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Ausgabe:

1988

Spalte:

756-757

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bugenhagen, Johannes

Titel/Untertitel:

Johannes Bugenhagens Pomerania 1988

Rezensent:

Leder, Hans-Günter

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Theologische Literaturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 10

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alten Bedeutung begriffen; es sollte im privaten wie im öffentlichen
Leben über die vielfach banale Feierei der eigenen Existenz hinaus der
Frage Raum geben, ob nicht Grund vorhanden sei. Schuldnachlaß zu
erbitten und Schuldnachlaß zu gewähren" (252). Der Vortrag „Der
Laie und das mittelalterliche Recht - Darf ein Nichtjurist Rechtsgeschichte
treiben?" wurde zur Verleihung der juristischen Ehrendoktorwürde
1981 gehalten. Päpste hatten Rechtsentscheidungen zu
treffen, sie hatten aber relativ wenige juristische Fachkenntnisse;
selbst der gelehrte Silvester II. hat sich zuweilen ..ohne besondere
Rechts- und Quellenkenntnis einfach aus dem bedient, was eben in
der Bibliothek zur Hand war" (259). Erwartungsgemäß bejaht F. die
in der Überschrift gestellte Frage (261). Abschluß des Bandes ist ein
ursprünglich italienisch gedruckter Vortrag ..Das Interesse am Mittelalter
in heutiger Zeit - Beobachtungen und Vermutungen". Trotz geringer
Kenntnisse ist das Interesse groß bei Ausstellungen und Festen.
Der größte Erfolgeines neueren historischen Romans war ..Der Name
der Rose" von Umberto Eco. der ..einen mittelalterlichen Stoff ungemein
sachkundig aufarbeitet" (264). Unland. Schiller und Dahn
brachten das Mittelalter einem breiteren Publikum näher, auch Theodor
Mommsen trat ..bewußt vor ein Laienpublikum" (270). Man hat
Gustav Freytag gedankt, weil er ..schwere Forschung hinter lieblicher
Hülle" verbergen konnte. Diese zitierten Worte treffen auch Tür das
Buch von Fuhrmann zu; es verbirgt ..schwere Forschung hinter lieblicher
Hülle". Der „Einladung ins Mittelalter" zu folgen ist angenehm
und bringt Gewinn.

Rostock Gert Haendler

Oekham. Guillelmus de: Kxpositio in libros Physicorum Aristotelis.

ed. V. Richter, G. Leibold, R. Wood, R. Green. G. Gäl, J. Gier-
mck. F. E. Kelley, G. L Etzkorn. 2 Bde. St. Bonaventure. N Y:
St. Bonaventure University, The Franciscan Institute, 1985. 13*.
609; 8*. 741 S. = Guillelmus de Ockham: Opera philosophica et
theologica. Opera philosophica. 4f.

Diese beiden Bände verdienen besondere Aufmerksamkeit, denn sie
enthalten den bisher noch nicht gedruckten Kommentar Ockhams zur
„Physica" des Aristoteles, der den spätscholastischen Philosophen bekannt
war und der einen wichtigen Text in der Geschichte der Aristotelesinterpretation
und der Naturphilosophie darstellt. Er konnte aus
zehn Handschriften - die allerdings nicht alle vollständig sind -
erarbeitet werden. Eine 1939 in der Bibliothek des Marienstiftsmuseums
in Stettin vorhandene Handschrift ist seit dem zweiten
Weltkrieg verschollen, so daß sie nicht mit benutzt werden konnte.

In bezug auf die Entstehungszeit kommen die Hgg. zu dem Schluß,
daß Ockham diese Auslegung im Rahmen seiner Lehrtätigkeit am
Ordensstudium der Franziskaner in London nach Erläuterung der
Schriften des Aristoteles zur Logik in den Jahren von 1522 bis 1524
erarbeitete. Anhand einer Florentiner Handschrift kann der Text bis
lib. 7 cap. 6 auf 96 Vorlesungseinheiten verteilt werden. Mit der ersten
Vorlesung zu Buch 8 bricht die Überlieferung ab. Seine mehrfach
geäußerte Absicht, die gesamte Schrift - d. h. bis Ende von Buch 8 - zu
kommentieren, hat Ockham offenbar nicht ausführen können.

Die Hgg. fanden heraus, daß Ockham seiner Auslegung nicht die in
Oxford seit 50 Jahren verwendete Aristotelesübersetzung des Wilhelm
von Moerbeke (um 1215-1286) zugrunde legte, sondern die „neue"
des Jacobus von Venedig (1231-1314). Außerdem entdeckten sie in
einer Cambridger Handschrift, die von einem Engländer angefertigt
wurde, die meisten Textvarianten der Zitate aus dem Aristoteles-
kommentar von Averroes (1126-1198) zur Editio luntina von 1562.
Es muß hier allerdings die Frage aufgeworfen werden, ob es überhaupt
methodisch geschickt ist, die Averroeszitatc von Scholastikern in dieser
nach der Mitte des 16. Jh. mit Hilfe hebräischer Texte revidierten
und wegen ihres guten Textes angesehenen Averroesausgabe zu suchen
. Dieses Verlähren ist zwar bei Mediävisten sehr verbreitet, so beziehen
sich auch die Tübinger Ausgaben von Gregor von Rimini (um
1300-1358) und Johannes von Paltz (1444/47-1511) auf diese revidierte
Averroesausgabe. Es bietet sich bei Spätscholastikern aber an.
zunächst auf eine der seit 1472 erscheinenden Averroesausgaben zurückzugreifen
.

