund und bleibe eigentlich
genauso dunkel wie das Ding an sich. Auch hier zeigt sich wieder, daß
der Vf. nicht bereit ist. den Ueist des Menschen zum Thema zu
machen.

Die Untersuchung findet ihr Ziel in einer Kritik der kantischen
Gotteslehre. Kant habe dem (Jottcsglauben den sicheren Grund entzogen
, weil er ihn von aller sinnlichen Wahrnehmung getrennt habe,
'm Bereich der theoretischen Vernunft sei für Kant Gott „eine von
Raum und Zeit unabhängige, übersinnliche, bloß denkerische, aber
selbst im Denken nicht greifbare Fiktion". (220) Im Bereich der praktischen
Vernunft aber werde ein bloß subjektiver Gottesglaubc möglich
, der leicht in Atheismus umschlagen könne, weil von ihm her die
menschliche Vernunft darauf aus sei. alle Erkenntnis zu einer Einheit
OJ führen, die ebensogut religiös als ..Gott" wie profan als ..Natur" erklärt
werden könne. So zeige sich heute die Notwendigkeit, dem Glauben
an Gott wieder ein festes, klares Wissen vorzugeben. „Wenn man
von Gott nichts mehr wissen kann, warum sollte man noch an ihn
glauben?!" (236) Das Wissen von Wirklichem aber sei dem Menschen
nur unter der Bedingung von Raum und Zeit gegeben. Wenn Gott wie
bei Kant ein rein geistiges Wesen sei, das mit der sinnlich-materiellen
Welt bestenfalls nur noch dies zu tun habe, daß es ihr Schöpfer ist,
bleibe er für uns Menschen unerkennbar. Umgekehrt wäre es aber
auch nicht richtig, zu postulieren, daß Gott selbst ein sinnlich wahrnehmbares
Wesen sei. denn damit wäre die relative Eigenständigkeit
des menschlichen Geistes außer acht gelassen. Nicht Gott selbst, wohl
aber seine Wirkungen in dieser Welt seien sinnlich wahrnehmbar und
eindeutig erkennbar. Von ihnen her könne der Mensch einen Gott
denken, der nicht der Welt so radikal gegenübersteht wie bei Kant.
Doch an dieser Stelle kommt dem Leser die Frage, woher er denn die
Gewißheit dieses Gottes bekommen soll, wenn ihm doch der archimedische
Punkt außerhalb seiner selbst versagt ist, von dem aus er die
Übereinstimmung seines Denkens mit der Wirklichkeit überprüfen
könnte. Sicher ist doch unter dieser Voraussetzung nur die sinnliche
Wahrnehmung, und alles Weitere ist wackeliger Überbau. So wäre es
konsequent, den Glauben an Gott ganz, fahrenzulassen und sich statt
dessen nur noch an die „Heilstatsachen" zu halten. Diese hätten dann
allerdings keine Heilsbedcutung mehr.

Neinstedl Hans Schleift

Systematische Theologie: Dogmatik

Beinert. Wolfgang [Hg.]: Lexikon der katholischen Dogmatik. Frei-
burg-Basel-Wicn: Herder 1987. 27* S.. 594 S. gr. 8 geb.
DM 88.-.

Wenn Nachschlagewerke als „Fundgrube" bezeichnet werden,
kann dies auch bedeuten, daß vieles darin verlorengehl und nur zufällig
aufgefunden wird. Das ist für die Autoren wie für die Bcnützer
betrüblich. Im Unterschied zu vielen anderen seinesgleichen hat dieses
einbändige Lexikon in der Auswahl. Bearbeitung und Anordnung
der etwas mehr als 300 Stichwörter ein bewundernswertes Maß an
Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit, so daß man durchaus von einer
in sich geschlossenen Gesamtdarstellung katholischer Dogmatik sprechen
kann. Im Verlagsprogramm tritt dieses Werk an die Stelle des
1926 erschienenen „Handlexikons der katholischen Dogmatik".

