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Ausgabe:

1988

Spalte:

761-762

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Francke, August Hermann

Titel/Untertitel:

Predigten I 1988

Rezensent:

Haendler, Gert

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 113, Jahrgang 1988 Nr. 10

762

W. S. Reid (Ontario. USA), der sich Calvins Sicht der Naturwissenschaft
zuwendet, versucht darzutun, daß der Reformator für seine Zeit
und Welt Wissenschaft und Christentum Zusammenzubringen versucht
, obwohl er kein spezifisch naturwissenschaftliches System zu
entwickeln versucht hat. (252) Er kommt zu dem Schluß (29()f): "In
attempting to establish cquity between both the Old and the New
Testament. Calvin's theology was the least inequitable or anti-Judaic
Ol the major classical theological Systems."

T. (ieorge (Kentucky. USA) untersucht Calvins erste theologische
Schrift, die. noch vor der Institutio entstanden, früher fast gar nicht,
nun aber immer häufiger Reflexionsgegenstand wird: Psycho-
pannychia. die Lehre vom Scelcnschlaf. (297) Der Vf. will "another
look" auf diese Schrill tun. die für ihn ein wichtiges Dokument ist.
und zwar zum Verständnis von Calvins Entwicklung und "for our
assessment of early Reformed polemics" (a. a. O.). Calvin behandelt
die antike Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele von seinen
bibelexegetischen und seinen systematisch-theologischen Einsichten
her. (ieorge sieht darin bei Calvin ein erstes Kabinettstück reformatorischer
Auseinandersetzung mit dem der Antike verhafteten Humanismus
.

J. Schmidt (Montreal. Kanada) steuert einen kurzen Vortrag bei
über Johann Fischarts calvinistischen Proselytismus. Er entdeckt bei
dem Dichter in seiner Beurteilung der zeitgenössischen konfessionellen
Landschaft einen deutlichen calvinistischcn Impetus für die
deutsche Kultur. Eischart reflektiere den dynamischen Einfluß des
französischen Reformators, der der begrenzten Expansion Luthers
entgegenstehe. (339) Schmidt liefert einen interessanten Beitrag zur
Konfessionengeschichte des 16. Jh.

Der Aufsatzband gibt Anstöße. Viele Anmerkungen nehmen die Forschung
auf und führen sie weiter. Eine einheitliche Beurteilung von
Sammelbänden ist "bekanntlich schwierig. Die Aufsätze bieten nicht nur
thematisch einen bunten Strauß. Der Leser findet in den Einzelvoten die
neu lebendig gewordene Calvin-Forschung (343. Leith zitiert durch
W. Klempa) ansprechend und anregend repräsentiert.

Görlitz Joachim Rogge

Kirchengeschichte: Neuzeit

Eraneke. August Hermann: Predigten I. Hg. von E. Peschke. Berlin
(West) - New York: de üruyter 1987. XVII. 651 S. gr. 8' = Texte
zur Geschichte des Pietismus. Abt. II: August Hermann Francke.
Schriften und Predigten. 9. Lw. DM 360.-.

Band I der Streitschriften war 1981 erschienen (ThLZ 107. 1982.
5391"). jetzt folgt Band I der Predigten. Franckes ..Sonn-, Fest- und
Apostel-Tags-Prcdigtcn" (SFA) aus den Jahren 1691 bis 1703 sind
Grundlage der Auswahl. Peschke nennt drei Aspekte, die ihn bei der
Auswahl geleitet haben: Es ging um „die für die historische Entwicklung
des haitischen Pietismus im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts
" wichtigsten Predigten. Die Arbeitsweise Franckes soll hervortreten
. Die Texte sollen ..dem Leser einen möglichst umfassenden
Einblick in die Frömmigkeit und Theologie Franckes vermitteln"
(Vorwort). Seit 1693 wurden Predigten Franckes mitgeschrieben. ..Im
Archiv der Franckcschen Stiftungen befinden sich 59 Bände solcher
Nachschriften, die im wesentlichen Predigten aus den Jahren 1694 bis
1724 enthalten" (XII). Die Sammlung SFA erlebte 8 Auflagen bis
1746. Die jetzige Auswahl stützt sich auf die 6. Aullage, weil sie die
letzte noch von Francke edierte Ausgabe ist. Francke hat seine Predigten
oft überarbeitet. Die Änderungen sollten nicht den Gelehrten entgegenkommen
; vielmehr war es ihm darum zu tun. den Einfältigen
..die Wahrheit Gottes so viel klarer, gründlicher und nachdrücklicher
vorzustellen" (XIII). Die Sammlung SFA geht auf Francke zurück.
..Er hat offenbar alle diejenigen Predigten aufgenommen, die er Tür die
wertvollsten und Tür seinen rechtgläubigen Standpunkt bezeichnend
hielt. Insofern kommt der Sammlung neben dem homiletisch-erbaulichen
Zweck zugleich die Bedeutung eines theologischen Bekenntnisses
und eines apologetischen Werkes zu..das der Abwehr aller Vorwürfe
scinerGegncrdiencn soll." (XVI)