Die Hgg. haben auch die von Ockham anonym zitierten Aussagen
verifiziert und nur an wenigen Stellen ein ..Non invenimus" setzen
müssen. Einige Male wird auch vermerkt, daß Ockham eine Aussage
nicht vollständig oder gar fälsch aufgenommen hat. Manchmal konnte
ein unverständlicher Satz Ockhams aufgehellt werden, indem Aussagen
des von ihm bekämpften Walter Burleigh (1275 bis nach I 343)
herangezogen wurden. Die Hgg. weisen auch auf eine Untersuchung
von Rega Wood hin. wonach Burleigh Ockhams Physikkommentar
nicht nur lautstark bekämpft, sondern auch stillschweigend ohne
Quellenangabe abgeschrieben hat (5. 6*. dieser Aufsatz ist allerdings
in Franciscan Studies 42. 1982 nicht - wie dort angegeben - erschienen
). Die Hgg. bemerkten, daß Oekham Thomas von Aquino
(1225-1274) und Aegidius Romanus (1243/47-1316) maßvoll, seine
als modernos bezeichneten Zeitgenossen hingegen oft heftig angriff

Beide Bände sind wiederum mit Registern ausgestattet, aus denen
zu ersehen ist. daß Ockham in diesem Werk die Heilige Schrift nicht
zitierte. Das erinnert daran, daß Ockham Aristoteles ausdeuten, aber
nicht die damit berührten Probleme systematisch behandeln wollte-
Manche haben das nicht beachtet und ihm daher den Vorwurf gemacht
, er lehre eine doppelte Wahrheit. Da die Register auch die Stellen
aufführen, an denen Ockham auf seine eigenen Werke verweist,
stellen sie das gesamte Material zur Verfügung, das für eine relative
Datierung der Schriften Ockhams von Bedeutung ist.

Mit diesen beulen Bänden ist die Ockhamausgabe ein gutes Stück
vorangekommen, so daß ihr Abschluß mich in diesem Jahrzehnt Zu
erwarten ist.

Leipzig Helmar Junghans

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Bugenhagen. Johannes: Pomerania. Hg. im Auftrage der Gesellschan
für Pommcrschc Geschichte und Altertumskunde mit Unterstützung
der Königl. Preussischen Archivverwaltung von O. Heinemann
. Nachdruck besorgt von R.Schmidt. Köln-Wien: BÖhlaU
1986. *X. VII. LIX. 181 S. 8" = Mitteldeutsche Forschungen. Sonderreihe
: Quellen und Darstellungen in Nachdrucken. 7. LW-
DM 48.-.

In den Sommermonaten des Jahres 1517 durchreiste der damalig6
Priester und Treptower Schulrektor Johannes Bugcnhagcn im Aul"
trage des Landesherrn, Bogislaw X.. das Herzogtum Pommern, um t11
Archiven und Bibliotheken von Klöstern und Städten sowie im Prl'
vatbesitz einiger Adliger greifbare Materialien zur Geschichte des
Landes zu sammeln. Eigentlicher Auslöser dieses Unternehmens war
der sächsische Kurfürst. Friedrich der Weise, der sich über seinen
Sekretär Spalatin an Bogislaw mit der Bitte gewandt halte, in Pommern
nach Schriften über die sächsische Geschichte forschen zu l<lS'
sen. Im Frühherbst des Jahres von seiner Reise wieder nach Trcpto*
a. d. Rega zurückgekehrt, zog sich Bugcnhagcn in das der Stadt nahegelegene
Prämonstratenserkloster Belbuck zurück, wo er mit der Ordnung
und gestalterischen Bearbeitung der Materialien begann. Diese
mühevolle Arbeit führte schließlich im Mai 1518 zum Abschluß ^cr
in lateinischer Sprache abgefaßten „Pomerania". Sie stellt einma'
„die erste Gesammtgeschichte Pommerns" dar. zum anderen enthält
sie ..eine Anzahl Nachrichten, von denen wir nur aus ihr Kenntfl"
erhalten". So besitzt die ..Pomerania" „theilweisc den Werth einer
Quelle" (Zitate aus der umfänglichen kritischen Einleitung Heinemanns
. S. LV).

Dankenswerterweise ist es dem Vorsitzenden der Historischen
Kommission für Pommern. Roderich Schmidt. Marburg/Lahn-
gelungen, den Böhlati-Verlag für einen unveränderten Nachdruck
dieses bedeutenden pommerschen Geschichtswerkes zu gewinne11