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Ausgabe:

1988

Spalte:

765-766

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Drobner, Hubertus R.

Titel/Untertitel:

Person-Exegese und Christologie bei Augustinus 1988

Rezensent:

Höhn, Hans-Joachim

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I heologische Lileraturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 10

766

Dogmen- und Theologiegeschichte

Drobner, Hubertus R.: Person-Exegese und Giristologie bei Augustinus
. Zur Herkunft der Formel Una Persona. Leiden: Brill 1986.
XIII. 353 S.gr. 8° = Philosophia Patrum. 8. Lw. hfl 104.-.

Hinsichtlich seiner F.tymologie ist die Herkunft des Wortes ..Person
" zwar immer noch umstritten. Dennoch besteht Übereinstimmung
darüber, daß das mit ihm Gemeinte erst in der christlichen
Theologie, vor allem in der Christologic und Trinitätslehre. seine
umfassende Klärung fand. Die einzelnen Stationen, an denen sich
diese Klärung vollzogen hat. sind aber von der Theologie noch keineswegs
zureichend gewürdigt worden. So ist etwa die Frage nach der
Herkunft der Formel ..Christus una persona" von der Augustinusforschung
lange Zeit unbeantwortet gelassen worden. Damit blieb nicht
nur ein wichtiges Defizit in der Analyse der Einflüsse einer grammatischen
(Pcrson-)Exegese auf die Entwicklung der augustinischen
Christologic bestehen. Sie markiert auch eine Leerstelle in der Rekonstruktion
des vor-chalkedonischen Christusbildes. Mit seiner bereits
1984 an der Päpstlichen Lateran-Universität in Rom eingereichten
Dissertation gelingt D. ein überzeugender Beitrag zur Behebung dieses
Zweifachen Mankos. Seine Studie beschreitet dabei einen doppelten
Weg: einen terminologischen und einen theologicgeschichtlichen.
Beides ist notwendig, da die sog. grammatische Exegese ex definitione
ein lediglich formales Instrument zur Analyse der (theologischen)
Sprache ist. Erst die Person-Exegese erläßt das Sinn-Subjekt einer
Aussage. Sic führt zudem direkt auf das christologische Grundproblem
, wie die Einheit des Gottmenschen Jesus Christus aufzufassen
ist. welche Eigenschaften und Handlungen von der göttlichen und/
oder menschlichen Natur auszusagen sind etc. Vom Stand der neueren
Augustinusforschung ausgehend (1-5). erörtert D. zunächst, wie
Augustinus das Wort ..persona" gebraucht, inwieweit er darin von
seiner Kenntnis des profanen Lateins becinllußt ist und inwiefern er
eine eigene Sprache ausbildet bzw. bereits in der Tradition einer
christlichen Sondersprache steht (11-126). Dies geschieht auf der
Basis einer vollständigen Sammlung und Sondierung der „persona"-
Stellcn im Werk Augustins. D. wertet in mühsamer Kleinarbeit hierbei
insgesamt 1407 (!) Textslellcn aus und liefert damit en passant eine
Wertvolle Grundlage für die noch ausstehenden Darstellungen des
Wortes ..persona" im Augustinus-Lexikon und im Thesaurus
Linguae Latinae. D. ergänzt diese Analyse, indem er dem Vorkommen
des Wortes ..persona" auch in den Texten lateinischer Schriftsteller
bis Ende des 2. Jh. n. Chr.. lateinischer Grammatiker und einer
Auswahl christlicher Autoren bis zum 4. Jh. n. Chr. nachgeht. Der
zweite Teil der Arbeit (127-270) untersucht, auf welche ideenge-
schichtlichc Situation die Formel ..Christus una persona" traf, welche
Vorbilder sie inhaltlich und terminologisch besitzt und aufweichen
Wegen sie für Augustinus zum Schlüssel für die Lösung aller christo-
logischen Probleme geworden ist. Zu diesem Zweck wird der gesamte
augustinische Gebrauch des Wortes ..persona" im Kontext seiner
Christologic ausgewertet. D. stellt dabei das Fehlen einer eigenen
etymologischen Ableitung dieses BegrilTs fest und identifiziert lediglich
in der Anthropologie Augustins einige Wendungen, in denen damit
die Aufgabe bzw. Rolle eines Menschen bezeichnet wird. Die
Lehre von der Personeinheit des Menschen entwickelt sich nach D.
bei Augustinus in zwei Stufen. Erst ab dem Jahre 411 überwindet er
eine ncuplatonisch geprägte Sicht der Einheit von Leib und Seele. Aus
der Trinitätslehre überträgt er den Terminus „persona" und aus der
Christologic die Definition von ..una persona". Sein Vergleich der
Einheit von Gott und Mensch in Christus mit Leib und Seele im
Menschen impliziert dabei keine akzidentelle, sondern eine gleichwertige
personale Einheit beider Momeßte. Erst in der Christologic
vollzieht Augustinus den Übergang von einem sprachlogischen zu
einem metaphysischen Gebrauch des Person-Begriffs, mit dem er die
Einheit der göttlichen und menschlichen Natur in Christus aussagen
kann. Um diesen Weg präzise nachzuzeichnen, zieht D. bei seinen