Peschke hat für jede Predigt eine Einführung geschrieben, die das
genaue Datum, die Umstände sowie die dazu gehörenden Nachrichten
und Zusammenhänge bietet. So erfahren wirbei der ersten Predigt,
daß sie am I. November 1691 in Halberstadt gehalten wurde; Francke
schreibt am 16. 1. 1692 an Spener. diese Predigt werde in Leipzig, wo
sie ..ohne mein Wißen ediret ist. ohne scheu verkauftet" (5). Sie war
für Francke zeitlebens ein Beweis dalür. daß er seine Lehre nicht
geändert habe. Jeder könne sich überzeugen, daß er ..von Anläng bis
hieher cinerley Lehr und Lehr-Art gcführet"(6). Es wird hingewiesen
auf die zeitliche und sachliche Nähe ..zur Niederschrift seines Lebenslaufes
und zur Erfahrung seiner Bekehrung" (6). Zur 3. Predigt des
Bandes vom 14. Januar 1694 wird mitgeteilt: Francke schrieb kurz
darauf an Spener ..von dem großen Segen, den mir der Herr jüngst in
Quedlinburg verliehen" (78). Die übrigen I 7 Predigten wurden in der
Georgenkirche von Halle-Glaucha gehalten. Als Anhang wird ..Ein
Unterricht vom Kirchengehen" vom 2.2. 1699 gebracht. Danach
rechnete Francke mit einem ..großen Sturm" (602). An Spener schrieb
er am 25. 4. 1699: „Ich sehe einen schweren Kampf, aber keinen Ausweg
. Dieser steht allein in der Hand des Herrn" (603). Im Juni 1700
kam es zu einem Ausgleich, der ..zur Festigung der Position Franckes
beigetragen hat" (603).

Zur philologischen Arbeil liest man: ..Der Abdruck sowohl des
zusammenhängenden Textes der Predigten als auch der im textkritischen
Apparat im Wortlaut wiedergegebenen Abweichungen in den
Handschriften. Einzeldrucken oder früheren Auflagen der SFA erfolgt
buchstabengetreu. Die Groß- und Kleinschreibung entspricht der
Textvorlage. Abkürzungen werden unverändert übernommen, die
Interpunktion wird zeitgemäß wiedergegeben . . ." (XVI). Es steckt
sehr viel Arbeit in dieser Edition. Man kann nur staunen über die
Arbeitskrart des mittlerweile 80jährigen Hallenser Emeritus Erhard
Peschke. der diesen Band so schön gestalten konnte. Ein weiterer
Band mit ausgewählten Predigten von Francke ist im Manuskript
abgeschlossen und bald zu erwarten.

Rostock Gert Haendler

W under. Michael. Genkel. Ingrid, u. Harald Jenner: Auf dieser schiefen
Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im
Nationalsozialismus. Hg. vom Vorstand der Alsterdorfer Anstalten.
Pastor Rudi Mondry. Hamburg: Agentur des Rauhen Hauses 1987.
241 S. m. 85 Abb. 8'. geb. DM 29.80.

In diesem Buch wird die Geschichte der sog. Euthanasie-Maßnahmen
während der Zeit des deutschen Faschismus in den Alstcrdor-
fer Anstalten, einer großen Einrichtung für geistig behinderte Menschen
in Hamburg, dargestellt. Wichtig ist dabei die Einbettung der
Anstaltsgeschichte in einen Überblick über die allgemeine Geschichte
der Euthanasie und der Diakonic im NS. Das Buch enthält vielfältiges
Dokumentationsmatcrial (Krankenakten. Faksimiles von Briefen und
Aktenmaterial, zahlreiche Fotos, darunter auch von Vernichtungsanstalten
, sogar - besonders bewegend! - Zeichnungen von ..lebensunwerten
" Menschen u. v. a.) sowie umfangreiche Anmerkungsteile
mit Literatur- und Quellcnhinweisen.

Der Titel dieses Buches geht zurück auf einen Satz von Landesbischof
D. Wurm im Brief an Minister Frick vom 19.7. 1940 und
macht eine grundlegende Einsicht deutlich: Wo der Wert des Lebens
zur Diskussion gestellt wird, da zieht dies unweigerlich unheilvolle
Folgen nach sich. Überblickt man die in diesem Buch versammelten
(jeweils in sich geschlossenen) Beiträge der drei VIT.', so ergeben sich
folgende Schwerpunkte:

(1) Dokumentation von Einzclschicksalcn.

(2) Entwicklung und Haltung von Pastor Lcnsch (Vorsteher) und
Dr. Kreyenberg(leitender Arzt),

(3) Darstellung von ..Euthanasie"-Maßnahmen.