Die Stichwörtergehen von den 11 Traktaten derSchuldogmatik aus
und wurden jeweils einem ausgewiesenen Fachvertreter übertragen.
Die „Theologische Erkcnntnislehre" ist bearbeitet von Wolfgang Beinert
. Regensburg, die ..Gotteslehre" von Wilhelm Breuning. Bonn,
die „Schöpfungsichre" von Alexandre Ganoczy. Würzburg, die
„Theologische Anthropologie" von Georg Langemcycr. Bochum, die
„Christologie/Soteriologie" von Lothar Ullrich. Erfurt, die „Mariolo-
gie" von Franz Courth. Vallendar, die „Ekklesiologic" von Werner
Löser. Frankfurt/M.. die „Pneumatologie" von Heinz Ncufeld. Rom.
die ..Gnadenlehre" von Georg Kraus. Bamberg, die „Sakramentcn-
lehre" von Günter Koch. Würzburg, und schließlich die „Eschato-
logie" von Josef Finkcnzeller. München.

Wenn auf diese Weise von den Autoren her eine Einheitlichkeit in
der Behandlung der Sachthemen erreicht wird, so wird auch eine Einheitlichkeit
in der Darstcllungsform dadurch erzielt, daß jeder einzelne
Artikel in 5 Punkte gegliedert ist. die zugleich das theologische
Konzept erkennen lassen. Die entsprechenden 5 Ziffern in jedem
Artikel sind durch Fettdruck hervorgehoben und bezeichnen dann
folgende Gesichtspunkte: „1. Biblische Grundlagen: Das Wort Gottes
in der Heiligen Schrill wird als normierende Grundlage des Glau-
bcnsinhaltcs ausgewiesen. 2. Dogmcngesehiehtlicher Aufriß: Ein kurzer
Einblick in die Begriffs- und Problemgeschichte wird geboten. 3.
Lehramtliche Aussagen: Hier wird die Position der amtlichen Kirche
klar umrissen. 4. Ökumenische Perspektiven: Der Leser erfährt, ob
die behandelte Thematik innerhalb der Christenheit kontrovers oder
umstritten ist. welche Positionen andere Denominationen vertreten
und wie der Stand des zwischenkirchlichen Gesprächs ist. 5. Theologische
Erläuterung: Inhalt, Bedeutung und Umfeld des Stichwortes
werden erörtert, die theologische Diskussion und die möglichen Entwicklungen
werden je nach Maßgabe aufgezeigt."

Zu jedem Artikel findet sich eine knappe, aber sehr sorgfältige
Quellen- und Literaturauswahl.

Eine weitere Besonderheit bilden die zahlreichen graphischen
Übersichten zu einzelnen dogmatischen Themen wie z. B. zur Chri-
stologic (61 fT). zu den Eigenschaften Gottes (107 ff), zum Grundriß der
Gnadenlehre und zu den ..Gnadensystemen" (211/213) oder auch zu
den Grundbegriffen der Trinitätslehre (522f). Ferner finden sich
Übersichten zur Aufteilung der theologischen Disziplinen sowie zu
den „Epochen der Theologie- und Dogmengeschichte" unter Einschluß
der reformatorischen und ostkirchlichen Theologie (497-502)
oder auch über die „ökumenischen Dialoge unter Beteiligung katholischer
Theologen" (84-86). Die Reihe der „ökumenischen Konzile"
bis zum Vaticanum II erscheint in einer Tabelle mit den wichtigsten
Daten und Themen (326-328); die Organisation und Geschichte des
Ökumenischen Rates der Kirchen erscheint in einer bis 1991 reichenden
Übersicht (397t). Es fehlt auch nicht das Schema zum „Verlauf
der Exegese von Bibcltcxten" (245), das inzwischen eine ökumenische
Verbreitung gefunden hat, und schließlich, um dies neben vielen
anderen nicht zu übergehen, enthält das Werk auch die Systematik der
„Noten und Zensuren" für die Verbindlichkeit oder Verwerflichkeit