Untersuchungen außer den Schriften A,ugustin,$ diejenigen christlichen
Autoren heran, die bereits vor ihm die Formel ..una persona"
kannten (Tertullian. Isaak der Jude, Ps.-Vigilius) bzw. deren Theologie
von Augustinus beeinflußt wurde (Hilarius v. Poitiers. Hieronymus
. Ambrosius. Ambrosiaster). Zusätzlich berücksichtigt D. die
allgemeine dogmcngcschichtlichc Entwicklung dieser Epoche und
geht auch auf ..Paralleltexte" zweier Theologen ein. die Augustinus
wohl unbekannt waren (Nemesius v. Emesa, Theodor v. Mopsuestia).
Eine ausführliche Schlußreflexion (271 -274) bündelt noch einmal die
Resultate der mit größter Akribie unternommenen Textstudien.
Quellcnanhang. Bibliographie und ausfuhrliche Register runden das
Werk ab. das an dieser Stelle nur im Blick auf seine Aufgabenstellung
und seinen groben Aufbau vorgestellt werden kann. D.s Untersuchung
dokumentiert ein mit äußerster Detailgenauigkeit unternommenes
Quellenstudium und eine ebenso umfassende Kenntnis
der relevanten Sekundärliteratur. Dabei ist er nicht der Gefahr erlegen
, lediglich eine kommentierte Konkordanz zum Vorkommen des
Person-Begriffs bei Augustinus zu erstellen. Bei allem wissenschaftlichen
Ehrgeiz hat hier das Talent des Autors, sich zugleich als Historiker
und als Theologe ausweisen zu können, eine überzeugende und
lesenswerte Studie entstehen lassen.

Frankfurt/Main Hans-Joachim Höhn

Krnst. Stephan: Gewißheit des Glaubens. Der Glaubenstraktat Hugos
von St. Viktor als Zugang zu seiner theologischen Systematik.
Münster/W.: Aschendorff 1987. VI. 321 S. gr. 8' = Beiträge zur
Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters. N. F.
30. Kart. DM 80.-.

Vf. möchte mit seiner Untersuchung, einer Dissertation von 1986.
der röm.-kath. Theol. Fakultät Tübingen vorgelegt. ..in das theologische
Denken Hugos von St. Viktor (1096-1 141) einfuhren, indem
sie seiner Argumentation für die Glaubwürdigkeit der christlichen
Botschaft als der Mitte seines Denkens nachgeht", und dabei die
Aktualität mittelalterlicher Theologie aufweisen (III). Vf. geht dabei
von der gegenwärtigen Situation aus. wo die Zustimmung zur Botschaft
des Evangeliums radikal ihre Selbstverständlichkeit verloren
hat. Gerade da dürfe sich der Glaubende nicht auf Formeln zurückziehen
, sondern müsse seinen Glauben auch vor der Vernunft verantworten
und im Dialog als plausibel ausweisen, wobei vorauszusetzen
ist, daß man der christlichen Botschaft allein glaubend gerecht werden
kann. Für die rechte Verhältnisbestimmung von Glauben und Vernunft
könne sich das Werk Hugos als hilfreich erweisen.

Zugang zu Hugos (= H.) Werk gewinne man nur von seiner Summe
„De sacramentis christianae fidei", in der er heilsgeschichtlich
zwischen Schöpfungs- und Erlösungswerk unterscheidet. Dabei
möchte Vf. von seinem Traktat „De fide" aus seinem Hauptwerk ausgehen
, in dem ein klares „sola fide" zu finden sei: „Allein im Glaubensvollzug
selbst, im geschichtlich konkreten Zusammenwachsen
des Menschen mit Gott, an den er sich im Glauben hängt, erweist sich
dieser Inhalt seines Glaubens als wahr und glaubwürdig" (10). Den
Inhalt des Glaubens unterscheidet H„ seinem heilsgeschichtlichen
Ansatz entsprechend, nach Schöpfer und Schöpfung einerseits, nach
Erlöser und Sakramenten andererseits. Der ratio komme zu. im Geschaffenen
Hinweise auf den Schöpfer zu finden; aber Gemeinschaft
mit Gott gibt es erst dort, wo sich Gott dem Menschen als Erlöser
zuwendet. Gewißheit gewinnt der Glaube erst in mystischer Erfahrung
.

Im 1. Hauptteil „DerGlaube-,de fide'" (14-87)geht es Vf. darum,
aufzuzeigen, wie Wahrheit und Glaubwürdigkeit christlichen Glaubens
der ratio einsichtig gemacht und wie man im Glauben gewiß
werden kann. Hier liegt die Stärke der Arbeit. Es gelingt Vf.. die Diskussion
um Ildes und ratio in der Frühscholastik, den Streit zwischen
Dialektikern (Abaclard) und Antidialektikern (Bernhard) und dabei
H.s vermittelnde Haltung durchsichtig zu machen. H. geht von